Meinung

Chaos-Theorien

Mein Schreibtisch schaut aus wie einst jener von Albert Einstein. Total zugemüllt.

Mag. Simone Hoepke
über Chaos-Theorien

Ich will ja nicht prahlen, aber ich bin eine Art Albert Einstein. Weniger wegen meiner Gedanken zu Materie, Zeit und Raum. Oder weil mich Anrufer aus Schweden drängen, den Nobelpreis abzuholen.

Es ist der Schreibtisch. Mein Schreibtisch schaut aus wie einst jener von Albert Einstein. Total zugemüllt. Unterlagen und Bücher stapeln sich auf abenteuerliche Weise zu Türmen, die jenem in Pisa nicht unähnlich sind.

Positiv formuliert ist das ein sichtbares Zeichen gelebter Kreativität. Um es mit Einsteins Worten zu sagen: "Wenn ein unordentlicher Schreibtisch einen unordentlichen Geist repräsentiert, was sagt dann ein leerer Schreibtisch über den Menschen, der ihn benutzt aus?"

Man muss auch einmal sagen, dass Unordnung ziemlich effizient ist. Der typische Büro-Mitarbeiter vertrödelt täglich neun Minuten damit, etwas zu suchen. Klingt wenig, ist es auch.

Denn jene Buchhalter-Typen, die jeden Zettel glatt streichen, beschriften und in irgendein Ablagesystem pressen, brauchen für all das deutlich länger als die Chaoten zum Suchen.

Mein Ablagesystem ähnelt übrigens jenem von Andy Warhol, der ja auch einen Hang zum Horten hatte. Er hat einfach alles – von Postwurf bis zum Zeitungsschnipsel – in Kisten gepackt. Das hat wunderbar funktioniert. Vor allem, weil der Pop-Art-Star genügend Häuser hatte, in denen die Kisten dann unbehelligt verstauben konnten. Warhol soll insgeheim gehofft haben, dass der ganze Krempel verloren geht. Solche Gedanken sind mir nicht fremd. Sie kommen mir immer, wenn ich den Umzugskarton im Eck stehen sehe. Keine Ahnung, was da eigentlich drinnen ist, aber in den letzten Jahren ist es mir nicht abgegangen.

Menschen, die im Chaos keine Ruhe finden, können aber entspannt aufatmen. Forscher wollen jetzt herausgefunden haben, dass man kein Chaot sein muss, um als Genie durchzugehen: Angeblich kann man sogar an aufgeräumten Schreibtischen etwas leisten. Thomas Mann hatte einen fast pedantisch anmutenden Schreibtisch, und trotzdem hat er den Literaturnobelpreis bekommen.