Welt-Reise, Tag 53 - Brasilien
Gesundheitsvorsorge fürs Vieh
Heute Ausflug aufs Land, und es ist ein weites Land, dieser Bundesstaat Sao Paolo. Thema des ersten Firmenbesuchs: Erfolgreiche Exporteure, die in Österreich kaum jemand kennt. Dazu zählt auch die Firma Biomin aus der Stadt Herzogenburg in Niederösterreich. Der 100-prozentige Familienbetrieb (im Besitz von Margarete und Erich Erber) produziert Zusätze und Additive für Futtermittel. Diese sollen einerseits gegen gängige Krankheiten vorbeugen und andererseits spezielle Schimmelpilzgifte, so genannte Mykotoxine, abwehren. Solche Pilze bilden sich auf dem Feld und auch bei der Lagerung. Den Tieren machen sie das Leben schwer - und den Viehbauern kosten sie am Ende viel Geld. Der Weg zu Biomin führt durchs brasilianische Zuckerrohr-Land, auch durch die Provinzstadt Piracicaba. Die 500.000-Einwohner-Stadt gilt weltweit als ein Zentrum der Zucker verarbeitenden Industrie. Kein Wunder, dass sich Biomin in der Nähe der Stadt auf einer grünen Wiese angesiedelt hat. Das moderne Werk, das im November 2008 eröffnet wurde, profitiert auch davon, dass der wichtigste Rohstoff (Zuckerrohr) praktisch vor der Werkseinfahrt wächst. Die Geschäfte von Biomin in Brasilien führen der mit dem Land vertraute Diplom-Volkswirt Torsten Michael Offtermatt und der auch auf akademischem Boden anerkannte Lebensmittel- und Biotechnologe Herbert Danner. Die Beiden zeigen sich mit dem Geschäftsgang mehr als nur zufrieden. Ihre Firma hat wieder einmal das richtige Händchen bewiesen. Die Nachfrage nach ihrem weltweit einzigartigen Bio-Produkt, das quasi eine Gesundheitsvorsorge fürs Vieh bietet, ist inzwischen auch in Südamerika enorm. Offtermatt und Danner geben gerne zu, dass sie gerne für Biomin arbeiten. Der Familienbetrieb wächst seit zwanzig Jahren - jedes Jahr um 25 Prozent. Was rein mathematisch eine Verdoppelung des Umsatzes und der Anzahl der Mitarbeiter im Rhythmus von vier Jahren bedeutet. Erfolg macht selbstbewusst. Die Zielvorgaben sind auch für 2011 ambitioniert. Doch keine Spur von Das-schaffen-wir-nie. Alle Abteilungen in der Firma sind gut vernetzt, alle Mitarbeiter hoch motiviert. Was soll da noch schief gehen?
Wie der Vater, so der Sohn
Der Altösterreicher Alois Schaeffer steht mit seinem Sohn Hans am Ufer des braun schimmernden Flusses, der durch die Zucker-Stadt Piracicaba fließt. Die alte, längst geschlossene Zuckerfabrik auf der anderen Uferseite ruft Erinnerungen bei ihm wach: "Es war im Jahr 1947, da habe ich im Herbst bei der Zuckerkampagne in der Zuckerfabrik in Hohenau mitgeholfen." Für einen Sack Zucker, der damals auf dem Schwarzmarkt Gold wert war. Nur wenige Wochen später hat der Maschinenbauer aus Graz seiner Heimat den Rücken gekehrt. Und jene, die damals geweint und gemeint haben, dass sie ihren Loisl nie wieder sehen werden, sollten zumindest in der Tendenz Recht behalten. Gemeinsam mit seinem Bruder Franz kam Schaeffer zunächst nach Peru. Um dort in einer Zuckerfabrik der Bremer Firma Gildemeister als junger Diplomingenieur seine ersten Sporen zu verdienen. Sein Bruder ist nicht lange in der Branche geblieben, er selbst beschäftigt sich auch noch mit 87 Jahren mit der Zuckerseite des Lebens - seines Lebens. Seit 1970 lebt und arbeitet der Steirer in Piracicaba. Sohn Hans Schaeffer kennt diese Geschichte. Aus nächster Nähe. Er ist heute auch schon 57 Jahre alt. Wie der Vater, so der Sohn: Auch er hat Maschinenbau studiert. In Sao Paolo. Heute hilft der Firmenberater mit seinem Insider-Wissen auch österreichischen Firmen beim Markteintritt in Brasilien.
"Und es wird weitergehen"
Die Brasilianer haben vor ihrer Küste riesige Erdölfelder entdeckt. Ihr Präsident sprach sogar von einem "Geschenk des Himmels". Dieses Geschenk könnte sich auch noch als ein Segen für die österreichische Industrie erweisen. Vor allem für jene Firmen, die als Subunternehmer in der Erdölförderung jahrelange Erfahrung vorweisen können. Im Moment werden in Brasilien sechs Großraffinerien gebaut, und dazu ein gutes Dutzend Werften und Großstahlwerke, die unter anderem den Stahl für die Pipelines liefern sollen. "Damit lassen sich auch unsere jüngsten Exportzuwächse erklären", erklärt Ingomar Lochschmidt, der seit drei Jahren die österreichische Wirtschaftskammer in Brasilien vertritt. "Und es wird weitergehen." Zum einen verfolge die brasilianische Regierung schon jetzt ehrgeizige Ziele im Bereich der Erneuerbaren Energien, zum anderen müsse in den nächsten Jahren die Infrastruktur dringend modernisiert werden. 2014 soll Brasilien Fußball-Weltmeister im eigenen Land werden, nur zwei Jahre später unterm Zuckerhut das olympische Feuer entzündet werden. Und da wäre es schon fein, würden die Sportfans ausreichend Hotelzimmer vorfinden, und rechtzeitig zu Beginn der Spiele auch im Stadion sitzen. "Jetzt wird kräftig investiert", berichtet der Wirtschaftsdelegierte aus Gmünd, der sich über das Interesse österreichischer Firmen an Brasilien nicht beklagen kann. Warum Brasilien ferner für Exporteure interessant ist: "Weil zuletzt acht Millionen Brasilianer den Aufstieg in die Mittelklasse geschafft haben."
Gewalt auf der Straße
Jeder in Sao Paolo kennt eine Besorgnis erregende Geschichte: Dem einen wurde eine Pistole gegen den Bauch gedrückt. Der andere konnte, nein, musste eine Schießerei aus nächster Nähe mitansehen. Nächtens sollte man die Straßen von Sao Paolo besser meiden. Sagen alle. Für jemanden, der neu in der Stadt ist, lässt sich schwer einschätzen, wie viel Vorsicht tatsächlich angebracht ist. Er kennt das Gefühl eines kalten Revolverlaufs in der Magengrube nicht. Er hat andererseits auf dieser Reise auch Menschen kennen gelernt, die sich unnötig den ganzen Tag zu Tode fürchten. Das Wenige, was er an dieser Stelle zur Sicherheitsfrage beitragen kann, liest sich so: Ein grimmiger Blick nach Einbruch der Dämmerung, und schon will sich der Amerikaner, den dieser Blick zufällig trifft, hurtig aus dem Staub machen. Der Gentleman fürchtet um Laptop und Leben. Sorry, Sir, war nicht böse gemeint!
Echt edel
Der erfahrene Goldschmied in der Rua Xavier de Toledo nickt. Anerkennend. Seit 32 Jahren schon setzt Joao Cambanellis die Ideen von der " Donna Selma" in die Tat um: Nach den Skizzen der Schmuck-Designerin fasst er edle Steine in 18 Karat Gold und in Sterling Silber. Abnehmer für die wohlfeilen Ringe, Ohrringe und Halsketten sind unter anderem die Wiener Werkstätten. Was die Donna sehr freut, denn sie ist gebürtige Wienerin. "Ich hab' auch noch eine Wohnung draußen in Rodaun." Mehr als die Hälfte ihres Lebens verbringt Selma Jakob in Sao Paolo, der Edelstein-Metropole Brasiliens. In den ersten Jahren mehr als schmückende Begleiterin eines erfolgreichen Geschäftsmanns, später dann, nach ihrer Scheidung, auch selbst als erfolgreiche Geschäftsfrau. Die Gründung ihrer kleinen Schmuck-Manufaktur geht auf das Jahr 1985 zurück. Heute arbeitet die Pendlerin zwischen zwei Kulturkreisen an einem europäischen und einem brasilianischen Zyklus. Herr Cambanellis, ein stets hilfsbereiter, in sich ruhender Goldschmied, erklärt, dass er gerne mit der mehr extrovertierten Künstlerin aus Wien zusammenarbeitet: "Die Arbeit mit ihr ist von Respekt getragen." Die Tochter des akademischen Malers und Bildhauers Fritz Jakob nickt zustimmend, fügt dann hinzu: "Unsere geschäftliche Beziehung ist längst in eine Freundschaft übergegangen." Donna Selma, Frau Jakob spricht am Ende des Tages von zwei Heimaten, die heute in ihr wohnen: "Die Heimat, in der ich geboren wurde, und die Heimat, die ich mir gewählt habe." Es ist nun aber gut möglich, dass sie in ihrer ersten Heimat bald wieder mehr Zeit verbringen wird. In Wien sein will sie jedenfalls wieder im Juni, wenn ihr und ihrer Arbeit zu Ehren eine Ausstellung eröffnet wird.
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.