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H'hubers Weltreise: Reisende, Prolog

Der Reisende reist, um Fremde zu treffen. Jeder, der seinen Ranzen packt, um die Ferne zu begutachten, wird unter seinen Top 3-Motiven "Menschen treffen" nennen. Außer vielleicht kommerzielle Reisende, wobei selbst Businessmen, Drogenhändler und Waffenschieber meeten schlussendlich Gleichgesinnte. Aber es geht hier nicht um sie, es geht um prototypisches Reisen. Und es stimmt ja auch: Man trifft Menschen. Im kasachischen Almaty zum Beispiel hunderte Nationen, dafür wenig Kasachen. Darum geht es: Es ist wurscht, ob man Einheimische trifft oder Ausländische. Irgendwo sind auch die Ausländischen einheimisch und wenn du seit zehn Monaten überall der Tschusch bist, hast du zum Fremden einen andern Zugang als HC Strache.

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Anders gesagt: Man kann anderes Essen genießen und dabei trotzdem das Schnitzel vermissen. Gestern erst habe ich mich in einem Berg Manty (gedünstete Teigtaschen) eingegraben, gefüllt mit Muttonfaschiertem und Kürbis. Ich stehe auf den lokalen Gruß Assalamu aleykum (Friede sei mit dir) und freue mich trotzdem wieder auf ein herzhaftes Servus (wörtlich: Sklave). Aber auch darum geht es nicht. Es geht immer nur ums Entdecken. Und in Almaty gibt es viel zu Schauen.

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Kurz zur Erklärung: Die immer noch größte Metropole Kasachstans war früher Hauptstadt, bis der Präsident eine neue ernannte, das zentralere Astana. Das muss man sich so vorstellen: Almaty liegt im südöstlichsten Eck (rechts unten) und damit von Uralsk (andere große Stadt, links oben) weiter entfernt als Wien. Kasachstan ist nämlich richtig groß: 2,7 Millionen Quadratkilometer, so groß wie Westeuropa, neungrößtes Land der Welt. Also sagte Präsident Nazarbaev, der zwar vieles richtig macht und sehr beliebt ist aber dennoch seit 20 Jahren im Amt, nennen wir Kasachstan eine funktionierende Semidemokratie: Neue Hauptstadt mitten in der Steppe, wo es im Sommer 40 und im Winter minus 20 Grad hat. Seitdem entsteht in Astana ein architektonisches Disneyland für Verwaltung und Politik. Der kasachischen Mittelschicht ist das wurscht, sie lebt zu 95 Prozent in Almaty, wo die Berge näher und das Klima wohlwollender sind.

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Das macht Almaty zu einem Fleck, den sich Kasachen nicht leisten können. Hier leben angeblich 30.000 Ex-Pats, arbeitende Ausländer (wie bei uns in Wien, nur sogenannte Qualifizierte, quasi türkische Putzfrau mit Uni-Abschluss, Job im Uran-Abbau und Millionen am Konto). Dazwischen städtische Urbevölkerung, ein Mix aus Russen und Europäern, Koreanern und Zentralasiaten. Eine Einteilung wird schwierig: Die Ex-Pats erkennst du am Anzug. Die meisten anderen tragen Gewändern, die ich salopp als Ostblock-Mode benenne, Trainingsanzug und dazu Herrenschlüpfer, schrille Farben, Blumenmuster, Schulterpolster, Kack-Hemden. Ich kennen diese Mode aus dem Nah&Frisch in Bad Großpertholz, nördliches Waldviertel. Die Herkunft der Träger erkennst du nicht: Die Gesichter so vielfältig wie in der UNO-Kantine. Die meisten sprechen Russisch, die Regierung versucht, Kasachisch zu forcieren, es klappt kaum. Ich habe mir anfangs ein paar Mal das Maul verbrannt, als ich fragte: Sind Sie Russe? "Nein, wieso, ich bin Kasache!!!" Ich lernte: Kasachstan ist ein Vielvölkerstaat von Ureinwohnern, Zugereisten, während der Sowjetzeit Deportierten undundund. Das Ergebnis ist ein wunderbares Almaty, in dem Hautfarben, Augenformen und Gesichtszüge tatsächlich kaum Rolle spielen. Darum geht es aber gar nicht.

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Die Kehrseite Almatys ist, dass Kasachstan erst an der Stadtgrenze beginnt. Einerseits ist da die Sowjet-Vergangenheit. Weil der UdSSR-Kommunismus war schon ein schlauer Fuchs in punkto Nachhaltigkeit: Lenin-Statuen, Hämmer und Sicheln, Partei-Gemälde - das kann man alles auf den Sperrmüll werfen. Aber die Architektur. Die monumentalen Betonkästen, die urbanen Platten-Burgen, die lassen sich nicht wegleugnen. Nicht schönreden. Die bleiben, und nach zwei Stadtrundgängen begann ich sie zu mögen. Andererseits der Mittelstand: Diese Uniformierung zieht seuchengleich auf der ganzen Welt ein und schert sich einen Dreck um Individuelles. Wir globalisierten Mittelständer leben in Ikea, reisen nach Lonely Planet und halten dabei den Starbucks-Becher in der Hand. Die Girlies in Almaty schauen aus wie im Donauzentrum, Islam hin oder her. Nur die Sounds aus den Taxi-Boxen lassen erkennen, dass hier Schlager im Pop noch uneingeschränkt geliebt wird und erklären, warum diese Länder beim Songcontest die Nase vorn haben.

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Dieses Gemisch aus Mittelstand und Unions-Trott beschert Almaty einen ungewollt europäischen Charme. Damit meine ich nicht die Birken und Tannenbäume, die vor dem Fenster stehen. (Obwohl das nach Monaten Nadelbaum-loser Gegenden einen Moment der Rührung hervorrief) Hier fahren mehr SUVs spazieren als in Döbling. Hier kostet eine Wohnung mehr als in Wien. Hier war ich gestern Mittag in der Shopping Mall: Die Pizzaschnitte (ein Pizza-Achtel) im Foodcourt wurde um 850 Tenge angeboten, rund 4,50 Euro. Der Supermarkt hat unser Preisniveau. Wie sich das die Nicht-Ex-Pat-Bevölkerung leisten kann? Knapp, äußerst knapp. Und nur mit Nebenjobs: Ich hörte die Geschichte einer mittelständischen Frau, die als Lehrerin rund 100 Euro pro Monat verdient. Sie vermietet eine kleine Wohnung (die wurden nach dem Sowjet-Zerfall billig an die Bevölkerung verkauft, Privatisierung im Jungkapitalismus). Und alle paar Monate fährt sie nach Moskau, kauft tausende Schirme und verklopft die in Almaty. Die Pointe: Gewinnbringend.Sie merken schon: Darum geht es gar nicht. Ich wollte von Reisenden erzählen, von den Franzosen, die mir im SOS-Kinderdorf von ihrem Charity-Abenteuer erzählen: In russischen Beiwagen-Motorrädern von London in die Mongolei. Ich erzähle davon beim nächsten Mal. Jetzt muss ich in die Berge, die gleich neben Almaty knapp 5000 Meter hoch in den Himmel ragen. Nadelwald-Luft schnuppern, Sie verstehen?

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Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas (Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile - Auckland (Neuseeland) - Wellsford - Ngunguru - Tutukaka - Kawakawa - Paihia - Kaitaia - Cape Reinga - Matakohe - Tauchkurs in Tutukaka - Peninsula Coromandel - Auckland - Taupo - Napier - Wellington - Fähre auf die Südinsel - Picton - Takaka - Kaiteriteri - Punakaiki - Arthur's Pass - Christchurch - Twizel - Aoraki/Mount Cook - Dunedin - Te Anau - Milford Sound - Queenstown - Wakana - Franz Josef - Hanmer Springs - Kaikoura - Fähre auf die Nordinsel - Paraparaumu - National Park - Tongariro Crossing - Whanganui - Wellington - Rotorua - Auckland - Sydney (Australien) - Blue Mountains - Cairns - Great Barrier Reef - Cape Tribulation - Sydney - Tokyo (Japan) - Kyoto - Hiroshima - Osaka - Hongkong (China; selbstverwaltete Region) - Macao (China; sR) - Ho Chi Minh City/Saigon (Vietnam) - Cu Chi-Tunnels - Nha Trang - Motorradtour durch das zentrale Hochland (Buon Ma Thout, Kon Tum, Tac Glei) - Hoi An - Hue - Hanoi - Halong Bay - Ninh Binh - Tam Coc - Savannaketh (Laos) - Pakse - Bolaven Plateau - Champasak - Si Phan Don Islands/Don Kong Island - Kratie (Kambodscha) - Phnom Penh - Sihanoukville - Battambang - Siem Reap - Bangkok (Thailand) - Delhi (Indien) - Agra - Varanasi - Lumbini (Nepal) - Pokhara - Kathmandu/Kathmandu Valley (Patan - Boudhanath - Jorpati - Bhaktapur) - Almaty (Kasachstan) - Medeu - Issyk Lake - Wandern im Altatau, nächstes Ziel: Bishkek (Kirgisistan).

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Schnäppchen dieser Tage: Einerseits die Pizzaschnitte im Supermarkt über dem Foodcourt: 162 Tenge das Stück (weniger als ein Euro). Auch mit den Taxis habe ich meinen Frieden geschlossen: Nach der Ankunft verlangte der erste Taxler 11000 Tenge (rund 60 Euro) für die Fahrt Flughafen-Quartier. Ich wusste, dass die Fahrt üblicherweise 2000 Tenge kostet (rund 11 Euro). Man muss den Preis also kennen, zumal man meistens mit "Privattaxis" fährt: Arm raushalten, einer bleibt stehen. Man sagt wohin, nennt einen Preis, er fährt weiter oder winkt einen in den Wagen. 200 bis 400 Tenge sind innerhalb des Zentrums üblich. Aber nicht selbstverständlich: Heute eröffneten drei Lenker für denselben Weg 500, 700 und 1000 Tenge. (2,70/3,80/5,40 Euro). Ich fuhr schließlich um 400.Nepp dieser Tage: Wo Almaty westlich riecht (also nach Touristen oder Ex-Pats), ist es teuer. Sauteuer. Im Cafe "Coffeedelia" zahlte ich heute für Sandwich und Kaffee 15 Euro pro Person. Der Touranbieter eröffnete eine Vier-Tages-Wanderung um 840 Euro für zwei Personen. Und einen Tagesritt in die Berge Reiten für 320. Den Vogel schoss er mit dem Transport-Offert nach Medeu ab: 7000 Tenge. Das Privattaxi machte den Weg um 1000 (rund 5,70 Euro). Ja, es fehlt hier noch am monetär-touristischen Feingefühl.Eine Empfehlung: Wer Kasachstan im Allgemeinen und Almaty im Besonderen besucht, sollte sich an die hier lebende Deutsche Dagmar Schreiber wenden. Sie weiß viel, organisiert alles und hat Verständnis für Gestaltungs- und Preiswünsche mitteleuropäisch, mittelständisch Reisender. Email: kasachstanreisen@aol.com, Telefon: +7 (727) 2621224, Mobil: +7 (701) 407 96 11