Flex und Hortensie sei Dank
Von Andreas Schwarz
Zeit ist relativ. Selten haben wir das so gespürt wie jetzt. Vier Wochen sind nicht die Ewigkeit, und vier Wochen Urlaub verfliegen in einem Leben schneller als ein Wimpernschlag. Aber vier Wochen Einschränkung von Bewegungsfreiheit und sozialen Kontakten sind nahe der Hölle. Vom Nicht-Einkaufen nicht zu reden.
Wie sehr, sah man am ersten Tag der vorsichtigen Lockerung der Maßnahmen gegen Corona: Schlangen und Blockabfertigung vor Baumärkten und Gartencentern, Motto: wenn schon keine Blockabfertigung auf dem Weg in den Urlaub, dann wenigstens hier – Flex und Hortensie und unserem Kanzler sei Dank! So groß ist die Sehnsucht nach Normalität. Und einer Zukunft.
Das ist ja das Gemeine an Corona: Das Virus hat uns unsere Lieblingstugend abgewürgt, die Sehnsucht nach der Vorhersehbarkeit. Der Mensch ist nicht geschaffen für das Unbekannte, das Sich-überraschen-Lassen. Bei allem Abenteurertum, das man sich mit Urlaubsreisen (gerade gestrichen) und Freizeit-Kicks (sehr eingeschränkt) mutig erkauft: Wir wissen gerne, wo’s lang geht und welche Sicherheit am Ende winkt.
In Corona-Zeiten winkt gar nichts. Kalter Perspektiven-Entzug, sozusagen. Wir haben keine Ahnung, was wann wie kommt, weil es auch die Virologen, Pharmazeuten, Ökonomen, Ärzte, Statistiker und Politiker nicht wissen. In diesem allgemeinen Blindflug fallen dann pro futuro so Sätze wie „Klar ist: Nichts wird, wie es einmal war“ – so sprach ein möglicher deutscher Kanzler über die Zeit nach Corona. „Verzichte müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten, sondern können sogar neue Möglichkeitsräume eröffnen“ – so zeichnete ein Zukunftsguru die aus Fehlern auferstehende Welt; „Auferstehung nach Ostern“ – so sprach ein Kanzler, der seinen Kampf gegen das Virus wohl zu inszenieren weiß und nun „so viel Freiheit wie möglich, so viel Einschränkung wie nötig“ verspricht.
Aber was möglich und was nötig ist, bestimmen der Verlauf einer dramatischen Pandemie; die Experten, die gegen diese Pandemie ankämpfen; und die von ihnen beratenen Politiker, die auf Basis unterschiedlicher Expertisen Gesundheit, Freiheit, Wirtschaft abwägen müssen – für unsere Zukunft, von der wir so gerne wüssten, wie sie aussieht. Weil wir mit der schlichten Bewältigung der Gegenwart allein kaum zurecht kommen – schon außerhalb von Krisenzeiten nicht. Das Streben nach vorne ist der Treibstoff für den Motor der Menschheit, oder?
Dennoch: Der Blick in die Glaskugel wär’ zur Zeit akkurater als das Dozieren von der Kanzel der Medien und der Politik herab, wie es bestellt sein wird um Wirtschaft, Wohlstand, Gesellschaft, um uns, dann, wenn alles vorbei ist. Düstere Prognosen wie die des Währungsfonds wollen die Menschen nicht hören, ein bisschen so wie vorher, das wär’ der Wunsch. Einstweilen erfüllt sich der in Bau- und Gartenmärkten.