Entwarnung
Von Heinz Kienzl
Bedenklicher als die Staatsverschuldung einiger Euroländer sind die Leistungsbilanzen.
über den Wert der EU-Gemeinschaftswährung
Als ich im Sommer vergangenen Jahres das Baltikum besuchte und von Lettland nach Estland fuhr, fühlte ich mich wirtschaftlich fast wie Zuhause. Ich konnte mit Euro zahlen, ich konnte Preise vergleichen, ich konnte sogar aus dem Bankomaten Euro-Noten beziehen, also ein durchaus positives Erlebnis. Im Übrigen wird das, vielleicht in einem Jahr, für den Übergang von Litauen nach Lettland gelten, denn die Letten wollen auch gerne dem Euro beitreten.
Wechselkurs
Das estländische Erlebnis hat aber zweierlei gezeigt: Von den verschiedenen Funktionen einer Währung haben die ersten zwei bewiesen, der Euro kann als Zahlungsmittel verwendet werden, der Euro kann als Rechnungseinheit gelten. Wie ist nun die Lage des Euro, hinsichtlich seiner äußeren Stabilität? Das heißt also, die Verhältnisse des Wechselkurses in einigen wichtigen Ländern und gegenüber dem Euro. Seit dem Ende der akuten Finanzkrise, also seit 2008, haben sowohl die Schwedenkrone, die Dänen-Krone, das Englische Pfund, die Tschechen-Krone, ja sogar der Schweizer Franken, eine verhältnismäßig enge Bindung an den Euro zustande gebracht. Der Wechselkurs zum Dollar ist seit längeren stabil und liegt bei 1,30 Dollar für 1 Euro. Den Schweizer Franken hat die Schweizer Nationalbank bei etwas über 1 Schweizer Franken ( SFR) 20 für einen Euro stabilisiert. Es gibt aber noch eine dritte Funktion, nämlich die Wertaufbewahrungsfunktion. Damit sieht es für den ersten Blick nicht so großartig aus, denn wir haben im Euroland eine 2-prozentige Inflationsrate und eine Niedrigzinspolitik, was bedeutet, dass der Sparer etwa ein Prozent seiner Spareinlagen verliert. Ein höheres Zinsniveau würde allerdings der Politik mit Niedrigzinsen die Konjunktur beleben widersprechen.
Leistungsbilanzen
Was viel bedenklicher als die Staatsverschuldung einiger Euroländer ist, das sind die Leistungsbilanzen. Die Leistungsbilanz einer Volkswirtschaft zeigt ja, wie es um ihre Konkurrenzfähigkeit bestellt ist und von der Konkurrenzfähigkeit hängt in einem hohen Maße die Beschäftigung ab. Und das ist unser nächstes Problem, wichtiger und schwerer zu lösen als die Finanzkrise, ist die Beschäftigungskrise.
Vorbild
Für konkurrenzschwache Volkswirtschaften mag Estland ein Vorbild sein, es hatte im Jahre 2008 ein Leistungsbilanzdefizit von 15,7 Prozent des Bruttonationalprodukts, im nächsten Jahr von 8,5 Prozent und in den Jahren 2010, 2011 und 2012 hatte Estland sogar einen Leistungsbilanzüberschuss erreicht. Das passt dann ganz gut zu einer Aussage einer Fremdenführerin mir gegenüber, die sagte: „Wir Esten sind fleißig, sind sparsam, sind flexibel und wir werden mit dem Euro schon zurechtkommen!“