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Amazon als Kunsthändler: Der Warhol im Warenkorb

Kunstinteressierte Neulinge gehen ungern in Galerien, wo sie von Auskennern umgeben sind

Georg Leyrer
über Amazons neuen Handelsplatz für Kunst.

Betrunken online sein birgt viele Gefahren: Da kann man allzu rasch unbedachte eMails oder Tweets wegsenden, und das ist blöd genug. Aber man stelle sich vor, man wacht eines Morgens auf - und hat sich in der Nacht zuvor ein Kunstwerk um schlanke 2,5 Millionen Dollar gekauft.

Möglich macht das Amazon. Das allumfassende Internetwarenhaus hat nun neben Büchern, Musik, Kühlschränken und Autoradios auch Kunst im Angebot. Vom Kunsthandwerksstück um ein paar Dollar bis zum Monet um 2,5 Millionen reicht das Angebot aus 150 Galerien, das sich nun bei Amazon findet. Der Einstieg des Internetgiganten in den überaus lukrativen Kunstmarkt.

Das sorgt natürlich für Aufsehen, nicht zuletzt in der ohnehin erhöhten Aufmerksamkeit nach dem spektakulären Zeitungsdeal des Amazon-Gründers Jeff Bezos. Besonders originell ist die Idee ja nicht: Kunstverkaufsplattformen gibt es einige im Netz, nicht zuletzt auch die Auktionsseite Ebay.

Hellhörig

Aber die Kunstszene ist hellhörig: Amazon hat oft mehr vor, als vorerst bekanntgegeben wird. Das Vorgehensmuster war bereits anderweitig zu beobachten: Amazon bietet sich als Verkaufsplattform an und baut so Marktmacht auf, nur um später selbst zur direkten Konkurrenz zu werden. Längst tritt beispielsweise der ehemalige Onlinebuchhändler selbst als Verlag auf, und über den E-Reader Kindle diktiert Amazon auch die Preise.

Amazon Art aber hat mit der eigentlichen Galeristentätigkeit auf den ersten Blick nichts zu tun. Zumindest jene Galerien, die zeitgenössische, also lebende Künstler vertreten, sind weit mehr als eine Verkaufsplattform. Den notwendigen heiklen, oft jahrelangen Paarungstanz der Galeristen mit den Künstlern tut sich der Internethändler nicht an. Insofern müssen sich die Galeristen wohl nicht fürchten, in Obsolenz zu geraten.

Zumindest nicht so bald. Denn auf dem Kontaktformular für Galerien, die sich an einer Teilnahme bei Amazon Art interessieren, wird explizit darauf hingewiesen, dass sich Künstler ohne Galerie nicht direkt an Amazon zu wenden brauchen. Zumindest "derzeit". Amazon behält sich vor, das Art-Programm zu erweitern. Und dann doch vielleicht selber zum weltumspannenden Großgaleristen zu werden.

Ropac

Der international hochrenommierte Salzburger Galerist Thaddaeus Ropac jedenfalls sieht keine direkte Konkurrenz zu den Galerien. „Alle Versuche, Kunst über das Internet zu verkaufen, hatten bisher eher bescheidene Erfolge“, sagte Ropac auf KURIER-Anfrage. „Wir schätzen das Internet als Informationsplattform sehr und nutzen es auch als solche. Ich sehe aber nicht, dass in unmittelbarer Zukunft das physische Erlebnis einer Ausstellung und das persönliche Gespräch für Sammler virtuell ersetzt werden kann.“

Billig

Ja, es gibt Warhols etc. Aber wer wirklich so viel Geld in die Hand nehmen wird, wird sich wohl eindringlicher beraten lassen und auch andere Experten beiziehen, ob die Werke so viel wert sind, wie sie auf Amazon kosten sollen. Der Verdacht bleibt, dass Galerien Werke mit gutem Preis leichter abseits von Amazon an den Mann bringen würden.

Aber es steht zu erwarten, dass Amazon vor allem im Niedrigpreissektor punkten wird. Denn hier schafft die Webseite etwas locker, was den Galeristen seit jeher schwer fällt: Schwellenängste vor dem Kunstsammeln abzubauen. Kunstinteressierte Neulinge mit ein wenig Geld gehen ungern in Galerien, wo sie von Auskennern und Kunstexperten umgeben sind. Das ist nicht immer angenehm. Einen Druck oder eine Fotografie aber in den Warenkorb zu legen und dann problemlos per Kreditkarte zu zahlen, erleichtert den Einstieg ins Sammeln. Und damit lässt sich gutes Geld verdienen.