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Kampf ums Leiberl: Zwischen Öko-Style und Mindestlohn

Raus aus dem Konsum-Geiz-ist-Geil-Sale-Sonderangebot-Jetzt!-Spiel

Mag. Stefan Hofer
über Öko-Style und Mindestlohn

Frage: Ist denn "Green Fashion" mehr als Lifestyle-Trend und Marketing-Gag? Und was hilft es den unterbezahlten Näherinnen in Bangladesch, wenn man - so wie Sie es ein Jahr getan haben - gar keine Kleidung mehr kauft, Frau Kaller?"

Nunu Kaller: Ja, Green Fashion befindet sich immer noch in einer Nische, es wird einem nicht permanent ins Gesicht gerieben wie konventionelle Mode (die Geschäfte, die Werbung, überall). Aber es gibt sie, und sie wird immer größer. Als ich mit dem Kaufnix-Projekt begann, lernte ich neue Perspektiven kennen. Inzwischen bin ich überzeugt, dass immer mehr Menschen das Bedürfnis haben, wieder zu wissen, wo ihre Kleidung herkommt. Und die Alternativen sind wunderbar. Tragbare Biofaire Mode ist nicht zwangsweise teurer als konventionelle, biofair produzierte T-Shirts fangen bei 10 Euro an. Natürlich ist biofaire Konfektion, also Jacken, Kleider usw. etwas teurer (weil geringere Stückzahlen und faire Produktion), aber: Die Qualität ist fast immer höher als bei konventioneller Produktion, und: Man kann nicht schimpfen, dass man faire Produktion will, aber nicht bereit sein, dafür nicht auch selbst mehr bezahlen wollen.

Ach ja: Gar keine Kleidung kaufen ist sicherlich keine gute Idee für ein Massenphänomen – was es aber auch nie werden wird. Meine Intention war meine persönlicher Knall, ich nutzte Shopping als Ersatzdroge, um mein geschundenes Seelenleben mit regelmäßigen Endorphin-Kicks zu stabilisieren.

Während meiner Auszeit beschäftigte ich mich mit der Frage: Wo kommen meine Sachen eigentlich her? Mehr als Preis und Optik kenne ich ja nicht von ihnen. Die Produktionsweisen lagen für mich im Dunklen. Und sehr schnell stellte ich fest: Nein, ich will das nicht unterstützen.

Hilft ungemein, sich aus Konsum-Geiz-ist-Geil-Sale-Sonderangebot-Jetzt!-Spiel rauszunehmen.


Aber andererseits: Auch mir ist bereits eine Gewerkschafterin aus Bangladesch gegenüber gesessen und hat mir erklärt, ich solle nicht aufhören einzukaufen, denn nur so haben die Frauen dort wenigsten die Chance auf einen Job – und sind nicht je nach Lebensverlauf auf Heirat oder Prostitution angewiesen. Ich plädiere auch absolut nicht für einen kompletten Konsumverzicht. Das Jahr Auszeit habe ich persönlich gebraucht, um meine Perspektiven und Gedanken diesbezüglich neu ordnen zu können. Seit fast einen Jahr bin ich nun so etwas wie eine kritische Konsumentin. Ich denke viel mehr darüber nach, WIE ich kaufen möchte, und selektiere viel genauer, WAS ich eigentlich haben will. Die permanenten Verführungen sind immer noch da, sei es in einer Auslage auf der Mariahilfer Straße oder in einem coolen, riesigen Webshop. Aber ich habe gelernt, bewusster mit diesen Versuchungen umzugehen – und genau dazu hat es dieses Jahr der Auszeit gebraucht.

Im Endeffekt, durchdekliniert ist jede unserer Konsumhandlungen gleichzeitig eine politische Handlung. Mit jeder dieser Handlungen treffen wir eine Entscheidung. Und es hilft ungemein, sich ein bisschen aus dem Konsum-Geiz-ist-Geil-Sale-Sonderangebot-Jetzt!-Spiel etwas rauszunehmen.

Nunu Kaller studierte an der Universität Wien und arbeitet für Global 2000. Sie startete Anfang 2012 einen Selbstversuch und kaufte ein Jahr lang keine Kleidung. Laut Eigendefinition wandelte sie sich in dieser Zeit vom "Shopaholic zur kritischen Konsumentin", wie Kaller auf ihrem Blog "Ich kauf nix" schreibt. Der Autor traf Kaller schon im Vorjahr zu einem Interview.

Termine Ihr Buch "Ich kauf nix!: Wie ich durch Shopping-Diät glücklich wurde" erscheint am 27. November 2013. Ein Tipp für Interessierte: Vom 15.-17. November 2013 findet in Wien der Feschmarkt statt.

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Bangladesch ist - nach China - das weltweit zweitgrößte Exportland für Textilien. Die Textilindustrie ist die wichtigste Branche des asiatischen Landes, die rund 4500 Fabriken im Land produzieren rund 80 Prozent aller Exporte des Landes. Deren Wert beläuft sich auf rund 20 Milliarden Euro jährlich.

Weit mehr als drei Millionen Menschen arbeiten in den Fabriken, in erster Linie Frauen. Die Textilarbeiter in Bangladesch gehören zu den am niedrigsten bezahlten der Welt. Sie verdienen oft nicht mehr als umgerechnet 28 Euro im Monat. Der derzeit geltende Mindestlohn reicht nach Gewerkschaftsangaben nicht aus, um in Würde zu leben. Dazu kommen die schlechten Arbeitsbedingungen.

Im April war das Rana Plaza, ein achtstöckiges Fabrik- und Geschäftsgebäude im Industriegebiet Savar vor den Toren der Hauptstadt Dhaka, eingestürzt. Mehr als 1130 Menschen wurden getötet, fast 2500 weitere verletzt. In dem Gebäude hatten auch zahlreiche internationale Konzerne Kleidung fertigen lassen.

Die "Clean Clothes Kampagne" erneuerte daraufhin ihre Kritik an den Produktionsbedingungen von Textilien für internationale Konzerne in Bangladesch. Bereits kurz nach dem verheerendsten Industrieunglück des Landes hatten mehr als eine Millionen Menschen weltweit eine Petition unterzeichnet, die Markenunternehmen auffordert, das verbindliche bangladeschische Brandschutz- und Gebäudesicherheitsabkommen zu unterzeichnen.

Auch bei Bränden in Textilfabriken starben in den vergangenen Monaten hunderte Arbeiter. Häufige Ursachen waren unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und Baumängel.

Die Textilarbeiter selbst fordern mehr Sicherheit und mehr Lohn. Zuletzt, Ende Oktober, haben sie eine Erhöhung des Mindestlohns um 50 Prozent auf umgerechnet 42 Euro abgelehnt. Sie fordern 75 Euro im Monat.

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