Die Macht der Bilder
Von Dietmar Kuss
Bilder geben uns keine Chance, irgendetwas rhetorisch zu verschönern.
über das Reden über Bilder
Die Macht der Bilder fesselt uns. Mindestens seit den Anschlägen von 9/11. Die einstürzenden Twin Towers haben uns neben der bestehenden Terrorgefahr auch eines gezeigt: Das Unfassbare kann fassbar gemacht werden. Es waren vor allem die Bilder der einsackenden Hochhäuser und fallenden Menschen, die diese Geschichte des Terrors erzählt haben. Die Technologie und Handhabbarkeit in Bereich der Fotografie und Bildbearbeitung bzw. die Tatsache, dass praktisch jeder ein Mobiltelefon mit Kamera besitzt, hat einen enormen Einfluss auf unsere „nachträgliche“ Sicht der Welt. Das betrifft natürlich am stärksten das Nachrichtengeschäft.
Fotografien aus dem Ersten Weltkrieg, die schemenhaft traumatisierte Soldaten in grau-weißer winterlicher Gebirgslandschaft zeigen, lassen das Grauen zwar erahnen, sind aber ob ihrer fotografischen Unschärfe eher Kunstwerk als Dokument. Unfassbar scharf und detailgenau hingegen die Bilder, die uns in letzter Zeit beschäftigen: Der tote Flüchtlingsjunge, der mit dem Gesicht nach unten am Strand liegt, die skrupellose Sprengung von historischen Denkmälern in Syrien. Oder gar ein Video einer brutalen Hinrichtung eines religiösen Feindes durch IS-Mitglieder. Hier stach vor allem die unglaubliche Qualität der Aufnahme ins Auge. Zudem war der Clip mehr als professionell geschnitten. Die in der Redaktion gestellte Frage „Ist das Video echt?“, zeigt die Unsicherheit, dass es so etwas bisher eigentlich nicht gegeben hat. Eine Tötungsszene in einem Film von Martin Scorsese ist auch „echt“. Getötet wurde aber niemand.
Es sind „Abbilder“ des Schreckens, die das Unfassbare fassbarer machen als es uns lieb ist. Und sie verweisen auf die Unsprachlichkeit: Bilder geben uns keine Chance, irgendetwas rhetorisch zu verschönern, sie entziehen sich unserer Reflexion. Die etwas unbeholfene Frage „Ist das echt?“ zeigt die Schwierigkeit, dass man über etwas, das nicht in Worte zu fassen ist, nicht reden kann.