Tischgespräche: Dieses Mal mit Hugo Portisch
freizeit-KURIER-Chefredakteur Michael Horowitz und seine Frau Angelika luden 20 befreundete Künstler zu intensiven Gesprächen ein. Bei einem Essen, in einem Wirtshaus, in einer Atmosphäre, bei der sie sich wohlfühlten. Festgehalten wurden die "Tischgespräche" im gleichnamigen Buch. Lesen Sie in den folgenden 20 Tagen was Alfred Dorfer, Christiane Hörbiger und viele mehr bewegt. Dieses Mal zu Gast: Hugo Portisch.
"Man darf nie am Schoß von Politikern sitzen"
Hugo Portisch, Grandseigneur des österreichischen Journalismus, "Herr der Geschichte" und jener Mann, der uns jahrzehntelang – mit viel Verve und Leidenschaft – die große Weltpolitik zu erklären verstand. Ungebrochen kämpft er für die Freiheit der Menschen und lebt vor, dass Bescheidenheit eine Zier, Leidenschaft alterslos und das Pilzesuchen ein Vergnügen ist.
Von allen Gesprächspartnern bist du mein schwierigster.
Oh je, wieso?
Weil du mein großes journalistisches Vorbild bist. Denn wie interviewt man so ein Vorbild?
Am besten gar nicht.
Aber ich möchte dich unbedingt als Gesprächspartner für unser Buch.
Dann stellst du am besten die erste Frage.
Okay. Dein Vater war Chefredakteur der "Pressburger Zeitung", das heißt Journalismus war dir in die Wiege gelegt. Wolltest du je etwas anderes machen? Hattest du als Jugendlicher einen anderen Traum?
Eigentlich wollte ich eine Art Welterforscher werden, egal ob den Nord- oder Südpol oder die Wüste Gobi. Das wäre eine echte, eine große Aufgabe gewesen, und ich wäre dadurch nicht an einen Ort gebunden gewesen, wie das ja fast jeder andere Beruf mit sich bringt.
Hat dich dein Vater in eine andere Richtung gelenkt?
Nein, das würde ich nicht sagen, es war wohl eher der große Geldmangel, der mich gezwungen hat, sehr rasch etwas zu verdienen. Dafür hat sich der Journalismus angeboten, denn mein Vater war seit 1945 bemüht, die niederösterreichischen und burgenländischen Zeitungen wiederaufzubauen. Dazu gehörte auch ein Büro in Wien, als Umschlagplatz für Nachrichten. Dort wurde noch ein Mann gebraucht, und da ich in der Schule immer sehr gut in Deutsch war, habe ich diesen Job bekommen.
Wie alt warst du damals?
Das war 1946 und ich war 19 Jahre.
Stimmt die Geschichte, dass dir dein Klassenvorstand das Reifezeugnis einige Tage vor Schulschluss ausgehändigt hat, sodass du am 4. April 1945 noch rechtzeitig aus Pressburg flüchten konntest – mit dem Zeugnis in der Hand.
Ja, das stimmt. Das war fast wie ein Wunder, aber nicht nur für mich, sondern für die gesamte Klasse.
Zu diesem Zeitpunkt waren deine Eltern aber bereits nach St. Pölten zurückgekehrt?
Ja, das ist richtig. Meine Eltern sind an den Bauernhof meiner Großeltern zurückgekehrt, an dem mein Vater einst aufgewachsen war.
Kannst du dich an deine ersten Zeitungsartikel erinnern?
Nein, das waren keine großen Geschichten, aber ich habe das Handwerk von der Pieke auf gelernt. Es ging vor allem darum, aus jenen Informationen, die wir von den Menschen am Land, dem Bürgermeister, dem Arzt, dem Lehrer und dem Feuerwehrhauptmann, bekommen haben, einen Bericht zu formen. Dabei habe ich gelernt, was überhaupt eine Geschichte ist und wie wichtig es ist, sehr sensibel mit Informationen umzugehen.
Jedenfalls herrschte damals Aufbruchsstimmung. Du hast einmal gesagt: "Wir hatten nichts zu essen, wir hatten kein Geld, aber wir hätten jeden Tag jubeln können. Jetzt sind wir frei, jetzt ist alles möglich." Trotz allem für einen jungen Journalisten sicherlich eine sehr spannende Zeit, oder?
Ja natürlich, für alle Menschen, nicht nur für uns Journalisten. Endlich war der Krieg aus und die Bedrohungen, doch noch in den letzten Tagen eingezogen oder von Bomben getroffen zu werden, waren endlich vorbei. Und vor allem: Endlich frei sein – dieses Gefühl war unbeschreiblich. Die Erinnerungen an das Jahr 1945 bringen mich heute noch zum Weinen. Vor lauter Freude.
Ab Mai 1945 hast du in Wien gelebt und bald darauf gearbeitet. Wie viel hast du damals verdient?
90 Schilling. Ich hatte ein Untermietzimmer bei einer Frau Stumpf im fünften Bezirk, in der Grohgasse, wofür ich 30 Schilling im Monat bezahlt habe. Und für das Essen in einer Werksküche gab ich damals 30 Schilling im Monat aus. Jeden Tag einen Schilling für irgendein Gericht. Zunächst war es Trockengemüse, später Bohnen und dann sogar Kochsalat mit Erbsen.
Viel ist da aber nicht mehr übrig geblieben?
Nein, ich glaube zehn Schilling hat die Monatskarte für die Straßenbahn gekostet.
Dann hattest du gerade noch 20 Schilling.
Ja, maximal. Ich bin sehr gerne ins Kino gegangen, die Besatzungsmächte brachten ja ihre Kinofilme mit, und da konnten wir doch einiges von der größeren Welt sehen. Das konnte ich mir gerade zwei- bis dreimal im Monat leisten.
Hattest du für so Spompanadln wie Mädeln überhaupt noch Geld?
Wenn du mit deinen Fragen weiter so ins Detail gehst, brauche ich meine Biografie gar nicht mehr zu schreiben.
Nur das mit den Mädeln oder dem Mädel möchte ich noch hören …
Na gut, das gebe ich dir noch preis. Sie war sehr hübsch, ich habe sie an der Uni kennengelernt und wollte sie gerne einladen …
Hast du parallel zu deiner Arbeit studiert?
Ja, ich habe noch im Mai 1945 begonnen zu studieren und habe immer mit großer Lust und Liebe studiert. Aber du willst doch die Geschichte mit dem Mädel wissen …
Entschuldige, ja natürlich. Wie hieß sie?
Irene. In der Zeitung – ich glaube es war sogar im KURIER – habe ich damals gelesen, dass Maxi Böhm im Konzerthaus für eine Radiosendung auftrat.
"Ich habe gelernt, wie eine Henne zu gackern. Dafür habe ich ein Schmalzbrot bekommen"
Hieß die Sendung vielleicht "Die große Chance"?
Nein, so groß war die Chance auch nicht. Aber der Eintritt war gratis. Und so kamen wir zu einem unterhaltsamen Abend. Denn Maxi Böhm fragte das Publikum, wer etwas Besonderes vor dem Mikrophon zum Besten geben könnte, und der bekäme als Preis ein Schmalzbrot. Das war damals etwas Köstliches. Also habe ich mich gemeldet, denn ich habe am Bauernhof bei meinem Großeltern gelernt, wie ein Huhn zu gackern. Und zwar wie eine Henne, die ihre Küken ruft. So konnte ich Irene doch noch etwas bieten.
Hat das Eindruck gemacht?
Nicht nachhaltig. Aber immerhin bekam sie den größeren Teil des Schmalzbrotes.
Später hast du ja deine Frau Traudi kennengelernt, und du hast einmal gesagt, das Geheimnis einer guten Ehe sei, die negativen Eigenschaften des Partners zu lieben. Wie kann ich das verstehen?
Jeder Partner hat wahrscheinlich Eigenheiten und Eigenwilligkeiten, die vielleicht stören, und die sind zu akzeptieren, zu lieben. Ich habe mir angewöhnt, darüber zu schmunzeln.
Du bist ein Held. Aber lass uns zu deinem Berufsweg zurückkehren. Im Alter von 23 Jahren warst du bereits für ein halbes Jahr in Amerika und zwar für ein Journalistik-Studium bei mehreren Zeitungen. Wie war dir das möglich?
Ich kam Anfang 1948 zur "Wiener Tageszeitung" in das Ressort Außenpolitik. Unser journalistisches Vorbild war damals die Schweizer Tageszeitung "Die Tat", die der Migros-Genossenschaft gehörte. Das war ein weltwirtschaftspolitisch ausgerichtetes Blatt und für uns beispielgebend. Ich kam sozusagen als dritter Mann in das Ressort. Der Außenpolitikchef war Karl Polli, und der zweite Redakteur war Hans Dichand.
"Hans Dichand und ich lasen uns immer die besten Texte großer Schriftsteller gegenseitig vor"
Also dort hast du damals schon Hans Dichand kennengelernt?
Richtig. Wir waren beide Lernende. Dichand und ich haben uns die Texte großer Schriftsteller gegenseitig vorgelesen und uns dabei laufend inspiriert. Ernest Hemingway und Egon Erwin Kisch waren unsere Vorbilder und Lehrer. Wir haben ungeheuer viel gelesen.
Aber wir mussten auch schon fast täglich kleinere Kommentare für die Zeitung schreiben, die wir Glossen nannten. So verdienten wir uns unsere ersten Sporen. Wir haben uns damals auch schon sehr engagiert. Polli, Dichand und ich haben am Gründungskongress der "Aktion gegen den Antisemitismus" im Alten Rathaus teilgenommen.
Karl Polli wurde später der Posten des Chefredakteurs im Hörfunk angeboten, Dichand bald darauf der Posten des Chefredakteurs des "Murtaler Botens". Und plötzlich war ich allein und leitete die Außenpolitik der "Wiener Tageszeitung".
1950 haben die Amerikaner über den Bundespressedienst zehn junge österreichische Journalisten eingeladen, ein halbes Jahr in den USA zu studieren und bei amerikanischen Zeitungen mitzuarbeiten. Ich war einer davon. Zuerst verbrachten wir einen Monat in der "School of Journalism" in Columbia, Missouri, die auch heute noch in den USA als beste Ausbildungsstätte für Journalisten gilt. Anschließend haben wir dann bei fünf verschiedenen amerikanischen Zeitungen mitgearbeitet und viel gelernt, unter anderem auch, wie wichtig es ist, als Journalist unabhängig zu bleiben und zu versuchen, stets objektiv zu sein.
"Man darf sich als Journalist nie von der Politik missbrauchen lassen"
Und nach so viel weiter Welt bist du nach einem halben Jahr in das kleine Land Österreich zurückgekehrt. Wie war das?
Ich kam zurück und fand mich inmitten des Oktoberstreiks der Kommunisten wieder, und unserer Meinung nach ging es dam als darum, ob Österreich eine Volksrepublik wird oder nicht, wie es zuvor schon unseren Nachbarn Ungarn und der Tschechoslowakei ergangen war. Wir sind aufgegangen in einem revolutionären Abwehrkampf, und wenn das ein Teil des Kalten Krieges war, dann waren wir die Kalten Krieger Nr. 1.
Du hast einmal gesagt: "Journalisten dürfen keine Mitspieler der Politik sein." Wie meinst du das?
Als Journalist muss man bewirken, was man nur kann. Für einen Journalisten muss es immer heißen: Auf die Barrikaden. Man darf aber nie am Schoß von Politikern sitzen und sich nie von der Politik missbrauchen lassen.
"Für einen Journalisten muss es immer heißen: Auf die Barrikaden"
Gedankenfreiheit ist dein Lebensmotto?
Nicht nur Gedankenfreiheit, Freiheit in jeglicher Hinsicht. Ich habe mich immer furchtbar eingeengt gefühlt, wenn es geheißen hat "man muss …" oder "so und nicht anders muss etwas geschehen". Dieser unbändige Wunsch nach Freiheit reicht zurück in meine Jugendzeit. Dass wir damals die Freiheit wiedergewonnen haben, war das größte Glück.
Beneidest du junge Menschen um die Freiheit, in der sie heute aufwachsen können?
Nein, ich beneide grundsätzlich niemanden. Freiheit steht über allem, und jeder kann diese Freiheit nützen, wie er will. Das geht mich gar nichts an. Auch Neid kenne ich nicht. Aber ich bedaure, dass viele jüngere Menschen nicht mehr zu schätzen wissen, was Freiheit wirklich bedeutet, welche Möglichkeiten sie uns gibt und was es heißt, Freiheit wirklich zu leben. Das fehlt vielen, weil sie Unfreiheit nie gespürt haben.
"Viele junge Menschen wissen nicht, was Freiheit bedeutet, weil sie Unfreiheit nie gespürt haben"
Es gibt den wunderbaren Satz von Oscar Pollak, dem jahrelangen Chefredakteur der Arbeiterzeitung: "Die Leser müssen spüren, dass man sie gernhat." Glaubst du, dass dies in den heutigen Printmedien gelebt wird?
In manchen schon, da spüre ich es aus vielen Beiträgen.
Der KURIER war für dich ein sehr wesentlicher Lebensabschnitt. Du warst bereits mit 31 Jahren Chefredakteur der damals größten österreichischen Tageszeitung. Wenn du heute an diese Zeit zurückdenkst, welche schönen Erinnerungen sind dir an diese Zeit geblieben?
Es war ein grandioses Team. Ich war umgeben von Menschen, die mit an einem Strang gezogen haben, ein großes Miteinander, die Bereitschaft, gemeinsam auf die Barrikaden zu steigen. Wir haben viele Husarenstücke gemacht, unter anderem der Politik die Gesetze zur Durchführung von Volksabstimmungen und Volksbegehren abgerungen, und dann auch das allererste Volksbegehren zur Befreiung des ORF aus den Fängen der Parteisekretariate durchgesetzt.
Lass uns trotz deiner großen Begeisterung für deinen Beruf noch kurz vom Privatmann Hugo Portisch sprechen. Wir sitzen hier beim Plachutta in Hietzing. Warum hast du dieses Lokal als Treffpunkt gewählt?
Ich liebe Rindfleisch in jeder Form und fühle mich hier einfach sehr gut aufgehoben und rundum wohl.
Du verbringst inzwischen einen Großteil der Zeit in eurem Haus in der Toskana. Auf die Frage, wie du dazu kamst, hast du einmal geantwortet: "Durch Zufall. 48 Stunden vorher ist uns das Benzin ausgegangen. Und dann waren wir plötzlich Hausbesitzer." Kannst du uns kurz erzählen, wie es dazu kam?
Ich versuch’s, aber ausführlich haben meine Frau und ich das in unserem Buch "Die Olive & wir" erzählt.
Wunderbar. In welchem Jahr beginnt die Geschichte?
Es ist lange her. Meine Frau und ich waren in einem Mietwagen unterwegs von Rom in Richtung Pisa, als wir kein Benzin mehr hatten und ich die nächstmögliche Autobahntankstelle anfahren wollte. Allerdings wurde dort gestreikt. Ich musste also die Ausfahrt nehmen und erreichte gerade noch die nächste Tankstelle. Die hatte aber bis vier Uhr nachmittags geschlossen, weil Siesta war. Also setzten wir uns in das angeschlossene Espresso und warteten. Und wie es der Zufall so wollte – und es war eine Kette von unfassbaren Zufällen …
Zufall oder Vorsehung?
Nein, nichts ist Vorsehung. Das war Zufall oder Glück. Jedenfalls hatte mir am Vortag Hellmut Andics, damals unser Beilagenchef im KURIER, eine Telefonnummer in die Hand gedrückt und gemeint, falls wir in die Toskana kämen, mögen wir ihn doch anrufen. Er sei dort, um an einem Drehbuch für einen Film mitzuarbeiten. Ich war froh, endlich auf Urlaub zu sein, und hatte nicht vor ihn anzurufen.
Aber als wir so in dem kleinen Espresso herumlungerten und ich in meine Rocktasche griff, fand ich zufällig diese Nummer. Wieder ein Zufall, denn dass ich dieses Sakko, das ich tags zuvor im Büro getragen hatte, überhaupt mitgenommen hatte, war sehr ungewöhnlich. Also rief ich Andics an und stellte fest, dass ich die Vorwahl gar nicht erst zu wählen hatte, da wir uns schon in diesem Ort befanden – nur zehn Minuten von dem Haus entfernt, in dem er selbst zu Gast war. Wir alle verbrachten eine sehr gemütliche Jause. Es wurde Abend und wir übernachteten schließlich auch dort. In der Früh schaute ich auf diese großartige toskanische Landschaft, die Orangenbäume vor dem Fenster, und ich kam zum Frühstück und sagte den verhängnisvollen Satz: "Ein Paradies! Hier ist es gut, ein Haus zu haben". Noch am selben Tag fanden wir ein altes Bauernhaus, eine Ruine eigentlich, und haben am nächsten Morgen um zehn Uhr dieses Haus gekauft …
… und seid heute noch glücklich dort. Inzwischen hast du dich ja auch gemeinsam mit deiner Frau ganz anderen Themen als der großen Weltpolitik gewidmet. Dein Faible für Schwammerl ist inzwischen bekannt, ihr habt darüber auch ein Buch geschrieben. Wie bist du auf die Pilze gestoßen?
Wir kommen beide aus Familien, die Schwammerlsucher waren. Mein Vater tat dies mit großer Leidenschaft im Dunkelsteinerwald und hat mich bereits als Kind mitgenommen.
Meine Frau und ich haben dieses Vergnügen schon immer geteilt. Und dabei haben wir uns stets geärgert, denn viele der Pilze, die wir gefunden haben, waren uns unbekannt, aber keines der damaligen Pilzbücher verglich die essbaren Pilze mit ihren möglichen giftigen oder ungenießbaren Doppelgängern. So haben wir uns bereits damals vorgenommen, unbedingt einmal selbst ein Buch darüber zu schreiben, in dem wir diese unmittelbare Gegenüberstellung von essbar und giftig für alle verständlich machen wollten.
Bei einem Spaziergang in London gingen wir eines Tages an der Galerie junger Künstler am Rande des Hyde Parks entlang, da blies ein Windstoß plötzlich einige Zeichenblätter durch die Luft …
… wieder ein Zufall …
So ist es. Und auf einem dieser Blätter sahen wir die Zeichnung eines Schwammerls. Ganz exakt und wunderbar gezeichnet. Wir suchten den Künstler auf, er hieß Alfonso Madden, und er war es später auch, der die Illustrationen zu unserem Buch "Pilzesuchen – ein Vergnügen" machte.
Gemeinsam mit deiner Frau Traudi hast du, wie erwähnt, auch das Buch "Die Olive & wir" geschrieben. Hast du – nach einem Leben in und mit der Weltpolitik – eine gewisse Sehnsucht, im Alter mehr auf das Bodenständige, auf die Natur zurückzukommen?
Nein, Sehnsucht wäre zu viel. Die harten Fakten der Weltpolitik interessieren mich nach wie vor mehr als alles andere. Die aktuellen Geschehnisse im Nahen Osten regen mich zum Beispiel momentan so auf, dass ich eigentlich nur darüber sprechen möchte …
Das heißt, wir dürfen hoffen, bald wieder eine Analyse von dir zu lesen oder zu hören?
Nein, das habe ich zurzeit nicht vor. Es ist mir heute ein großes Vergnügen, auch über diese schönen Dinge des Lebens zu schreiben – doch meine große Leidenschaft gehört dem Weltgeschehen.
Trotzdem verbringst du den Großteil deiner Zeit in der Toskana, in der Natur?
Ja, aber für die Natur in unserem Leben ist ausschließlich meine Frau zuständig.
Ist die Toskana ein bisschen Heimat geworden?
Für mich nicht ganz. Ich empfinde deren Schönheit und genieße sie, aber zuhause bin ich in Wien. Ich brauche eine große Stadt und Menschen um mich.
Was wünscht du dir spontan abschließend für dein Leben, für Österreich, für die Welt?
Für mein Leben: Wir sollen so sein, wie wir sind, und das möge noch lange so bleiben.
Für Österreich: Dass es nicht zum Opfer von Populisten und Demagogen wird. Das ist meine größte Sorge. Denn ich weiß genau, wohin das führen kann. Das ist immer ein sehr gefährlicher und in jedem Fall ein sehr schädlicher Weg für ein Land.
Und für die Welt?
… kann man sich nur das Gleiche wünschen. Ich bin hundertprozentig vom europäischen Projekt überzeugt und glaube, es wäre verheerend, wenn dieses Projekt schiefgehen würde. Es muss Vorbild bleiben für das, was in anderen Teilen der Welt noch kommen muss. Sei dies in Lateinamerika oder in Asien. Diese Art der Solidarität, die Art des gegenseitig füreinander Eintretens, muss Vorbild werden. Es muss ein Musterbeispiel geschaffen werden und es muss sich die Erkenntnis manifestieren, dass alles auch ohne Krieg geht. Wenn das Projekt Europa schiefgeht, wäre das nicht nur ein Rückschritt für die europäischen Nationen, sondern für die ganze Welt.
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