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Halbhubers Weltreise: Trauriges Cairns

Vielleicht muss man mit Cairns im Allgemeinen beginnen: Diese Stadt ist ein höllisches Paradies. Traumhaft für jugendliche Backpacker, ein Greul für Reisende mit der Liebe zu Authentizität. Hier wird viel gevögelt, mehr gesoffen und meistens gefeiert. Hier treffen die Surfertypen ohne Surfbrett auf Mädchen, die zuviel für ihre engen Hosen, kurzen Röcke und knappen Blusen sind. Die mit ihren hohen Heels weder um- noch gehen können. Cairns ist einer der Orte, in denen der Teufel den lieben Gott trifft, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

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Wenn man durch die geraden Straßen watet - es ist gerade Regenzeit und das meist intensiv - gibt es zwei Möglichkeiten. A: Man verliebt sich alle zehn Meter in einen noch bartlosen Waschbrettbauch oder eine Lolita, deren faltenlose Haut ebenso zu jung für einen wäre wie ihr körperlicher Rest. Denn ja, es gibt auch Hübschlinge in der Partygeneration. Oder aber B: Man findet das alles widerlich, die Discopubs, deren beschmierten Rollläden man tagsüber ansieht, welche Zwischenmenschlichkeiten sich nachts darin abspielen. Die Touranbieter zum Great Barrier Reef, deren Dreiecksständer Cairns zum permanenten Wahlkampf verwandeln. Restaurants, die auf der großen Tafel neben dem Eingang "Authentic Pizzas" anpreisen und auf der kleinen darunter die "Teriaki Chicken Pizza - Chicken, Teriaki Soy Sauce, Mango Cuttney, Yogurth, Cashews" ausweisen. Ehrlich, ich denke an solchen Orten darüber nach, ob ich mit meinen 32 einfach zu alt dafür bin. Oder immer schon zu alt dafür war.

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Während diese Gedanken mit dem Regen um die Wette prasselten, ging ich in einen der Bottle-Shops. Nicht, um zu trinken zu beginnen. Nicht, um noch einmal jung zu sein und aufzuholen. Nein. Sondern um zu akzeptieren, dass Plätze wie das Great Barrier Reef eben einen Rattenschwanz an Scheußlichkeiten nach sich ziehen. Die Alpen haben ihr Ischgl, Thailand hat seine Puffs. Und das berühmteste Tauchrevier der Welt hat eben sein Cairns.

Und am Weg zum Bottleshop riss es mich gedanklich herum. Denn bei solchen Shops lungern sie herum. So wie vor der Shopping-Mall. Oder dem siffigsten Pub der Stadt. Die Ureinwohner, die Aborigines. Du siehst sie in Australien an sich selten, wie die Kängurus auch. Aber wenn du sie siehst, dann haben sie oft schmutzige und löchrige Kleider an. Sie sind betrunken oder am besten Weg dazu. Sie stehen in Gruppen zusammen und verbreiten Unwohlsein. Bei den Touristen, die das aber sowas von erschreckend finden. Und bei den richtigen Australiern, den weißen, die aus der Shopping-Mall mit Sackerln rauskommen, statt nur davor herumzulungern.

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Das klingt übertrieben? Stimmt schon, aber in Cairns wurde ich das Klischee nicht leicht los. Und weil mein Hirn ja gerade auf Energie war, dachte ich halt darüber nach. Dass die Aborigines seit 40.000 Jahren hier waren, bevor 1788 die erste europäische Besiedelung losging. Dass diese Menschen damals fast eine Million waren, 1920 aber nur mehr 60.000. Dass den Ureinwohnern Australiens der Uluru (aka Ayers Rock) heilig ist, was in allen Führern steht, und trotzdem Touristen hinauflatschen. Ich fragte mich, warum das nicht einfach verboten wird?

Sachen fielen mir ein, dass die Aborigines in Queensland, wo ich gerade war, erst 1965 das Wahlrecht erhielten. Und erst 1967 in der australischen Verfassung rechtlich gleichgestellt wurden. Alltäglich sind sie es noch immer nicht, dachte ich mir, wenn du durch Cairns gehst. Und dann fiel mir ein, dass Aborigines mittlerweile als Schimpfwort gilt, weil es sich ja um ursprünglich rund 500 verschiedene Völker handelte. Trotzdem dachte ich "Aborigines" und da merkte ich, dass ich selber auch ein weißes Schwein bin.

Als ich mir das dachte, war dann das widerlich Touristische an Cairns gleich halb so schlimm. Und als ich mit dem coolen Aussie hinter der Bottleshop-Theke über das Thema plauderte, weil ich deren Sicht kennen wollte, sagte er mir dasselbe, was bislang alle Aussies und Aussie-Auswanderer antworteten: "Es ist schlimm, aber die Regierung arbeitet an dem Problem und langsam findet sich eine Lösung." Und nachdem ich den Weißwein aufgemacht, mir ein Glas vollgeschenkt und den ersten Schluck genommen hatte, fing es wieder zu regnen an. Voll. Und mir fiel keine andere echte Lösung ein als: Wir Weißen packen wieder unsere Koffer, entschuldigen uns für die 222 Jahre andauernde Belagerung und hauen uns endlich wieder über die Häuser. Auch nicht schlecht, oder? p.s. Die Bilder von den bunten Fischen und großen Haien und riesigen Meeresschildkröten des Tauchganges kommen bald nach, versprochen!

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Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas (Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile - Auckland (Neuseeland) - Wellsford - Ngunguru - Tutukaka - Kawakawa - Paihia - Kaitaia - Cape Reinga - Matakohe - Tauchkurs in Tutukaka - Peninsula Coromandel - Auckland - Taupo - Napier - Wellington - Fähre auf die Südinsel - Picton - Takaka - Kaiteriteri - Punakaiki - Arthur's Pass - Christchurch - Twizel - Aoraki/Mount Cook - Dunedin - Te Anau - Milford Sound - Queenstown - Wakana - Franz Josef - Hanmer Springs - Kaikoura - Fähre auf die Nordinsel - Paraparaumu - National Park - Tongariro Crossing - Whanganui - Wellington - Rotorua - Auckland - Sydney (Australien) - Blue Mountains - Cairns - Great Barrier Reef - Cape Tribulation, nächstes Ziel: Sydney.

Schnäppchen dieser Tage: Von Cairns aus bietet sich eine dreitägige Entdeckungsreise auf eigene Faust an, nach Cape Tribulation und retour. Dabei sieht man wilde Tiere (Riesenspinnen, Würgeschlangen, Krokodile) und entkommt dem Dschungel nicht. Die Unterkünfte Beachhouse (nicht so toll) und YHA Cape Tribulation/Crocodylus Resort (sehr toll) liegen im Regenwald und sind nebenbei wie gratis Zoos.Nepp dieser Tage: Ein Phänomen, das wir schon aus Neuseeland kennen: Während in Südamerika jede Bauchstichhütt'n, oder zumindest jedes Beisl ein WLAN for free hat, quält man sich hier mit Verbindungslosigkeit, teuren Gebühren und damit, dass es dann erst nicht funktioniert. Kann mir das jemand erklären?