Meinung/Gastkommentar

Budget: Mehr Tempo bei der Gleichstellung

Ein Schwerpunkt der Budgetplanung für 2022 ist der Schutz von Frauen gegen Gewalt. Das Frauenbudget, das zwischen 2010 und 2020 bei gut zehn Millionen Euro stagniert hatte, wird dazu nach einer spürbaren Aufstockung 2021 auch im kommenden Jahr wieder deutlich erhöht: auf über 18 Millionen Euro. Die Ressorts Inneres, Justiz, Soziales sowie Familie und Jugend steuern noch einmal etwa zwanzig Millionen zusätzlich zum Gewaltschutz bei.

Gleichzeitig hat die Pandemie viele weitere Gleichstellungsdefizite offengelegt und teilweise verschärft, die zu wenig entschieden angegangen werden.

Nach der letzten Zeitverwendungsstudie von 2008/09 übernehmen Frauen in Österreich zwei Drittel der unbezahlten Arbeit. Frauen-Teilzeitquote und Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern sind besonders hoch.

Der Anteil von Frauen in Führungspositionen steigt nur langsam. Ausbildungs- und Berufswahl sind immer noch recht traditionell. Es ist daher begrüßenswert, dass die Aufstockung des Frauenbudgets für das heurige Jahr auch eine neue Zeitverwendungsstudie finanziert. Diese Erhebung hat einen hohen Mehrwert, weil sie Bewusstsein für die – ungleiche – Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen schärft. Das ist nicht nur aus gesellschafts- und sozialpolitischer, sondern auch aus ökonomischer Sicht relevant.

Sind Frauen mit guter Ausbildung nicht adäquat erwerbstätig, ist das ökonomisch ineffizient – umso mehr angesichts des sich abzeichnenden Fachkräftemangels und der langfristigen demografischen Entwicklung, die zu Arbeitskräfteknappheit führt. Eine Zeitverwendungsstudie hilft auch, Handlungsnotwendigkeiten und Ansatzpunkte für Maßnahmen zu identifizieren – indem aufgezeigt wird, wo Frauen unbezahlt arbeiten.

Dabei ist als ein Ergebnis der neuen Studie zu erwarten, dass Kinderbetreuung nach wie vor eine wesentliche Rolle spielt, ebenso wie die Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen.

Die vorliegenden Budgetpläne weisen in diesen Bereichen noch Lücken auf. So ist ein weiterer Ausbau des Kinderbetreuungsangebots politisch akkordiert, aber noch nicht finanziell dotiert. Zudem ist eine Pflegereform in Vorbereitung, für die aber, da sie derzeit noch konkretisiert wird, ebenfalls die finanzielle Ausstattung noch fehlt.

Darüber hinaus hat Österreich mit dem Gender Budgeting, das im Verfassungsrang steht, ein sehr effektives Gleichstellungsinstrument an der Hand, das allerdings zu wenig genutzt wird. Die Gleichstellungsziele, die sich alle Ressorts geben müssen, sind teilweise zu wenig ambitioniert, ebenso wie die Maßnahmen zu ihrer Erreichung. Es fehlt an einer nationalen Gleichstellungsstrategie.

Gleichstellung ist kein handlungsleitendes Prinzip bei der Konzeption und Umsetzung von wichtigen Maßnahmen – wie Steuerreform, Coronahilfen oder Zukunftsinvestitionen. Nur wenn Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen berücksichtigt wird, können die großen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen bewältigt werden.

Margit Schratzenstaller ist Ökonomin im  WIFO. Sie arbeitet im Forschungsbereich „Makroökonomie und Europäische Wirtschaftspolitik“