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Welt-Reise, Tag 73 - Rumänien

Putzfrauen für den Osten!

Putzfrauen für den Osten! Der Herr Kommerzialrat schaut heute wieder einmal in Bukarest nach dem Rechten. Er betont auch dort, dass er sich seit vielen Jahren bemüht, das ramponierte Image des Reinigungsgewerbes aufzupolieren. Dass er dafür auch schon die eine oder andere Auszeichnung bekommen hat. Jahrzehntelang waren die Putzfrauen in Österreich in ein Schmuddeleck gedrängt. Zwar machten Betriebsräte und Gewerkschafter immer wieder darauf aufmerksam, wie schlecht die Frauen bezahlt wurden und unter welchen Bedingungen sie arbeiten mussten, doch das hat nur Wenige interessiert. Kurt Wagner, der Kommerzialrat, hat einen Termin in der Petrom City, welche für die OMV in Bukarest gebaut wurde. Seine Putzbrigade ist auch hier im Einsatz. Seine Firma, die Reiwag-Gruppe macht heute nicht nur in Österreich einen Reibach. Im Moment ist sie in sechs Ländern in Mittel- und Osteuropa vertreten, beschäftigt 2600 Facility-Mitarbeiter, davon 507 in Rumänien. Das Motto in seiner Firma lautet: Putzfrauen aus dem Osten - für den Osten. Wagner wird nicht müde zu betonen, dass man alle Mitarbeiter fair bezahlen und behandeln muss. Sein Geschäftsführer in Bukarest drückt dann allerdings lange herum. Bis er zugibt, dass die rumänischen Putzfrauen gerade einmal 150 € verdienen. Fair? Im Gegensatz zu den meisten Mitbewerbern dürfen die Reiwag-Frauen mit einem ordentlichen Arbeitsvertrag, einer Krankenversicherung, einer eigenen Uniform, Aufstiegsmöglichkeiten und mit Gesundheit schonenden Putzmitteln rechnen. Die Reiwag-Gruppe räumt den Markt in Rumänien derzeit ordentlich auf. Sie wird hier vor allem von ausländischen Firmen gebucht. Man bietet seine Dienstleistungen inzwischen in sechzig Gebäuden, unter anderem für die Erste Bank und für die Immo Finanz.

Ab in die Walachei!

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Der Herr Baron und seine Frau, die Baronesse, streifen heute wieder einmal über ihr Weingut. Das Weingut Prince Stirbey in Dragasani, im Süden Rumäniens. Hier hat der Anbau von Wein eine lange Tradition. Ist sogar seit mehr als 2000 Jahren nachweisbar. Wurde fast 300 Jahre lang nachhaltig von der Familie Stirbey geprägt. Ja, Jakob und Ileana Kripp entstammen adeligen Familien. Er ist sogar ein direkter Nachfahre von Kaiser Franz Joseph, aber damit wollen wir uns heute nicht im Detail aufhalten. Die Geschichte, die seine Frau oben am Weinberg erzählt, ist wichtiger, traurig und schön zugleich: Sie hatte mit Rumänien bereits abgeschlossen. Dabei war sie noch gar nicht alt. Doch die 13 Jahre im gefühlten Gefängnis, der Diebstahl ihrer Kindheit, auch die Gewissheit, dass ein gewisser Herr C. und seine Genossen alle Besitztümer ihrer Familie enteignet hatten, das alles konnte sie nicht einfach vergessen. Auch nicht im Westen, wohin sie im Jahr 1969 flüchten konnte. Es war ihr zweiter Mann, der sie von einem realen Albtraum wachgeküsst hat. Sie sieht ihn an, sagt dann liebevoll: "Wäre der Jakob nicht gewesen, ich wär' nie wieder nach Rumänien zurückgekehrt." Dem Juristen aus Absam bei Innsbruck gelang es, ihre Vorbehalte zu entkräften. Nach der Hochzeit sagte er zu ihr: Ab in die Walachei! Ab in die Walachei? Was von seinen Landsleuten bis heute runter gemacht wird, nicht zuletzt deshalb, weil sich die Habsburger in dieser Region nie durchsetzen konnten, ist in Wahrheit pure Faszination: eine Kulturlandschaft mit osmanischen, römischen, slawischen bis hin zu österreichisch-ungarischen Einflüssen. "Ich habe mich sofort in die Gegend verliebt", erzählt Jakob Kripp. Den Hügelkamm westlich des Oltflusses darf man sich ungefähr so vorstellen: als würden die sanften Mugel der Südsteiermark direkt zur Donau abfallen, der Wein wächst auf fruchtbaren Lößböden, ebenso wie in der Wachau. Das Regime hatte das Weingut im Jahr 1949 enteignet und dann abgewirtschaftet. Früher wurde der Wein von Stirbey im Orient-Express kredenzt, im realen Sozialismus verkam er zur billigen Massen-Droge. Nach der das Volk dürstete, um die gespenstische Realität im autoritären Arbeiter- und Bauernstaat kurzfristig vergessen zu können. Der Baron erinnert sich an seinen ersten Besuch: "Die Rebstöcke waren verfault, der Weinkeller vergammelt, das Weingut insgesamt in einem erbärmlichen Zustand." Dennoch sah er hier eine Zukunft. Er konnte sogar den skeptischen Schwiegervater überzeugen, ein gerichtliches Verfahren zur Restituierung anzustreben - und gewann dieses Verfahren im Handumdrehen. Das war vor zehn Jahren. Seit 2003 erweckt er mit seiner Frau das alte Adelsweingut zu neuem Leben. Heute sprechen Weinkenner in Rumänien von Stirbey Prince mit Hochachtung. Ein engagierter deutscher Kellermeister, Oliver Bauer, hat in nur wenigen Jahren eine neue Marke geschaffen. Und hätte der rumänische Wein heute nicht so ein irr schlechtes Image, dieser hier ließe sich auch im Export gut verkaufen. In Österreich wird er derzeit nur von der Innsbrucker Weinhandlung Sankt Urban Gottardi vertrieben. Anderes können sich Jakob und Ileana Krippner auf ihre Fahnen heften: Der heute 80-jährige Vater von Ileana trinkt nur mehr ihren Wein. Seinen Wein. Vielleicht auch als eine noble Geste der späten Genugtuung.

Vitamin D

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Autodiebe, Zigeuner, Straßenkinder, Dracula. Würde man Österreichs Stammtische befragen, was sie mit dem jungen EU-Land Rumänien verbinden, diese vier Begriffe hätten größte Chancen, in die Top-Auswahl aufgenommen zu werden. Ein kurzer Spaziergang durch die von Deutschsprachigen geprägte Altstadt von Sibiu (Hermannstadt) führt vor Augen, dass es noch ein ganz anderes Rumänien gibt: Mit vertrauten Architekturen und Umgangsformen dank einer gemeinsamen europäischen Geschichte, einem geographisch wie sprachlich nahe liegenden Markt, viel Entgegenkommen von rumänischer Seite für österreichische Firmen, die hier quasi Heimvorteil genießen. Auf die Frage, warum die Österreicher in Osteuropa derart erfolgreich sind, sogar erfolgreicher als die Deutschen, meint einer der Exporteure lapidar: "Weil wir mit dem Vitamin D ausgestattet sind." D? Steht für Durchwurschteln. Small is beautiful, die Nischenweltmeister haben einen entscheidenden Vorteil gegenüber den großen Nationen und Konzernen. Sie sind dank ihrer Schlankheit flexibler, kommen daher auch mit nationalen Eigenheiten besser zurecht.

Freestyle in den Karpaten!

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Auch Martin Freinademetz hat es nach Sibiu verschlagen. Gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern wohnt er in einem gemütlichen Stadthaus in der Nähe der alten Stadtmauer. Geschichte wiederholt sich, am heutigen Tag: Seine Frau Sigrid wurde ebenso wie die Baronesse am Weingut in Rumänien geboren. Und auch sie erinnert sich nicht allzu gerne an ihre Kindheit im Kommunismus zurück. Ihr Vater hat zwanzig Jahre lang die Ausreise beantragt. Erst dann konnte er für zwei Wochen nach Deutschland fahren. Zwei Wochen, die nicht mehr enden wollten. Sie war 15, als das Regime sie und ihre Mutter endlich zum Vater ließ. Bei einem Rennen hat sie dann den Martin, die Tiroler Snowboard-Legende, kennen gelernt. In ihre alte Heimat kam sie erst nach dem Ende seiner aktiven Karriere zurück. Gemeinsam haben die Beiden vor vier Jahren eine Firma gegründet. Heute bieten sie ihren Kunden einzigartige Outdoor-Pakete an. Freestyle in den Karpaten! Im Angebot: Heli-Skiing, Snowboard-, Ski- und Snowmobilfahren. Zuletzt haben die ungebrochen Wilden in der Nähe von Sibiu ein kleines, dafür eigenes Skigebiet eröffnet. Die Arena Platos. Mit allem, was dazu gehört, auch vier gebrauchten Doppelmayr-Schleppliften. Wie die Zeit vergeht! Der Innsbrucker Martin Freinademetz war in den 1990er-Jahren der Pionier und Dominator der internationalen Snowboard-Szene. Er war aber auch der Andreas Hofer der Boarder. Einer der Wenigen, die sich auch mit den schröcklich autoritären Präsidenten dieser Welt anlegen wollten. Einer der ersten Sportler, die sich dann von Red Bull großformatiger sponsern ließen. In Rumänien organisiert der passionierte Motorradfahrer auch "das härteste Enduro-Rennen der Welt". Und wer das Leuchten in seinen Augen sieht, wenn er mit seiner Tochter spricht oder wieder einmal auf seiner KTM aufsitzt, der weiß, dass das Leben sehr schön sein kann.

Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.