Brexit und das Versagen der EU
Von Melanie Sully
Die EU ist gekränkt und ratlos, überrascht vom Sieg Trumps und Brexit
über den Zustand der EU
Mit einer schwergeprüften Kanzlerin in Berlin und einem unbeliebten Präsidenten in Paris mangelt es in Europa an Leadership. Die Zukunft von EU-Spitzen wie Tusk ist ungewiss. Das Beharren auf einen "harten Brexit oder gar keinen Brexit" ist genauso wenig hilfreich wie Theresa Mays leere Worte. Das Letzte, das einige Mitgliedstaaten wie Irland wollen, ist ein harter Brexit und Rückkehr zu Grenzkontrollen zu Nordirland.
Die EU unterstützte grenzüberschreitende Projekte, welche die Vorurteile im Norden langsam abbauen. Diese mühsamen Fortschritte könnten Grenzkontrollen gefährden.
Mangel an Vertrauen
Die EU ist gekränkt und ratlos, überrascht vom Sieg Trumps und Brexit. Zu häufig werden die Pro-Brexit-Stimmen als Folge eines fremdenfeindlichen Populismus und einer bösen Presse abgetan. Aber der EU gelang es nicht, die Menschen zu überzeugen. Der Deal, den sie dem Vereinigten Königreich anbot, sah keinen Zeitrahmen vor und die Wähler hatten kein Vertrauen, dass er umgesetzt würde. Der komplizierte Entscheidungsprozess der EU brachte sogar Kanada an den Rand der Verzweiflung. Die EU trägt also einen Teil der Verantwortung für dieses mangelnde Vertrauen, das den Brexit herbeiführte, und ihre fantasielose Reaktion seit Juni verschlimmert die Lage noch.
Informelle Verhandlungen würden jenen in Großbritannien helfen, die Pro-Europa sind und allen voran den Bürgern in der EU, die verunsichert in ihre Zukunft blicken. Wenn dem britischen Parlament das Recht zugesprochen wird, über die Auslösung von Artikel 50 zu beraten, und die EU abblockt, kann dies in eine Sackgasse führen. Das Parlament muss mehr Informationen von der britischen Regierung erhalten, aber auch von Europa. Eine festgefahrene Situation könnte zu vorgezogenen Wahlen führen und den Brexit noch weiter hinauszögern.
Gefallene Würfel
Die EU sollte die Interessen ihrer Bürger schützen, stattdessen wird sie jedoch von innenpolitischen Kalkülen getrieben und von der Angst, dass andere Länder nachziehen und die EU zerfällt.
Es geht nicht darum, dass Großbritannien etwas ausverhandelt, um in der EU zu bleiben. Der Brexit wird kommen, alea iacta est. Es geht um die künftige Beziehung Großbritanniens außerhalb der Europäischen Union und darum, wie das Leben von Millionen von Menschen in Europa davon betroffen wird. Es geht nicht darum, sich mehr Geld von der EU zu sichern. "Geld kann dir keine Liebe kaufen", wie das Pro-Brexit-Votum in Wales zeigte, einer Region, die von den EU-Fördermitteln profitiert. Geld führt vielmehr zu einer Abhängigkeit, nicht zu mehr Eigenverantwortung oder Stolz.
Brexit war ein Wunsch nach Reformen. Der EU gelingt es bisher nicht, den vom Brexit betroffenen Bürgern und Unternehmen in den Mitgliedstaaten Hoffnung zu vermitteln, dass diese Botschaft verstanden wurde.
Dr. Melanie Sully ist britische Politologin und Direktorin des in Wien ansässigen Instituts für Go-Governance.