Meinung

Brexit – da capo?

Derzeit gibt es unter den Briten keinen großen Meinungsumschwung

Dr. Melanie Sully
über den Brexit oder Nicht-Brexit

Sollte Großbritannien seine Meinung zum Brexit ändern, würde die EU dann die Rückkehr des verlorenen Sohnes begrüßen?

In einer Demokratie ist es schließlich immer möglich, eine Meinung zu ändern. Das wäre nicht bloß Jux und Tollerei nach zwei Jahren zu sagen: "Wissens was, wir haben das alles gar nicht so gemeint". Aber die politische und wirtschaftliche Lage könnte sich verschlechtern.

Attraktivität

Nicht auszuschließen ist, dass die EU Reformen einführt, wie echte Dezentralisierung, mehr Flexibilität, eine neue Einwanderungspolitik oder Änderungen des Kindergeldes für EU-Migranten. Das könnte die EU für Briten attraktiver machen.

Der Oberste Gerichtshof in London kam zu dem Urteil, dass das Parlament das Recht dazu hat, das Austrittsverfahren gemäß Artikel 50 einzuleiten.

Aus diesem Grund kann das Parlament auch die Berechtigung erteilen, dies rückgängig zu machen. Laut Artikel 50 kann ein Mitgliedstaat im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten. Sollte das britische Parlament Artikel 50 zurückziehen, wäre der Austritt nicht gegeben. Großbritannien würde sich nach wie vor als Mitglied der EU erachten, in das Budget einzahlen und seine Verpflichtungen erfüllen. Die EU könnte Großbritannien als ausgetretenes Mitglied ansehen, was jedoch einem Ausschluss gleichkäme.

Tief im Herzen sind viele in der EU nicht daran interessiert, einen Mitgliedsstaat zu verlieren. Eine kuriose Konsequenz wäre, Großbritannien als eine Art nicht anerkanntes Mitglied der EU zu behandeln.

Einige, unter anderem kein Geringerer als Donald Tusk, haben angedeutet, dass der Status quo im Falle keines Deals durchaus möglich wäre. Selbst Alec Salmond, der ehemalige Vorsitzende der Scottish National Party, philosophiert über die Möglichkeit einer "Reset-Taste" – wobei Großbritannien letzten Endes EU-Mitglied bleiben würde. Die Ironie des ganzen wäre, dass ein unabhängiges Schottland dann die Aufgabe hätte, der EU beizutreten wohingegen der Rest von Großbritannien drin bleiben würde. Der Brexit hätte als Rechtfertigung für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum gedient.

Schottland

Seit dem Referendum im Jahr 2014 hat Schottland zusätzlich zum bereits vorhandenen Kabinettsminister in London, den Abgeordneten in Westminster und einem Ausschuss im Parlament, mehr Autonomie erhalten. Das kann jedoch niemals jene zufriedenstellen, die eine vollständige Unabhängigkeit anstreben.

Sollte das britische Parlament ein Austrittsabkommen ablehnen, könnte ein Referendum folgen. Sollten die Wähler dann für einen Verbleib in der EU stimmen, wäre es politisch schwer für die EU Großbritannien auszuschließen.

Derzeit gibt es unter den Briten keinen großen Meinungsumschwung. Aber die Musik muss erst noch beginnen und am Ende könnte man vielleicht doch Da-capo-Rufe hören.

Dr. Melanie Sully, Politologin und gebürtige Engländerin, ist Leiterin des in Wien ansässigen Instituts für Go-Governance.