Meinung

Das Teilversagen der Schule – es musste so kommen

Wer bleibt auf der Strecke? Natürlich die Kinder!

Prof. Ernst Smole
über das Versagen des Bildungssystems

In den 1990ern: "Eines unschönen Tages werden die SchülerInnen nicht mehr lesen, schreiben und rechnen können!" So Unterrichtsministerin Gehrer vor knapp zwei Jahrzehnten. Von riesigen Fluchtbewegungen war damals keine Spur, aber von Überlastung der Schule mit früheren Erziehungsaufgaben der Eltern und von Projektitis, die das regelmäßige Lernen und Üben in der Schule zunehmend verhinderte.

Vor rund einem Jahrzehnt: Eine Wiener Studie berichtet, dass an Pflichtschulen von einer 50-Minuten-Stunde nur rund die Hälfte der Zeit für den Fachunterricht zur Verfügung steht und der große Rest der "Beziehungsarbeit" dient, dem Herstellen eines unterrichtsfähigen weil disziplinierten Unterrichtsklimas. Auch damals – keine Flüchtlingsströme.

2012 der nächste Hilferuf – paradoxerweise vom Bildungsministerium in Form des "Bildungsberichtes 2012". Schockierende Ergebnisse: Knapp ein Drittel Analphabeten unter den Fünfzehnjährigen, mehr als zehn Prozent Leseschwache in Gymnasien, LehrerInnen, die Leseschwächen nicht erkennen und denen die zwölf zentralen Unterrichtsprinzipien der österreichischen Schule unbekannt sind.

Lehrerbildung

Der Schluss: Eine radikal verbesserte Lehrerbildung, die das Disziplinhalten und das Unterrichten praktisch übt. "Im Studium haben wir 95 Prozent Wissenschaft und fünf Prozent Praxis, doch in der Schule brauchen wir 95 Prozent Unterrichtspraxis und fünf Prozent Wissenschaft.

Was passiert? Allen Regeln der wirklichen "Reformkunst" widersprechende, hingehudelte Schein- und "Türtaferlreformen", die verdecken sollen, dass im Grunde alles so bleiben wird, wie es ist – weil es für viele bequemer ist und weniger Denkarbeit, Anstrengung und Risiko verlangt. Wer bleibt auf der Strecke? Natürlich die Kinder!

"Ich melde mich freiwillig für die Klasse mit 100 Prozent Zuwandererkindern, es bereitet mir Freude, die Kinder behutsam beim Voneinanderlernen führen und ihre rasanten Lernfortschritte miterleben zu dürfen." Auch diese LehrerInnen gibt es. Sie beherrschen jene Unterrichtskunst, die solche Klassen benötigen. Das Können dafür holen sie sich eigeninitiativ auf eigene Kosten bei Weiterbildungen abseits des behördlich genehmigten Fortbildungsangebotes. Ihr Tun vor der Klasse und ihre Unterrichtserfolge sollten Mut machen.

Es ist falsch, geflüchtete Kinder für das jetzige Scheitern der Schule verantwortlich zu machen, denn dieses wurde bereits vor Jahrzehnten eingeleitet – Projektitis, Tsunami schulfremder Aufgaben, oberflächliche Kuschelpädagogik, billiger Spaß statt Freude an der schulischen Leistung, und das nicht einlösbare Versprechen der Bildungspolitik, den Eltern alle Aufgaben, alle Lasten abnehmen zu wollen, die Kinder nun einmal mit sich bringen.

Schule braucht einen Neustart in eine Zukunft, die nur dann "Zukunft haben wird", wenn dieser einem umfassenden Plan folgt und nicht wieder Konzeptlosigkeit, überfallartige Scheinreformen, Verunsicherung, Schuldzuweisungen und Zorn und regieren.