90 Prozent ist Schrott, sprach der Autor
Von Simone Hoepke
Laut dem Autor Sturgeon kann man die meisten Bücher getrost kübeln.
über die Schrott-Formel
Neulich, vor 15 Jahren, saß ich während einer Zugfahrt von Wien nach Tirol einem Herrn mit grauem Haar und wachen Augen gegenüber. Irgendwo hinter Linz hat er erzählt, dass er Autor ist und am Abend in einer Salzburger Buchhandlung aus seinem Werk liest. Nachsatz mit müdem Lächeln: "Vermutlich vor zwei Zuhörern." Seine Bücher seien so langsam, dass ihn ein Verleger einst nach 40 Seiten gefragt habe, ob da überhaupt noch was passiert.
Mir hat er leid getan. Vor allem, weil er erzählt hat, dass er einst Betriebsanleitungen – für Videorekorder oder so etwas – geschrieben hat. Noch fader als Technik sind nur Betriebsanleitungen für Technik, das muss man wirklich sagen.
Heißt man nicht zufällig Dan Brown oder Stephen King, kann Schreiben ein echt hartes Brot sein.
Ich wollte ihn auf einen Kaffee einladen, das hat er aber nicht angenommen. Beim Aussteigen hat er mir noch ein GEO-Heftl geschenkt, mit dem Verweis, dass er den Artikel im Österreich-Teil geschrieben hat. Da stand auch sein Name: Alfred Komarek.
Der Komarek, dessen Polt-Bücher mit Erwin Steinhauer in der Hauptrolle verfilmt, in mehrere Sprachen übersetzt und zigfach ausgezeichnet wurden. Das hätte er erwähnen können. Und mir den Polt-Roman signieren, den ich im Rucksack hatte.
So gesehen kann ich mir die Frankfurter Buchmesse nächstes Wochenende gleich sparen. Von den 1000 Autoren, die sich angesagt haben, würde ich kaum wen erkennen. Im Gegensatz zu Schauspielern schauen die wenigsten Autoren aus wie Stars. Michel Houellebecq pfeift offenbar auf jede Art von Frisur, Dan Brown schaut aus wie ein Buchhalter und Horror-Autor Stephen King wie ein Langeweiler. Da ist wenig Glitzer, trotzdem verkaufen sich Bücher. Manche zumindest. Von den 90.000 neuen Titeln, die jedes Jahr in den Markt drängen, sind 90 Prozent Schrott. Das sag’ nicht ich, das sagt Sturgeons Gesetz.
Ich finde die Formel, die der Science-Fiction-Autor Theo Sturgeon aufgestellt hat, super. Früher hab ich mich durch Bücher gequält, weil ich auf eine Pointe gewartet habe, die nie kam. Oder dachte, dass der Autor fürchterlich gescheit ist, ich ihm aber nicht folgen kann. Heut weiß ich: Sturgeons Gesetz! Es gilt übrigens für alles, was publiziert wird: Filme, eMails, Wahlprogramme ...