Antico: Apoll vom Belvedere
Von Michael Huber
Er ist 41,3 Zentimeter hoch, aus Bronze gegossen, zum Teil vergoldet und hat Augen aus Silber. Und er hat das Zeug dazu, zum Posterboy der digitalen Renaissance zu werden: Am vergangenen Dienstag nämlich wurde der "Apoll vom Belvedere" des Renaissance-Bildhauers Pier Jacopo Alaro Bonacolsi - genannt "Il Antico" - einer wegweisenden High-Tech-Behandlung unterzogen. Das "CultLab3D", ein innovativer 3-D-Scanner, kam an der Skulptur erstmals direkt im Museums-Kontext zum Einsatz.
Die Maschine, entwickelt vom Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt, soll die Digitalisierung dreidimensionaler Objekte massiv beschleunigen. Bei der Digitalisierstraße, die nun im Frankfurter Liebieghaus den Praxistest absolvierte, werden "Scanzeiten von 5 Minuten pro Artefakt" erreicht, heißt es auf derWebsite des Projekts. Und: "Die Auflösung der gewonnenen 3D-Modelle liegt im Mikrometerbereich."
Das bedeutet: Der Scanner erstellt hoch aufgelöste Datenmodelle von Skulpturen, die auch feinste Details der Oberfläche und optische Materialeigenschaften mit berücksichtigen. "Die vollautomatische Scanstraße CultLab3D wird es ermöglichen, Millionen von Artefakten in Museumssammlungen industriell, kostengünstig und schnell dreidimensional vor Ort zu scannen, dauerhaft zu archivieren sowie weltweit für Forschungszwecke und Vermittlung digital zur Verfügung zu stellen", heißt es von Seiten der Entwickler. Damit wäre im Bereich der Skulpturen-Sammlungen eine ähnliche Speicherung möglich, wie sie etwa das Google Books Project mit den Beständen von Bibliotheken vornimmt.
Bis wir uns Scans von Skulpturen auf dem 3-D-Drucker für den Kamin zuhause ausdrucken können, wird es wohl noch ein wenig dauern. Der Bedarf nach möglichst effizienter Digitalisierung hat aber einen traurigen aktuellen Anlass: In den Krisengebieten der Welt, etwa in Mali, in Syrien oder im Irak, gehen ständig Kulturschätze unwiederbringlich verloren. Nun soll digital konserviert werden, was zu konservieren ist.
Apoll, der Gott der Kopie
Dass Anticos "Apoll vom Belvedere" für den Praxistest des Scanners ausgewählt wurde, ist wohl kein Zufall: Die Bronzeskulptur, die 1497/'98 in Mantua entstand, ist selbst eine Kopie eines antiken Werks: Ende des 15. Jahrhunderts wurde die rund zwei Meter hohe Statue des Apoll vermutlich in Porto d’Anzio / Italien gefunden. Papst Julius II. ließ sie in der Belvedere-Halle des Vatikan aufstellen - daher der Name.
Der "Apoll vom Belvedere" wurde von den Zeitgenossen der Renaissance als Inbegriff antiker Bildhauerkunst gelobt und in der Folge als Vorbild für Künstler vielfach kopiert; Im 18. Jahrhundert galt er dem Archäologen Hans Joachim Winckelmann als Verkörperung des Ideals von "edler Einfalt und stiller Größe", auch Goethe war von der Skulptur ergriffen. Die Vorbildwirkung wurde in die Welt hinausgetragen - existieren zahlreicheGipsabgüsse, Stiche und eben auch Bronze-Versionen der Skulptur, wobei jene von Antico zu den frühesten und besten zählt.
Wie sich später herausstellte, war jedoch auch der im 15. Jahrhundert entdeckte Apoll kein "Original", sondern selbst eine Kopie: Wie Forscher herausfanden, entstand die Skulptur in Rom zur Zeit Kaiser Hadrians (117-138 n.Chr.) nach einem griechischen Vorbild, das wohl in der Zeit um 325 v.Ch. entstanden war und heute verloren ist.
Dass der "Apoll vom Belvedere" nun digitalisiert wurde, um künftigen Generationen als Lehrbeispiel zu dienen, ist folglich nur schlüssig. Darüber, in welcher Form die digitalen Daten in mehreren hundert Jahren verfügbar sein werden, lässt sich heute wohl nur spekulieren.