Meinung/Gastkommentar

Der Bundesbahnblues

Jetzt wissen wir endlich, wer daran schuld ist, dass bei den ÖBB uralte Waggons bei vorgeblich modernsten Verbindungen eingesetzt werden müssen: Die bösen Produzenten, die teils um Jahre verspätet liefern. Warum wurden da aber nicht schon längst Alternativen gesucht? Weil man aus Tradition bei Siemens kaufen muss, um dort Arbeitsplätze zu sichern, die es offenbar gar nicht gibt, da man ja sonst die nötige Fertigungskapazität haben müsste? Weil es zu mühsam wäre, sich an andere qualifizierte Hersteller in Europa zu wenden? Also vielleicht doch primär ein Managementfehler?

Die ÖBB-Bilanz 2022 weist Transferzahlungen aus dem Steuertopf von rund 3,5 Milliarden Euro aus, immerhin 0,8 % des BIP (448 Mrd.) und 1,5 % des Staatsbudgets (236 Mrd.). Das Bundesheer musste sich mit 2,7 Mrd. Euro begnügen. Kurioserweise wird aber ein Gewinn von knapp 200 Millionen Euro ausgewiesen. Da könnte man auf die Idee kommen, dass die ÖBB den Steuerzahlern ein bissel zu viel abgeknöpft haben. Das meint auch der Rechnungshof in einem Bericht 2021. Und warum regt das niemand auf? Immerhin fließen mehr als die Hälfte sämtlicher Infrastrukturinvestitionen in den Transportsektor.

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Zukunftsstrategien und abgestimmte Planungen sind derzeit bei mehreren Ministerien in Ausarbeitung. Nicht so bei der Bahn. Da liegt die strategische Planung nämlich nicht beim Infrastrukturministerium, sondern bei den ÖBB. Verkehrte Welt oder „der Schwanz wedelt mit dem Hund“. Gelebte Praxis seit jeher und wer will in Österreich schon an noch so absurden Traditionen rütteln? Eine Vorvorgängerin von Frau Gewessler hat zumindest versucht, einen Generalverkehrsplan (für Bahn, Straße, Luft und Wasser) erstellen zu lassen und ist grimmig gescheitert. Wäre das aber nicht ein sinnvoller Ansatz? Wo doch die Republik auch noch 100 % der Graz-Köflacher Bahn und Beteiligungen an drei anderen Gesellschaften besitzt, die – wie rund 25 weitere Bahngesellschaften in öffentlichem (Teil)Besitz – offiziell als Privatbahnen firmieren. Typisch österreichisch eben.

Herr Matthä stellt zurecht fest, dass die Bahn in Europa ein Fleckerlteppich technischer Normen und nationaler Abschottungen ist. Aber warum endet dann die S7 nach wie vor 3 Kilometer vor Bratislava, weil man die Verbindungstrasse von Wolfsthal bis zur Staatsgrenze in enormer Weitsicht ab 1988 abgebaut und verkauft hat? Warum wird jetzt die Hauptroute von Wien nach Osten nicht über Bratislava geführt? Wirklich, „weil des die Ungarn net wolln“ (O-Ton eines ÖBB-Strategen)? Das könnte man doch problemlos bilateral regeln, oder?

Die Liste seltsamer Auffälligkeiten im Bahnbereich kann problemlos fortgesetzt werden. Die immer gleiche Frage dabei ist aber: Wieso kümmert das alles weder Politik noch Medien noch all jene, die von den Folgen dieser Feinheiten betroffen sind? Nur Mut!

 

Peter Schneyder ist Unternehmer, tätig im Bereich Standort und Regionalentwicklung mit dem Schwerpunkt Infrastruktur