Die Brennnessel und ihr ungewöhnlich vielfältiges Anwendungsspektrum
von Claudia Nichterl
Historisches rund um die Brennnessel
Die Brennnessel (Urtica dioica) wurde durch die Jury des NHV Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres 2022 gekürt.
Bekannt war die Nessel mit ihrer Heilkraft bereits bei den griechischen und römischen Ärzten. Von Dioskurides (1.Jh. n.Ch.) wissen wir von der menstruationsfördernden, wind-, harntreibenden und gar potenzstärkenden Wirkung. Letzteres führte zu einem Verzehrverbot der Früchte in mittelalterlichen Klöstern. Auch „Liebestränke“ wurden aus den Brennnesselsamen hergestellt, denn die Brennnessel galt als das Sinnbild hoffnungsloser Liebe.
Hildegard von Bingen (1098 –1179) setzte die Heilpflanze bei Vergesslichkeit ein und riet den gepressten Krautsaft mit Olivenöl zu vermischen: „Und wenn er schlafen geht, soll er seine Brust und seine Schläfen damit einreiben und soll das oft tun, und die Vergesslichkeit wird bei ihm nachlassen.“
Auch Parcalsus schrieb vor etwa 500 Jahren: „Wenn man sie kocht und mit Pfeffer oder Ingwer mischt und auflegt, hilft dies bei Gelenkschmerzen“.
Aus Asien ist die Legende des Yogi Milarepa (1053– 1135) überliefert: Jahrelang am Berg Kailash im Himalaja lebend, hat sich dieser bedeutsame Yogi Tibets über mehrere Monate ausschließlich von den dort wuchernden Brennnesseln ernährt. Noch heute ist die Brennnessel für die Pilger vor Ort eine „heilige Pflanze“.
Die Brennnessel als Nährstofflieferant
Die Brennnessel ist fast überall auf der Welt verbreitet, außer in den Tropen. Die in Mitteleuropa bekanntesten Brennnessel-Arten sind die große Brennnessel (lat. Urtica dioica) und die kleine Brennnessel (lat. Urtica urens), wobei die kleine Brennnessel wesentlich intensiveres Brennen verursacht.
Brennnesseln haben einen hohen Gehalt an Mineralstoffen und enthalten Betacarotin, Vitamin C, Calcium, Kalium, Magnesium und Eisen.
In den Nesselhaaren befindet sich eine Flüssigkeit, bestehend aus Histamin, Acetylcholin und Serotonin, mit deren Hilfe sich Pflanzen gegen zu viel Zudringlichkeit wehren.
Wer sich von den Brennhaaren nicht abschrecken lässt, kann die Pflanze vielseitig nutzen. Zur Ernte von Brennnesseln am besten mit Handschuhen arbeiten und die Beine schützen! Alle Pflanzenteile der Brennnessel haben eine heilkräftige Wirkung – ob Blätter, Stängel, Blüten oder Wurzeln.
Tipp Achtsames Ernten: Blatt für Blatt, das schützt ebenso vor Hautreizungen - nie die ganze Pflanze einfach ausreißen oder abbrechen.
In den Monaten März bis Juni sammelt man vor der Blüte die jungen Sprossen und Blätter. Die Samen im Sommer und die Wurzeln werden im Herbst geerntet. Brennnesseln können sowohl frisch als auch getrocknet verwendet werden.
Für den Hausgebrauch ist es zu empfehlen, die Brennnessel in einer Gartenecke oder entlang des Gartenzauns anzupflanzen. Nicht jeder hat einen Garten, aber vielleicht gibt es ja einen Balkon? Die Brennnessel lässt sich nämlich auch gut in einem Pflanzenkasten ziehen. Durch häufiges Abschneiden bekommt man bis in den Spätherbst hinein wertvolles Kraut für Tees und Küche.
Therapeutisch genutzt werden die Brennnesselblätter, das Kraut, die Wurzel und die Früchte der weiblichen Pflanze. Anwendung finden sie als Tee, Extrakt oder Tinktur.
Das Brennnesselkraut kann mit folgenden Inhaltsstoffen punkten: Ungesättigte Fettsäuren, Flavonoide, Kaffeoyläpfelsäure, Kalium, Kalzium, Magnesium, Eisen, Kieselsäure und Chlorophylle. Extrakte aus dem Kraut zeigen eine entzündungshemmende, immunmodulierende Wirkung.
Die heilende Wirkung der Brennnessel
In der Pflanzenheilkunde empfiehlt man Brennnesselsaft, vermischt mit Honig um asthmatische Beschwerden zu lindern.
Brennnesselblätter regen den Körperstoffwechsels an; sie sind Bestandteil vieler Teemischungen, besonders gegen Rheuma und Gicht. Sie hilft auch bei Leberbeschwerden, Magen- und Darmbeschwerden und bei Frühjahrs- und Herbstkuren. Bei Frühjahrsmüdigkeit ist nach dem Aufstehen ein kleines Glas frisch gepresster Saft aus jungen Brennnesselpflanzen zu empfehlen.
Gemischt mit verschiedenen Frühjahrsgemüsen und frischen Kräutern sind junge Brennnesseln wegen ihres hohen Gehaltes an Vitamin C eine hochwertige Zutat. Die jungen Blätter werden wie Spinat zubereitet und sie sind wegen des geringen Säuregehaltes auch für Rheuma-, Gicht- und Arthritiskranke gut verträglich.
Auch für die äußerliche Anwendung ist die Brennnessel gut geeignet. Einerseits ist das Schlagen mit frischen Brennnesselzweigen auf rheumatische Glieder noch immer gebräuchlich. Oder eine kalte Kompresse aus einem leichten Aufguss ganzer junger Pflanzen (3 Fingerspitzen mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen) ist als Pflege für empfindliche und trockene Haut gut geeignet. Dieser Aufguss, als Lotion verwendet, reinigt die Haut und bekämpft Akne und Ekzeme mit Erfolg.
Brennnessel hilft auch bei Erschöpfungszuständen, wirkt blutbildend, fördert die Ausscheidung über die Niere und ist hilfreich bei Stoffwechselerkrankungen.
Der hohe Mineralstoffgehalt bewirkt eine erhöhte Harnsäureausscheidung, fördert die Entschlackung und eine Blutreinigung des Körpers.
Aus Sicht der TCM gehört die Brennnessel zu den Blut-Tonika und gilt als Alleskönner. Sie dient der Blutreinigung und Stärkung und wirkt ausleitend, entgiftend und adstringierend.
Anwendungsmöglichkeiten der Brennnessel
Eine große Handvoll klein geschnittener Brennnesselblätter in eine Kanne geben und mit kochendem Wasser aufgießen, zehn Minuten ziehen lassen - fertig ist der Brennnesseltee.
Eine große Handvoll klein geschnittener Brennnessel in ein Glasgefäß geben, mit ca. 300 ml klarem Schnaps aufgießen (Obstler oder Korn) und mit einem Deckel verschließen. Die Tinktur 6-8 Wochen in der Sonne stehenlassen und ab und zu schütteln. Abseihen, in einen Zerstäuber geben und nach der Kopfwäsche auf das Haar sprühen und gut einmassieren.
Auch dem Gedächtnis soll die Brennnessel auf die Sprünge helfen. Eine Handvoll frischer Brennnessel im Mörser zerquetschen, so dass der Saft austritt. 300 ml Olivenöl darüber gießen und diese Mischung 1 Tag in die Sonne stellen. Dann die Mischung abseihen und abfüllen. Täglich vor dem Schlafengehen mit 5 Tropfen das Brustbein und mit je 5 Tropfen beide Schläfen einreiben.
(Zutaten für 4 Portionen)
2 EL Olivenöl, 2 Karotten
2 mittelgroße Zwiebeln, fein gehackt
Pfeffer, 2 Tassen Rundkornreis
4 Tassen Wasser oder Gemüsebrühe, Salz
4 EL Parmesankäse, gerieben
Saft von ½ Zitrone
½ Tasse Weißwein
1 große Handvoll Brennnessel, gewaschen, fein geschnitten
Karotten waschen und in feine Scheiben schneiden. In einem heißen Topf Olivenöl erhitzen, Karottenscheiben zugeben und kurz anrösten. Zwiebel und Reis ebenso darin anrösten und mit heißem Wasser oder Gemüsebrühe aufgießen. Mit Pfeffer und Salz abschmecken, ständig umrühren und kleine Mengen Flüssigkeit nachgießen. Nach ca. 10 Minuten den Weißwein und Zitronensaft zugeben auf kleine Flamme zurückdrehen und zugedeckt weitere 10 Minuten garen. Bei Bedarf noch etwas Flüssigkeit zugeben. Zum Schluss die Brennnesseln unterrühren und mit Parmesan bestreut servieren.