Welt-Reise, Tag 8 - Libyen
Kamel kreuzt
Libyen ist das Land der langen Autofahrten. Um in eines der Camps der Österreicher in der Wüste zu gelangen, ist man mehrere Stunden lang unterwegs. Entlang der Küste auf gut ausgebauten Autobahnen, im Landesinneren auf gut befestigten Landesstraßen (teilweise von der Strabag gebaut) ebenso wie auf Sandpisten. Erst seit Kurzem gibt es Verkehrsschilder. Die meisten allerdings nur in Arabisch, was bei unbedarften Ausländern nicht immer zu mehr Verkehrs- bzw. Rechtssicherheit führt. "Erinnern Sie sich an Gott", fordert eine Aufschrift von Fahrern und Mitfahrern. Wir erinnern uns. Und fahren weiter. Unglaublich auch jenes Vorrangschild an einer Stadtausfahrt von Tripolis, das regelrecht Kopf steht, weil es die Straßenarbeiter schon vor Monaten verkehrt montiert haben. "No problem", sagt dazu der echte Libyer. Ebenso einzig: Wo in Österreich eine Kuh die Straße kreuzen könnte, ist es hier das Kamel.
Ehrenwerter Kameltreiber
In Österreich gilt der "Kamötreiber" als Schimpfwort. Weil Kameltreiber gleichgesetzt wird mit ungebildet, einfältig und nicht von hier. Dabei handelt es sich beim Beruf des Kameltreibers, wie der Schnappschuss in der libyschen Wüste zeigen soll, um einen sehr anstrengenden, aber auch sehr schönen Beruf. Immer ist man an der frischen Luft, immer auf den Beinen, immer mit den Wüstenschiffen im Dialog. Abends weiß der Kameltreiber, was er den ganzen Tag gemacht hat. Doch seine Müdigkeit ist eine andere, eine weniger anstrengende als die Müdigkeit der Büromenschen. Keine E-Mails, keine dringenden Telefonate, auch keine Rückenschmerzen. Genau betrachtet ist Kameltreiber sogar der viel modernere, weil auch gesündere Beruf.
Handgemachte Steirer
Rudolf Hois und Heinrich Fuchs sind beide praktisch gleich alt: 58 (der Heinrich ist 16 Tage älter). Beide nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde, handgemachte Steirer, wie sie betonen, ohne dass man an dieser Stelle jugendfrei wiedergeben kann, was einen handgemachten Steirer auszeichnet. Die Beiden arbeiten seit vielen Jahren in der selben Firma. Im selben Ausland. Im selben Camp. Im Camp der Firma Vaos in der libyschen Wüste. Manchmal bekommen die Kollegen zu Hause in der Südsteiermark zu hören, dass sie ein sehr angenehmes Leben führen: Eigenes Haus, großer Wagen, den ganzen Tag zu Hause. Und so halt. Dann sagen sie: Wenn du das auch möchtest, kannst du es gerne versuchen. Und dann kündigt wieder einer von denen, die es ganz genau wissen wollten, spätestens nach drei Monaten. Weil er die körperlich anstrengende, gefährliche Arbeit an den Bohrtürmen nicht derpackt, oder die 50 Grad draußen am Field, oder den Gestank von abgestandenem Erdöl. Weil er den Turnusdienst (sieben Wochen Libyen, drei Wochen Heimaturlaub) nicht erträgt. Weil er, weit abseits der Zivilisation, abends, zum Wochenende und zu Weihnachten an der Einsamkeit fast zerbricht. Weil er, so er eine hat, auch seine Partnerschaft auf eine harte Probe stellt. Achtzig Prozent ihrer Kollegen sind geschieden. Sagt der Heinrich. Und der Rudolf macht sich insgeheim auch ein bisschen Sorgen, was ihn in der nicht mehr allzu fernen Pension erwarten wird. Es fehlt längst der gemeinsame Nenner mit jenen, die noch immer meinen, dass er ein feines Leben führt. Aber immerhin gibt es ja noch den guten alten Kollegen, der in Österreich nicht allzu weit entfernt wohnt.
Karl-Heinz - Oida!
Auch im Büro von Rudolf und Heinrich hängt der allgegenwärtige Karl-Heinz. Fast wie ein Heiligenbild der katholischen Kirche, so sieht er aus. Karl-Heinz heißen heute in Österreich in erster Linie geschmeidige ehemalige Finanzminister. In Libyen ist das anders: Karl-Heinz haben die alten "Vöstler" den libyschen Revolutionsführer schon in den 1980er-Jahren getauft. Um den Geheimdienstleuten, die sie gerne abgehört haben, eine kleine Denkaufgabe zu geben. Heute spricht man eher von "ihm". Die Österreicher sagen auch: "Da Oide." Hängt kein Konterfei von ihm in der Gegend herum, gibt der Alte seinem Volk klare Anweisungen mit auf den Weg. Eine sehr gelungene ist zum Beispiel: "Afrika den Afrikanern". Fast möchte man meinen, Jörg Haider hat seinen PR-Freunderln zu Lebzeiten noch einen Auftrag zugeschanzt. Fehlt nur noch ein emotionales "Daham ist daham". Auch anders als anderswo: Dass die gesamte Mittelmeer-Küste dem Volk gehört, und nicht den großen Hotelketten und Immobilienhaien.
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