ÖTV - Österreichs Tennis Verlierer
Von Harald Ottawa
Ronnie Leitgeb ist derzeit nicht wirklich zu beneiden. Als Manager ebenso wenig wie als Präsident der Österreichischen Tennis Verlierer, kurz ÖTV. Natürlich nur auf die Grand-Slam-Turniere bezogen, bei denen heuer noch kein Österreicher ein Einzelmatch in einem Hauptbewerb gewonnen hat. Nahe am Burn-Out, bezeichnet Leitgeb den Zustand seines Schützlings Jürgen Melzer. Freilich, ein Burn-Out ist eine sehr ernste Angelegenheit, damit sollte man sich eingehend beschäftigen. Aber auch mit der Wortwahl. Nicht jede mentale Schwäche und Müdigkeit ist ein Burn-Out. Und warum spielt Melzer dann in Paris, warum trat er am Donnerstag nach Leitgebs Diagnose sogar noch im Doppel an? Auch, wenn die ATP einen Teil seines Preisgeldes irrtümlich Bruder Gerald überwiesen hat, muss sich Melzer in puncto Geldtascherl keine Sorgen machen. Ohne Training kann man bei keinem Grand-Slam-Turnier antreten. Und ob sich Tamira Paszek mit ihrem neuen Trainer Andrej Pavel aus dem Sumpf zieht, bleibt abzuwarten. Schlimm ist der Sumpf, den man dem neuen Präsidenten beim ÖTV hinterlassen hat. Die Südstadt ist baufällig, die Spieler genauso letztklassig wie das Gebäude nahe Wiens. Die (Mageninhalts)-Flecken, die Thomas Muster nach Überanstrengungen in der 1980er-Jahren hinterlassen hat, sind heute noch sichtbar. Und die weißen Flecken in der Teilnehmerliste der French Open bei den Junioren (kein österreichischer Teilnehmer) stimmen nachdenklich. Leitgeb will ein neues Trainingszentrum gründen, will Daviscup- und Fed-Cupbewerbe für die Junioren einführen und mehr Future-Turniere in Österreich. Abwarten. Vor allem – Leitgeb will sich mit Österreichs größtem Talent aussöhnen. In Paris gab es ein gutes Gespräch mit Günter Bresnik, dem Coach von Dominic Thiem, der jahrelang vom Verband links liegen gelassen wurde. Erst aufgrund einer Initiative von KURIER und Tennisnet im Jahr 2010 gab es eine kleine Annäherung, die aber nicht das Geld brachte, das Thiem zustand. Wolfgang Thiem musste Überstunden erledigen, um sich die Karriere seines Sohnes leisten zu können. Langsam trägt das Engagement Früchte: Vor wenigen Wochen gewann der 18-Jährige übrigens in Tschechien sein erstes Profiturnier, herzliche Gratulation noch einmal auf diesem Weg. Aber ein Match bei einem Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, wäre schon nicht schlecht. Good bye, bis Wimbledon.
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