Obertauern: Carven unterm Sternenhimmel
Von Christian Böhmer
Ein offenes Wort Nachtskifahren ist nicht jedermanns Sache.
Schwer zu sagen, was die größere Herausforderung ist. Ist es der arktisch anmutende Abendwind, der Zirben und Latschen im matten Scheinwerferlicht tanzen lässt?
Oder sind es die ungewohnten Schlagschatten, die es zu meistern gilt, wenn man beim Carven an den Rand der Lichtkegel kommt, und wo die Schneehügel nicht zu sehen, sondern oft nur noch zu spüren sind?
Sie haben richtig gelesen: Es geht um Scheinwerfer und um Lichtkegel – und trotzdem auch um das Skifahren. Denn die Übung, die man in Obertauern jeden Montag und Donnerstag unternehmen darf, heißt Nachtskifahren. Und sie ist nicht nur im Preis der Liftkarte inkludiert, sondern eine willkommene Abwechslung für all jene, denen es nie genug Pistenkilometer sein können.
Wer seine Abende im Winterurlaub ausschließlich in der Zirbensauna oder vorzugsweise bei Absackern in einer Après-Ski-Bar verbringt, der wird nur bedingt verstehen, worin der Reiz liegt, bei tendenziell tieferen Temperaturen und fordernder Sicht einen in Kunstlicht getauchten Hang hinunterzucarven.
Und daran ändert wohl auch der Umstand wenig, dass man sich bei den Fahrten am Sessellift irgendwann daran gewöhnt, dass die Kälte an den Backen kratzt. Doch wer sportlich etwas auf sich hält und wem der Sinn nach einer fahrerischen Abwechslung steht, der sollte bei einem längeren Aufenthalt in Obertauern zumindest einen Abend „riskieren“, um mit dem Skitaxi hinüber zur Edelweißbahn zu fahren. Denn: Es lohnt sich durchaus.
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Pistenspaß auf 1.740 Höhenmetern
Kurz aber doch müssen die generellen Vorzüge der Ski- und Winter-Destination Obertauern erwähnt werden. Der augenscheinlichste: Schnee und wie viel es davon gibt, ist hier kaum ein Thema.
Auf 1.740 Höhenmetern gelegen, gelten Obertauern und die darüber liegenden Hänge als eines der schneereichsten Skigebiete im Land. Mit Recht wirbt man damit, dass der Winter skandinavischen Charakter annimmt, sprich: Er dauert ein halbes Jahr. Wind- und Wetter tragen von Nord wie Süd reichlich Schnee in den Talkessel. Und der Schnee reicht so lange, dass man die Saisonkarte nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich bis 1. Mai ausnutzen kann.
Wenn man von den Vorzügen dieses Ski-Dorados spricht, muss man wohl auch die beiden Tauernrunden erwähnen: In Obertauern sind Liftanlagen und Pisten nämlich so angelegt, dass man den gesamten Talkessel sowohl im (die rote Runde) als auch gegen den Uhrzeigersinn (die grüne Runde) durchfahren kann. Familien mit Pflichtschulkindern können ohne großen Aufwand an den Ausgangspunkt ihrer Tour zurückkommen, ohne einen Hang doppelt zu fahren.
Ein weiteres Highlight ist das Gelände abseits der Pisten, die sich um sechsundzwanzig Seilbahn- und Liftanlagen gruppieren. Obertauern, oder genauer: die Mitarbeiter der sieben Ski- und Snowboardschulen kennen die besten Freerides und Tiefschneeabfahrten. Die Hochalmbahn oder die Kringsalm sind nur zwei der Dutzenden Möglichkeiten.
Und dann gibt es noch ein reizvolles Zwischending zwischen Pistenfahrt und freiem Gelände: die „Gamsleiten 2“.
Diese Piste gehört mit einem Gefälle von bis zu hundert Prozent nicht nur zu den steilsten in ganz Europa. Die tiefschwarze Abfahrt wird zudem nur unregelmäßig präpariert. Und das stellt selbst geübte Sportler vor die eine oder andere Herausforderung – und ermöglicht bei frischem Schneefall Powder Runs, wie man sie im freien Gelände kennt.
Hart und griffig
Wieder zurück zur Nacht und dem Skifahren unter dem Sternenhimmel: Der knapp eineinhalb Kilometer lange Hang, der dafür beleuchtet wird, ist in ein ungewöhnliches Gelb getaucht. Und es ist selbst für Ski-Laien spürbar, was die hochalpine Kälte anstellt, wenn sie sich nachts in den Talkessel senkt: Das Schneeband wird wieder hart und griffig.
Im Unterschied zu den prachtvollen Sonnentagen, an denen vor allem Frühaufsteher mit einer frisch präparierten Unterlage und wenig Verkehr an den Liften belohnt werden, folgt der Abend des Nachtskifahrens einem eigenen, durchaus reizvollen Rhythmus: Bergfahrt, Talfahrt – und schnell durch das Drehkreuz. Dann wieder: Bergfahrt, Talfahrt – und schnell durch das Drehkreuz.
Irgendwann kurz vor zehn Uhr abends, also wenn sich die Mehrzahl der Winterurlauber längst ins Bett fläzt, reicht es auch den größten Enthusiasten. Außerdem geht es in ein paar Stunden schon wieder weiter. Dann mit Tageslicht, mit etwas Glück auch im Sonnenschein – und jedenfalls mit jeder Menge Schnee.