Welt-Reise, Tag 37 - Hongkong
Überall Österreich
Die freischwebende Brücke zwischen den beiden Inseln Tsing und Ma, auf dem Weg vom Flughafen nach Hongkong, ist auch ein Symbol: für österreichisches Know-how. Sie wurde unter Anleitung von Ingenieuren der Firma Waagner-Biró errichtet. Die waren angeblich die Einzigen, die sich über das Projekt drüber getraut haben. Denn die Lateralwinde zwischen den Inseln können Taifunstärke 10 erreichen, und die Brücke muss - so die Vorgabe der Bauherren - auch an solchen Tagen ohne Einschränkung befahrbar bleiben. Das kleine Österreich ist in der Geld-Stadt Hongkong auffallend stark vertreten. Überall rot-weiß-rote Spots: Mit zig Liebherr-Kränen (zugegeben, Liebherr ist nicht rein österreichisch) wird derzeit der neue Bahnhof für den Hochgeschwindigkeitszug nach Schanghai errichtet; im riesigen Cargo-Hafen haben alle österreichischen Frächter ein Büro; Swarovski hält in der Zwischenzeit bei 15 Filialen in der Stadt; Red Bull hat sein Büro schnell von vier auf 140 Mitarbeiter aufgestockt, Jenbacher hat Anlagen für die Müllverbrennung geliefert; und so wie die Flughäfen in Peking und Schanghai ist auch der neue internationale Flughafen von Hongkong mit Sicherheitssystemen der Wiener Firma Frequentis ausgestattet. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. De facto sind alle österreichischen Firmen von Rang und Namen hier. Beim Generalkonsulat sind derzeit 650 Österreicher gemeldet. Sogar einen österreichischen Alpin-Club gibt es in Hongkong.
Faire Partner
Essiggurkerln, Gartenwerkzeug, Tiefkühlfisch, Bohrmaschinen, Ananas in der Dose, Thunfisch in der Dose, Beleuchtungskörper, Spielzeug, Textilien: Seine Leute kaufen alles, was in den Fabriken Südostasiens produziert wird und was der Baumax und auch der Billa so braucht. Christian Werle ist der General Manager der Euro Group, einer Art externen Einkaufsgemeinschaft für eine österreichische, eine deutsche, eine Schweizer und eine finnische Firma. Der 41-jährige Bludenzer kam vor zwölf Jahren nach Hongkong, damals noch als Einkäufer für den österreichischen Baumax. Und er hat in diesen zwölf Jahren auch einen ordentlichen Lernprozess mitverfolgt: Als er in die Stadt des schnellen Geldes kam, konnte man noch den Osteuropäern eine chinesische Flex um 5 € andrehen. Gleich vom Lastwagen runter. Gleich für den Müll bestimmt. Während sie sich beim Hofer in der Wiener Vorstadt um spottbillige Gartengeräte prügelten. "Diese Zeiten sind vorbei", weiß Werle. Zum einen produzieren die Chinesen zunehmend weniger Ramsch, zum anderen würde man nirgendwo mehr in Europa Ramsch kaufen. Heute sind für die Euro Group 120 Spürnasen in Ostasien unterwegs. Sie verhandeln nicht nur Preise und Stückzahlen, sie kontrollieren auch die Produktionsbedingungen in den Fabriken. "Das haben wir uns selbst auferlegt." Betont Werle. "Denn man kann langfristig nur vernünftig Geschäfte machen, wenn man faire Partnerschaften eingeht." Es ist in den vergangenen Jahren auch zu viel Unschönes nach Europa gedrungen: Ausbeuterische Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Umweltzerstörung, davon wollen Endverbraucher heute echt nichts mehr wissen. Was man drüben in Europa allerdings auch nicht wissen möchte: Wie hier die Preise ganz allgemein zustande kommen. Wird die Arbeitskraft in China teurer, wandern die Produzenten nach Bangladesch und Vietnam aus. Was man drüben in Europa aber schon wissen sollte: Dass Christian Werle, nur weil er in Hongkong arbeitet, nicht automatisch ein böser Manager ist. In seiner Freizeit engagiert er sich beim Bau von Schulen für benachteiligte Kinder in Ostasien. Ein Ehrenamt, das ihm persönlich, wie er betont, "sehr am Herzen liegt". Und zum Schluss noch ein Hoffnungsschimmer am Horizont der Globalisierung: Mal angenommen, nur ein paar mehr Chinesen können sich einen eigenen Garten leisten. Die Tendenz geht in diese Richtung. Dann werden die chinesischen Gartenscheren-Hersteller ihre Gartenscheren nicht mehr so gern den Europäern, sondern lieber ihren Landsleuten verkaufen. Und dann wird es sich irgendwann vielleicht wieder einmal rentieren, in Österreich Gartenscheren herzustellen.
Von hinten
Christian Schierer gibt Gas - und davon haben alle was. Zunächst die Mattighofener Motorradhersteller. Denn eine bessere Werbung als einen Wirtschaftsdelegierten, der auf seiner orangefarbenen KTM zu seinen Terminen durch Hongkong jagt, den die Autofahrer also immer nur von hinten sehen, kann man sich als Markenartikler gar nicht wünschen. Im Windschatten des dreifachen Familienvaters profitieren aber auch die Exporteure. In der österreichischen Community lobt man jedenfalls die engagierte Arbeit ihres Vertreters.
Von vorne
Und so sieht der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Hongkong von vorne aus. "Ich bin hier ein Grenzgänger", erklärt Christian Schierer auf den letzten Metern zu einem Termin (die auch er zu Fuß zurücklegt). "Auf der einen Seite habe ich die liberalste Marktwirtschaft der Welt, und wenn ich über die Grenze fahre, bin ich mitten in der chinesischen Planwirtschaft." Der Wiener betreut seit drei Jahren die Außenhandelsstelle in Hongkong. Er ist auch für die Provinzen Südchinas zuständig. "Chinas Powerhaus", wie er mit dem Verweis auf die hohe Industrie-Dichte betont. "Sechzig Prozent der Exporte kommen aus dem Süden." Hongkong sei für österreichische Firmen weiterhin das Tor nach China. Derzeit zählt man in der Außenhandelsstelle 153 österreichische Firmen-Niederlassungen. "Und jedes Jahr kommen zehn bis zwölf Neue hinzu." Rechtssicherheit, keine Zölle und niedrige Steuersätze, dazu noch immer viele Englischsprachige, das sind weiterhin die wichtigsten Argumente, warum die Österreicher gerne zunächst einmal Hongkong ins Auge fassen. Der Firmenbetreuer mahnt allerdings zur Vorsicht: "Hongkong wirkt auf den ersten Blick wie Disneyland, doch in Wahrheit ist das hier ein großes Haifischbecken." Die Stadt wird von zehn verdammt einflussreichen Familien regiert. "Ein falscher Schritt, und man ist für immer weg vom Fenster."
"Ein bisschen mehr Zeit"
Eintritt nur für Mitglieder! Der Kee Club hat sich ein exklusives Image aufgebaut, in China. Und das gilt es zu bewahren. Die heimelige Atmosphäre im geräumigsten und bequemsten Wohnzimmer der Stadt, die fein zubereiteten Speisen, die sündigen Drinks, die langen Damen-Beine in langen Samstagnächten, die internationalen DJs, das Schulter an Schulter mit dem Finanz- und Kreativadel - das alles ist sehr nett, steht aber nicht dem gemeinen Volk offen. Die Umsetzung schöner Ideen haben in der Metropole des Geldmacher ihren Preis. Das weiß auch Christian Rhomberg, der Club-Gründer und überhaupt Party-Pionier in Hongkong. Der Sohn aus der bekannten westösterreichischen Unternehmerfamilie kam bald nach seinem Wirtschaftsstudium, im Jahr 1980, nach Hongkong. "Mit Freunden gemeinsam habe ich damals ein Beisl aufgemacht", erinnert er sich. Ein Experiment. Denn die alte britische Kolonialstadt war zu jener Zeit beisltechnisch alles Andere als eine Offenbarung. Die Freunde gingen, der Innsbrucker Quereinsteiger in der Gastronomie blieb, um dann mit seinem "Club 97" durchzustarten und bis zur Geburt seiner Kinder die Trends in der Stadt vorzugeben. Nach der selbst gewählten Kinder-Pause gründete Rhomberg gemeinsam mit finanzkräftigen und einflussreichen Partnern den Kee-Club. Der Club ist heute derart erfolgreich, dass es auch einen edlen Ableger in Schanghai gibt. "Und dass die Anfragen aus Peking nicht abreißen wollen." Manchmal wird der Trendsetter Christian Rhomberg auch von den Markenartiklern eingeladen, um sich gemeinsam mit ihnen Gedanken über die Zukunft des Luxus zu machen. Und es soll in diesen Erörterungen auch schon vorgekommen sein, dass den Reichen auch nichts Besseres eingefallen ist als den Armen: "Ein bisschen mehr Zeit haben, das wäre Luxus."
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.