Welt-Reise, Tag 13 - Türkei
Eine Art Arlberg
Welch Ausblick! Welch Gegensätze! Vorgestern Afrika, gestern Ankara, heute Winter in Anatolien. Auf dem Erciyes. Dessen imposanter Gipfel wird mit 3917 m über dem Meeresspiegel angegeben. Er ist damit der zweithöchste Berg in der Türkei. Weniger als zwanzig Minuten dauert die Fahrt vom belebten Zentrum der Millionenstadt Kayseri, 400 Kilometer östlich von Ankara, hinauf zu seinen Skiliften. Freier Blick bis zum Taurus-Gebirge! Was das Panoramabild nicht ausdrücken kann, sind die faszinierenden Gegensätze: Unten in der Stadt kein Schnee, dafür der älteste erhaltene überdachte Basar der Türkei, das älteste Bad des Landes, eine Moschee aus dem 12. Jahrhundert und eine gut erhaltene Stadtmauer. Kayseri klingt nicht ganz zufällig nach Kaiser. In dieser Stadt residierte unter anderem auch der Kaiser der Seltschuken, sie wurde früh zu einem Handelszentrum auf der Seidenstraße ausgebaut. Oben am Berg dann: Viel Schnee, Skilifte aus Vorarlberg (Doppelmayr), topaktuelle Ski von Atomic und Head, modern eingekleidete Skifahrer, ein Masterplan für ein Mega-Skiressort, Kaiserwetter zum Skifahren!
Alle Ehre, Herr Konsul!
Der Erciyes im Herzen Anatoliens erinnert an den Arlberg. Sagt Mehmet Eglenceoglu, der österreichische Honorarkonsul in Kayseri und Inhaber von zwei Sportgeschäften, die er bewusst "Arlberg Sport" getauft hat. Sein Vater ist in jungen Jahren nach Lech am Arlberg ausgewandert, um als Ski-Schuhmacher beim Strolz zu arbeiten. Er selbst ist in Lech in die Schule gegangen. Und spricht und fährt auch so Ski, wie sie in Lech am Arlberg sprechen und Ski fahren. Seine Eltern sind in Lech geblieben. Er lebt hingegen die meiste Zeit in Kayseri. Weil er hier vor 22 Jahren eine große Idee hatte: "Als ich damals diesen Berg gesehen habe, die ungespurten Tiefschneehänge, das Panorama, da habe ich gewusst, dass ich hier her muss." Seit 22 Jahren bemüht sich Mehmet Eglenceoglu ein Ski-Ressort aus dem Bergboden zu stampfen. Anfangs mit wenig Erfolg. Doch der Arlberger kann stur sein, auch der Arlberger mit Migrationshintergrund. Er hat auf seine Landsleute in Österreich und in der Türkei so lange eingeredet, bis auch sie das Potenzial des Viertausenders erkannt haben. Derzeit entsteht oberhalb der Stadt Kayseri ein Skigebiet, das binnen fünf Jahren von fünf auf 21 Lifte anwachsen und von der Stadt mit sagenhaften 350 Millionen € finanziert werden soll. Und das von Mehmets österreichischen Freunden schon in der ersten Bauphase führend begleitet wird. Was weitere Großaufträge ins Haus schneien sollte. Wenn alles so kommt, wie er sich das vorstellt, hofft Eglenceoglu am Ende auch auf die Hilfe seines Bruders: "Der arbeitet noch als Koch oben am Arlberg. Ich habe ihn von meiner Idee bisher noch nicht restlos überzeugen können."
Kopftuch auf der Piste ...
... ist keine Seltenheit in der Türkei. Es sind speziell die Frauen, die in Anatolien auf den Wintersport abfahren. Weiß Mehmet Eglenceoglu. Und er weiß auch warum: "Skifahren ist eine von ganz wenigen Sportarten, die unsere Frauen ausüben können, ohne dass sie von den Männern schief angesehen werden." Auf die Power der Frauen setzt er auch bei seinen Marketing-Aktivitäten. So lernt er zum Beispiel regelmäßig den Frauen der Bürgermeister und Gouverneure das Skifahren. Dann, wenn die Herrschaften sich gegen seine Pläne sträuben. Seine Rechnung ging bisher meist auf: "Wenn einmal die Frauen Feuer und Flamme sind, dann haben die Männer nur mehr wenig entgegenzusetzen." Noch tasten sich seine Landsleute an den Schnee heran. Manchmal liegt irgendwo ein verlorener Stock auf der Trasse des Schlepplifts, dann wieder ein einsamer Handschuh auf der Piste. Auch Halbschuhe lassen sich vom gut präparierten Schnee nicht abhalten. In den vergangenen zehn Jahren hat der Konsul mehr als 10.000 Paar Ski in Kayseri verkauft. Kaum auszumalen, wenn alle 73 Millionen Türken zum Schwung ansetzen. Der Ski-Pionier steckt den Markt anders ab: "Zehn Prozent der Türken haben nicht reichlich, sondern sehr viel Geld. Dazu kommen reiche Russen und die Bewohner der anderen Nachbarstaaten."
Die Ü-Tüpfel-Reiter
Dem Rudl-Pferd taugt's jedenfalls oben am Berg. Bequem lässt es sich mit dem Schneetaxi auf den Berg hinauf kutschieren. Die Türken würden ünseren Lipizzaner wahrscheinlich Rüdl rufen. Sie sind wahre Ü-Tüpfel-Reiter. Türkei, Tünel, Kontrolü, süper! Die Türken sprechen die Sprache mit dem weltweit höchsten Ü-Verbrauch. Es gibt sogar gar nicht lange Wörter, bei denen muss man gleich auf vier Us jeweils zwei Punkte setzen. So eine Ü-Versammlung ist beispielsweise Müdürlügü. (Prangt auf vielen Ämtern, vor allem im zentralistischen Ankara, um unsereins die Zunge zu brechen und den Türken anzuzeigen, wo der Chef wohnt.) Es sind jedoch weniger die Punkte als die Grammatik, die Anfänger öfters der Verzweiflung nahe bringt. Dafür kommt man mit Türkisch nicht nur in Österreich gut durch. Eine ganze Reihe von Nachbarn östlich der Türkei sprechen eine ähnlich klingende Sprache.
Aprés-Ski: Mit Kebab und Mirinda
Es raucht vom Griller wie sonst nur auf der Wiener Donauinsel. Doch Vorsicht! Die Umstehenden tragen keine Badeschlapfen, sondern Skischuhe und verspiegelte Brillen. Der Koch eine weiße Mütze. Und die Kellner ein weißes Hemd mit Mascherl. In weißen Handschuhen reichen sie alkoholfreies Mirinda im Blech, anstelle eines scharfen Schnaps. Scharf ist dafür die Wurst von Kayseri, die hier dem Kebab eine ganz besondere Note verleiht. Scharf ist auch das Tempo, mit der die Stadtverwaltung von Kayseri ihr neues Sport-Ressort hochziehen will. Schon im nächsten Jahr soll hier ordentlich was los sein. Der Vollausbau sieht dann sogar 470 Hektar Piste vor, dazu endlos Langlaufloipen, moderne Hotels und mehrere Ballsport-Plätze fürs Höhentrainingslager im Sommer.
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