Lust auf oesterreich

Eine Wander-, Langlauf- und Schneetour nach Mariazell

Mit dem Motorrad ist Ronald Langthaler früher einmal entlang der Mariazellerbahn durch das „Tal der Dirndln“ (Kornelkirsche) an der Pielach unterwegs gewesen. „Es waren schöne Eindrücke, aber dass da querfeldein eine Wander- und Pilgerroute existiert, war mir nicht bewusst“ erzählt der Sportlehrer, unser Ex-Kollege und jetzt 66-jährige Pensionist. Sagt es, schnürt sich seine Wanderschuhe, kontrolliert seinen Rucksack und geht in Schwarzenbach an der Pielach los – mit dem Ziel, in zwei Tagesmärschen auf dem Pielachtaler Mariazellerweg den berühmten Wallfahrtsort zu erreichen.

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Zwar entfällt aufgrund der aktuellen Situation die Übernachtungsmöglichkeit in und um Annaberg, aber die Tour liegt, aus dem Industrieviertel kommend, fast vor der Haustür, und ist mit zeitigem Aufstehen und neuerlicher Anfahrt am Tag zwei für die zweite Etappe locker machbar. Und sie kann bei genügend Schnee sehr attraktiv als kombinierte Wander-, Langlauf- und Schneeschuhtour gestaltet werden – weit abseits vom Wintersporttrubel.

„Das hätte ich mir vor drei Jahren nie träumen lassen, im Winter zum Jahreswechsel durch die Voralpen zu stapfen“, sagt der rüstige Mittsechziger lächelnd. Zwei Hüftoperationen mit langwierigen Folgen und dann ein Sturz mit dem Motorrad schienen selbst den sonst so optimistischen Ronnie aus der Bahn zu werfen. „Ich bin mit Tempo zwanzig um die Kurve gefahren, weggerutscht, hingefallen – und hatte einen gebrochenen Knöchel, einen Schlüsselbeinbruch, angeknackste Rippen, Prellungen und einen Pneumothorax“, schildert er. Und das als Einstieg in die Pension.

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„Die Aufbauarbeit war zäh. Zwar haben Physio, Reha und Yoga viel geholfen, doch danach war’s noch ein mühsamer Weg zurück zur körperlichen Fitness. Aber ich bin Optimist und hab’ es gleich angepackt.“ Mit Radlfahren am nahen Neusiedler See und Walkingtouren ins Leithagebirge. Ein Ausflug dorthin war auch sein Schlüsselerlebnis. „Früher war ich immer zufrieden, die Berge an mir vorbeiziehen zu sehen, aber jetzt möchte ich rauf und vom Gipfel runterschauen, die Natur spüren und vor allem langsam unterwegs sein“, sagt er fast philosophisch. Gesagt, getan. Die ersten Touren auf die Wiener Hausberge folgten, dem Gemüt tat es gut – der Kondition sowieso. „Und die Einladung, mit euch zwei und eurer Border Collie-Lady diese Tour zu unternehmen, konnte ich nicht ausschlagen.“

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Die Wanderzeit zum romantisch gelegenen Seisenbachhäusl mit Wasserquelle und zur noch einsamer gelegenen Hölzernen Kirche war während seiner Erzählung wie im Flug vergangen. Schon 1704 war hier im schattigen Graben eine legendenbehaftete Kapelle gebaut worden und um 1900 für lokale Wallfahrer zu einer Holzkirche umgebaut worden. „Ein idyllisches Platzerl – ideal für unsere Teepause“, sagt meine Frau Sabine. Die Kälte zwingt bald zum Weitergehen, mittlerweile stapfen wir durch knöchelhohen Schnee. Und auf der Lichtung vor dem Weißen Kreuz blitzt bei tiefblauem Himmel die Sonne entgegen. Schöner geht’s nimmer.

Sockensandwich

Wenn da nicht die Schuhe von Ronnie wären, bei denen die Imprägnierung an den Nähten „aufgegeben hat“. „Die Socken sind schon a bissl feucht.“ Ronnie schaut ratlos. Sabine improvisiert: „Nimm deine Ersatzsocken raus, zieh’ sie an, gib ein Plastiksackerl drüber, dann die nächsten Socken drüber und rein in die Schuhe. Der Sockensandwich hilft.“

Eigentlich liegt hier schon genug Schnee und wir können auf Langlaufski und Schneeschuhe umsteigen. „Damit wird’s einfacher für mich“, sagt Ronnie und lacht wieder. Also raus mit den Langlaufschuhen aus dem Rucksack – und fünf Minuten später laufen wir mit Langlaufski und Schneeschuhen bergan. Der Aufstieg auf den über 1.300 Meter hohen Hennesteck, Haus- und Skiberg von Annaberg, lockt. Der kleine Umweg bergauf lohnt sich, der Panoramablick beim Gipfelkreuz auf Ötscher und Co. ist genial. Dann geht es bergab, vorbei an den Annaberger Skiliften und Hütten. „Jetzt wäre es fein, statt meiner Brote und Gemüsesnackcombo in eine Hütte einzukehren“, sinniert Ronnie. Bei der Ankunft an unserem Etappenziel direkt vor der Kirche träumt Ronnie weiter: „Ich würde Mostviertler Glühmost und Mostkekse bestellen – oder gleich ein gschmackiges Mostbratl mit den berühmten Kräutern der Region.“ Wo normalerweise ein chilliger Nachmittag im Annaberger Quartier wartet, heißt es rein ins Auto und zurück nach Hause, Restart am Morgen.

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Etappe zwei wartet. Ab Annaberg gibt es mehrere Varianten nach Mariazell: vor allem die kulturhistorisch interessante Strecke entlang der Straße über die heiligen Berge Josefsberg und Joachimsberg – oder unsere gewählte Tour über Fadental, Hubertussee und Walster. Das Wetter hat umgeschlagen, aus Sonnenschein wurde Nebel und Schneefall. Macht aber nichts, denn die Strecke von Annaberg über die Ortschaft Schmelz, wo früher Erz und Silber abgebaut wurde, und den Sabel ins Fadental ist bei jedem Wetter ein landschaftlicher Hochgenuss. Noch dazu, wo Frau Holle für so viel Pulverschnee gesorgt hat, dass wir auf Langlauflatten durchs weiße Winterwunderland gleiten dürfen – im unverspurten, noch nicht präparierten Gelände. Das Fadental ist ein guter Loipentipp. „Ein tolles Backcountry-Feeling! Gestern zu Fuß und mit Schneeschuhen, heut’ mit Langlaufski“, freut sich Ronnie.

Schweinehund und Wuchtlwirtin

Der Kerl hat nach den Unfällen wieder brav Kondition aufgebaut, keine Spur von Muskelkater und Müdigkeit. „Ganz ehrlich, auch als erfahrener Sportlehrer war es durch die Unfälle und den Pensionsbeginn nicht einfach, den inneren Schweinehund der Gemächlichkeit zu besiegen. Aber das positive Denken und der Wille, die Motivation zum Tun und der Blick nach vorne waren meine Lösung“, ist er überzeugt. Und von der Szenerie am zugefrorenen Hubertussee ist er begeistert, Jausenstopp inklusive. „Schade, dass die Wuchtlwirtin vom Hubertussee nicht offen hat, Wuchtln mit Vanillesauce würden wir jetzt gut vertragen.“ Aber jammern hilft nicht, wir nehmen die Kalorienkillertour über die Bürgeralpe nach Mariazell in Angriff. Nach der Rast an der Bruder-Klaus-Kirche führt der Weg vorbei am Morzin-Denkmal über den 1.011 Meter hoch gelegenen Habertheuer Sattel – und weiter auf die Bürgeralpe zur Erzherzog Johann-Aussichtswarte auf der Bürgeralpe – fünf Sterne Alpenpanorama garantiert.

Fast besinnlich marschiert Ronnie die letzten Kilometer bergab zur Mariazeller Kirche. „Es tut gut, wieder gesund zu sein, Energie zu haben und vielleicht an neue Projekte zu denken.“ Schließlich, vor der Basilika, sagt er: „Wie wär es mit einer gemeinsamen Tour auf dem burgenländischen Mariazeller Weg – direkt von Zuhause weg?“ Bleibt nur zu sagen: Weiter so, Ronnie !

3 Tipps: Vielfalt pur

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Klimafreundliche Anreise
 Von Wien in knapp 30 Min. nach St. Pölten mit oebb.at, weiter mit mariazellerbahn.at
 
Reisezeit und Route
Ganzjährig begehbar, Start ab St. Pölten möglich (90 km), in vier Tagesetappen nach Mariazell

Pilgerpfade
viasacra.at, pielachtal.info, mariazellerwege.at
                    
Langlauf
Das Fadental bietet bei guter Schneelage hervorragende Loipen. In der Vorsaison ist es ein abenteuerliches Stapfen durch den Schnee. annaberg.info, mariazell.at schischule-annaberg.at, nordischeszentrum.at
 
Unterkunft
JUFA Hotel Annaberg, annaberg@jufa.eu
 
Eintritte
NÖ-Card, Jahreskarte mit freiem Eintritt für über 300 Sehenswürdigkeiten in und um NÖ für 63 € Jahresgebühr: niederoesterreich-card.at
 
Literatur
„Pilgerwege“, kral-verlag.at

Auskunft
mostviertel.at, pielachtal.info,  schwarzenbach-pielach.at, annaberg.info