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Tischgespräche: Dieses Mal mit Alfred Dorfer

freizeit-KURIER-Chefredakteur Michael Horowitz und seine Frau Angelika luden 20 befreundete Künstler zu intensiven Gesprächen ein. Bei einem Essen, in einem Wirtshaus, in einer Atmosphäre, bei der sie sich wohlfühlten. Festgehalten wurden die "Tischgespräche" im gleichnamigen Buch. Lesen Sie in den folgenden 20 Tagen was Hugo Portisch, Christiane Hörbiger und viele mehr bewegt. Dieses Mal zu Gast: Schauspieler und Kabarettist Alfred Dorfer.

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"Bitte keinen Gruß aus der Küche"

Alfred Dorfer ist nicht nur einer der brillantesten österreichischen Kabarettisten und Schauspieler, er macht auch als Regisseur und Autor von sich reden. Darüber hinaus genießt der Doktor der Philosophie Reisen, Essen und Trinken – „solange Genuss nicht in Verwöhntheit umschlägt und man nicht vergisst, dass an manchen Tagen nichts besser schmeckt als eine Waldviertler mit Senf und Kren“.

Michael Horowitz: Wir sitzen hier beim Ubl, einem alten Urwiener Wirtshaus. Warum hast du das als Treffpunkt für unser Tischgespräch gewählt?

Erstens, weil hier gut gekocht wird, zweitens, weil ich das Publikum hier gerne mag, und drittens, weil es keines dieser "überkandidelten" Wirtshäuser ist, keines, das auf Wirtshaus macht, aber keines ist. Außerdem liebe ich Wirtshäuser, in denen es keinen "Gruß aus der Küche" gibt.

Gibt es eine Top Fünf, also fünf Gründe, warum du ein Wirtshaus nicht magst?

An allererster Stelle steht – wie schon erwähnt – der "Gruß aus der Küche", gefolgt von warmem Weißwein, über- und unnatürlicher Soßengestaltung mit Schäumchen und Häubchen, langen Wartezeiten mit der Ausrede "wir machen’s ja frisch" – und ein schwieriges Publikum.

Wie ist ein schwieriges Publikum?

Na ja, wie soll ich das beschreiben? Auf den Punkt gebracht: München in Wien. Verstehst du, was ich meine?

Ja, aber du trittst doch sehr oft in München auf, wie zum Beispiel im Münchner Lustspielhaus. Ist das Theaterpublikum anders als jenes in einem Münchner Wirtshaus?

Ja, ganz anders.

 

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Was zeichnet denn ein gutes Theaterpublikum aus? Merkt man, wenn man auf der Bühne steht, sofort, wie das Publikum ist?

Nein. Es gibt Vorstellungen, die beginnen schlecht und entwickeln sich sehr gut, aber es gibt ebenso Abende, die toll beginnen und danach abflachen. Es gibt auch Theaterpublikum, das während der Vorstellung eigentlich kaum reagiert und danach frenetisch applaudiert. Das ist in Deutschland sehr häufig – Publikum, das sich beim Lachen zurückhält.

Weißt du, wenn du auf der Bühne stehst, ob du gerade gut oder eher weniger gut bist?

Nein, das spüre ich nicht. Ich erkenne nur, dass es vom Rhythmus her an manchen Abenden besser läuft als an anderen. Aber dass das auch beim Publikum so ankommt, bezweifle ich.

Stehst du lieber auf der Bühne als vor der Kamera?

Ja.

Du bist beruflich sehr erfolgreich, und ich hoffe für dich, dass du damit auch genug Geld verdienst. Ist es immer noch so, dass dir materielle Statussymbole nicht wichtig sind und du dein Geld am liebsten für Reisen, Bücher und gutes Essen ausgibst?

Stimmt, daran wird sich auch nie etwas ändern.

Wenn du dieses Bild hier an der Wand siehst, jenes über dem Schild "Stammtisch – ein Stillleben". Welche Speisen und Getränke müssten für dich auf dieses Bild gemalt werden?

Der Ansatz mit dem Beinschinken gefällt mir schon einmal sehr gut.

Darf er auch so üppig und fett sein?

Das muss er sogar sein. Wenn du es genau wissen willst, der Beinschinken vom Schwarzen Kameel ist für mich zum Beispiel genau so, wie er sein sollte. Dazu Kren, etwas Brot und Senf. Ich liebe Senf.

Welchen Senf magst du am liebsten?

Jeden, nur keinen "Kremser Senf". Pfefferoni und ein Glas Wein würden mein Stillleben abrunden.

Ein krachend kalter Weißwein, das verstehe ich gut. Welcher?

Auf dem Gebiet der weißen Weine bin ich noch ein Neuankömmling. Ich habe jahrelang keinen Weißwein getrunken, da ich ihn nicht vertragen habe. Aber mittlerweile, das weißt du ja aus eigener Erfahrung, wenn man erst einmal in den Herbst des Lebens kommt, muss man seine Gewohnheiten ändern, und man verträgt plötzlich den Rotwein nicht mehr so gut. Das wirst du ja auch kennen?

Ich vertrage den weißen und den roten – wie am ersten Tag.

Wahrscheinlich gehst du maßvoller mit dem Weine um und bist ein "homöopathischer Trinker".

 

 

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Du sagst es. Das bewährt sich. Bitte stell dir die nächste Frage selbst, ich muss jetzt diese herrlichen Lammbratwürstel kosten.

Möchtest du vielleicht wissen, ob ich selbst auch koche?

Eine kulinarische Frage. Sehr gut.

Ich glaube, dass es sogar wichtig ist, selbst kochen zu können – auch wenn man das so schlecht macht wie ich –, weil man erst dann gutes Essen richtig schätzen kann. Zum Beispiel habe ich den Satz "Die wahre Kochkunst sind die Saucen" nie wirklich verstanden. Bis ich selbst eine gemacht habe.

Bis du versucht hast, eine zu machen.

Ich habe eine gemacht. Aber sie war nicht essbar.

Welche Sauce? Ein reduziertes Safterl?

Genau, es sollte der Saft einer Rindsroulade werden.

Oh, ganz heikel. Hast du auf einschlägige Literatur zurückgegriffen?

Ja, auf das "Sacher Kochbuch".

Hattest du Probleme mit der Sprache oder hast du das Rezept unaufmerksam gelesen?

Du glaubst es vielleicht nicht, aber man kann auch beim Nachkochen von Rezepten Fehler machen.

Darum bin ja ich eher für das Improvisieren. Hast du nach diesem Saucen-Missgeschick die Freude am Kochen verloren?

Die Freude an Saucen, ja. Seitdem bleibe ich bei der Zubereitung im Wok und koche Erdäpfelgulasch.

Du bist sehr viel unterwegs und auf Tour, dabei hast du nicht immer die Möglichkeit, dir selbst dein Erdäpfelgulasch zu kochen, und auch den Wok wirst du ja nicht immer dabeihaben. Womit belohnst du dich nach einem Auftritt? Gehst du – wenn du irgendwo in der Provinz spielst – dann zu einem schlechten Chinesen, Thailänder oder zum Italiener ums Eck?

Oder zu einem schlechten Österreicher. Nein, das habe ich mir bereits in den achtziger Jahren abgewöhnt. Damals habe ich ein Jahr lang nur vegetarisch gegessen. Ich glaubte, das sei der gesündere Weg sich zu ernähren. Zu dieser Zeit lag die vegetarische Küche in Österreich ja noch im Argen, speziell am Land.

… in Oberwaltersdorf, Deutschlandsberg und Gänserndorf.

Ja, aber durchaus auch in Mattighofen, und selbst im Bayerischen war das Leben als Vegetarier nicht ganz einfach – um es milde auszudrücken. Wenn man eine lauwarme Platte mit gemischtem Dosengemüse vorgesetzt bekam, war das schon viel. Geröstete Knödel galten geradezu als kulinarischer Hit.

Allenfalls sogar in der Luxusvariante mit einem Ei darübergeschlagen? Und danach bist du also zu uns Fleischessern zurückgekehrt?

Reumütig. Aber ins Wirtshaus ums Eck gehe ich trotzdem eher selten. Auch wenn das gastronomische Angebot inzwischen wesentlich besser geworden ist.

 

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Du bist vielseitig begabt, und neben vielen anderen Dingen auch jemand, der Menschen zum Lachen bringen kann. Konntest du das schon immer?

Ja, schon in der Schule. Dort war ich Klassensprecher.

Und hast die Lehrer oder die Schüler zum Lachen gebracht?

Die Lehrer eher weniger, aber vom Klassensprecher können viele Lebenswege ausgehen. Das ist die Basis für viele Berufe. Politiker wäre eine Möglichkeit, Gewerkschafter die zweite, und Kabarettist ist die dritte.

Oder eine Kombination aus allen dreien?

Wäre auch möglich, aber dafür fehlt mir das Gewerkschafter-Gen, glaube ich. Jedenfalls habe ich damals bemerkt, dass ich Menschen beziehungsweise meine Mitschüler unabsichtlich zum Lachen bringen konnte. Ich selbst fand das gar nicht so witzig. Das hat sich bis heute nicht geändert. Das ist auch der Grund, warum ich mir Filme, in denen ich mitspiele, nicht ansehe.

Das heißt, du hast zum Beispiel "Muttertag" nicht gesehen?

Nein, nie. Es gibt auch Folgen von "MA 2412", die ich nie gesehen habe.

Warum?

Ich finde es erstens kindisch, mich selbst in einer Rolle zu sehen, und manchmal ist es mir auch unangenehm. Ich gehöre definitiv nicht zu jenen Menschen, die sich selbst gar nicht oft genug anschauen können. Das ist mir völlig fremd.

Aber du genierst dich nicht dafür.

Nein, soweit geht’s nicht.

Anfang 2011 hattest du mit deinem neuesten Stück "bisjetzt" in Österreich Premiere. Du bist heuer 50 Jahre alt geworden. Beginnt man in diesem Alter schon, Retrospektiven zu spielen?

Was heißt "schon"? Andere machen alle drei Jahre ein "Best of …" Ich bin der einzige Kabarettist in meiner Altersgruppe, der das noch nicht gemacht hat.

Ist der Düringer jünger?

Ja, zwei Jahre.

Na dann. Zwischen Düringer und Hader – beides Kollegen und Freunde von dir und beide auf der Bühne völlig unterschiedliche Figuren –, wo stehst du zwischen diesen beiden Antipoden? Wohin wirst du dich in Zukunft bewegen?

Ich weiß nicht genau, wo es mich hinziehen wird, aber ich habe freie Kapazität für Neues. Das ist schön.

Auch für neue Filme? Man liebt dich doch nicht nur als Kabarettist, sondern auch als Schauspieler, immerhin hat dich dein Publikum bereits 1996 mit der "Goldenen Romy" ausgezeichnet.

Ja, aber es gibt in Österreich kein sehr großes Angebot an guten Filmen. Zuletzt habe ich bei dem Harald-Sicheritz-Film "3faltig" mitgespielt, aber es zieht mich nicht wirklich in diese Richtung.

Wohin zieht es dich?

Zum Theater. Es interessiert mich mittlerweile, Stücke zu schreiben, ohne dabei selbst als Darsteller mitzuwirken. Womit viele Autoren Schwierigkeiten haben, nämlich ihr Werk quasi freizugeben und von anderen – den Schauspielern auf der Bühne – umgestalten zu lassen, das finde ich aufregend.

Adaptierst du deine eigenen Texte, wenn du auf der Bühne stehst und spielst?

Ja, das passiert schon allein durch die Zuschauer. Das Publikum macht Regie. Wenn man zum Beispiel das Stück "fremd" hernimmt, so hat das in Leipzig ein ganz anderes Gesicht als in Zürich oder Wien. Da haben sich – ganz unbewusst – im Laufe der Zeit sozusagen Lokalfassungen herausgeschält.

Könntest du dir vorstellen, ohne die Bühne zu leben? Ohne den Kontakt zum Publikum?

Für eine gewisse Zeit könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Beispielsweise am Meer zu sitzen und vom Schreiben zu leben. Ja. Für längere Zeit oder ewig könnte ich das aber nicht durchhalten.

Muss es das Meer sein?

Na ja, für mich als Gemeindebau-Kind aus dem 23. Bezirk war das Meer immer etwas ganz Besonderes.

 

 

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Welche Erinnerungen hast du an den 23. Bezirk?

Ich habe vor Kurzem einen Film über die italienische Camorra gesehen, und dabei ist mir wieder einmal aufgefallen, dass irgendwie die Mechanismen in einem Wiener Gemeindebezirk den Kodizes einer Camorra nicht ganz unähnlich sind. Zum Beispiel die Illoyalität, jemanden zu "verpfeifen" – das ist dort wie da fast eine Gesetzmäßigkeit. Und da ich aus so einer Gemeindebau-Welt komme, gehört für mich Illoyalität heute noch zum Schlimmsten überhaupt. Vielleicht bin ich auch deshalb Intrigen-indolent. Ich gehe zum Beispiel immer davon aus, dass es keine Intrige gibt. Ich bin der Letzte, der merkt, wenn intrigiert wird.

Ein schöner Zugang zu dieser "Goldenen Wienerstadt". Warum lebst du gerade hier in Wien so gerne? Warum zum Beispiel nicht in Deutschland?

Weil es im deutschsprachigen Raum keine Stadt mit einer vergleichbaren Lebensqualität gibt. Lebensqualität heißt für mich, zu gewissen Dingen im Leben, dazu gehört auch Essen und Trinken, einen libidinösen Zugang zu haben. Zum Leben an sich. Zur Lebensfreude. Das hat Wien. Aber natürlich ist diese ambivalente Stadt auch beruflich ein wunderbarer Nährboden für mich. Das ist keine Liebeserklärung, sondern eine Entscheidung, die ich für mich getroffen habe. Ich könnte in keiner anderen Stadt permanent leben, wohnen und arbeiten. Bei allen Schwächen, die Wien hat.

Und warum nicht irgendwo am Meer oder im Ausland?

Weil ich aufgrund der Sprache an drei Länder gebunden bin. Wenn ich Musiker oder Tänzer wäre …

Als Tänzer könnte ich mir dich durchaus vorstellen.

Schau ma mal, was der Herbst des Lebens noch alles so bringt …

Gibt es Plätze in Wien, die dir besonders wichtig sind?

Es gibt Plätze, an die ich eine sentimentale Erinnerung habe. Favoriten war für mich zum Beispiel immer der Inbegriff eines Wiener Außenbezirkes, wie ich ihn mag. Sehr südlich, sehr offen, sehr lebendig. Und dann verbinde ich mit meiner Kindheit natürlich auch den Naschmarkt. Heute hat Favoriten viel von dieser entspannten Atmosphäre verloren, der Naschmarkt hat diese Stimmung teilweise noch – aber nur an den Wochentagen. Leider ist er größtenteils kein Markt mehr, sondern nur mehr eine Fressmeile.

Hast du zuletzt neue Ecken und Plätze in Wien entdeckt?

Ja, zum Beispiel den zweiten Bezirk. Ich hatte früher nie einen Bezug zu dieser Gegend, jetzt finde ich dort immer häufiger schöne Eckerln.

Wobei entspannst du am besten?

Beim Schlafen. Ich bin jemand, der immer schlafen kann.

Das heißt, du nimmst dir einen "Zehnminüter" vor und schläfst dann zehn Minuten?

Ja, das kann ich.

Könntest du mir jetzt einen "Fünfminüter" demonstrieren?

Unter zehn Minuten zahlt es sich nicht aus zu schlafen.

 

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Ist es egal, ob du im Auto fährst oder im Zug?

Wenn ich selbst hinter dem Steuer sitze, mache ich es grundsätzlich nicht.

Also doch nicht?

Es würde zwar letzten Endes länger entspannen …

Was würdest du an dieser Stadt, in der du ja so gerne lebst, ändern?

Es gibt gewisse Dinge, die ja mittlerweile auch thematisiert werden, wie zum Beispiel, dass es viele Hundebesitzer gibt, die den Hundekot auf der Straße liegen lassen. Das finde ich grässlich.

Ist Hundekot dein größtes innerstädtisches Problem?

Nicht wirklich. Aber es war so ein erster Gedanke. Es gibt natürlich eine Unbeweglichkeit und Immobilität in der Politik, die mich sehr ärgert. Aber das würde zu weit führen.

Warum gibt und gab diese Stadt Wien

… in der ich ja auch im Herbst meines Lebens immer noch sehr glücklich bin …

… auch für andere Satiriker, wie Kraus, Nestroy oder Qualtinger, so viel her? Woran liegt das?

Ich glaube, dass Satire immer nur dort funktionieren kann, wo es erstens ein Ohr dafür gibt – das hat Wien. Zweitens trägt diese Stadt eine Widersprüchlichkeit in sich, stellt quasi eine Promenadenmischung dar, die gleichzeitig ein Boden für Konflikte, aber auch – oder gerade dadurch – ein idealer Nährboden für Satire ist.

 

Du bist sozial sehr engagiert, arbeitest unter anderem an einem Caritas-Notfallprogramm gegen die Delogierung alleinerziehender Mütter. Du hast, als es Studiengebühren gab, einen Fonds für Studenten gegründet, die sich ihr Studium nicht leisten konnten. Bedeutet für dich das Privileg, Geld damit zu verdienen, Menschen zum Lachen zu bringen, dass man damit auch Notleidende unterstützen sollte?

Ich glaube, dass das der Sinn meines Jobs ist und es dazugehört, gegen all das, was man auf der Bühne kritisiert und beanstandet, auch praktisch etwas zu unternehmen.

Lass uns abschließend noch zu den schönen Dingen des Lebens, sprich in unserem Fall das Essen und Trinken, zurückkehren. Gibt es Speisen, um noch einmal die Top Fünf zu strapazieren, die du nicht magst und auf keinen Fall isst?

Karfiol. Man darf nicht vergessen, dass ich mit einer Küche aufgewachsen bin, die von sehr wenig Geld geprägt war. Vieles von jenen Dingen, die wir damals essen mussten, mag ich heute immer noch sehr. Zum Beispiel Kalbsfüße, sprich Kalbshaxn oder Schweinshaxn.

Mit Kren?

Und Brot. Genau. Gerne mag ich heute auch Hirn mit Ei oder Bries – was ich als Kind allerdings weniger geschätzt habe. Aber es gibt auch Speisen aus dieser Zeit, und dazu gehört Karfiol, die für mich absolut unantastbar geblieben sind. Ich mag auch keinen Kochsalat oder irgendetwas Eingebranntes.

So ein Mehlpapp ist also nicht deine Welt. Magst du die asiatische Küche?

Sehr. Thailändisch und alles, was ich bis jetzt von den verschiedenen chinesischen Küchen kennengelernt habe – und natürlich japanisches Essen. Aber erst, seit ich in Tokio war, weiß ich, wie gut die japanische Küche tatsächlich ist. Das habe ich nicht einmal geahnt.

Kennst du Heimweh, wenn du auf Reisen bist?

Nein. Wenn man zum Beispiel einen deutschen Reiseführer liest – und wir sind zumeist angewiesen auf deutsche, da es ja keine österreichischen gibt –, bekommt man immer wieder Hinweise darauf geliefert, wo man etwas findet, das so schmeckt, wie man es von zuhause kennt. Zum Beispiel fand sich in einem Reiseführer von Tokio eine Pizzeria als Tipp. So etwas ist für mich völlig absurd. Das einzige, was mir auf Reisen wirklich fehlt, ist, dass man Leitungswasser nicht trinken kann.

Ist es dir grundsätzlich lieber, von Wien abzuheben, als hier anzukommen?

Kommt darauf an. Beides ist möglich. Von Marokko war es mir zum Beispiel angenehm zurückzukommen.

 

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Gibt es noch Länder oder Plätze, die du unbedingt bereisen möchtest? Zieht es dich im Herbst deines Lebens eher nach Asien oder nach Südamerika?

Es wird mich immer nach Mittel- und Südamerika ziehen. Asien habe ich noch zu wenig bereist. Interessieren würde mich Vietnam, aber zum Beispiel auch Namibia. Meine Palette an Reisewunschzielen ist breit.

Ist Reisen nicht auch immer ein wenig Flucht?

Das kann es durchaus sein. Ich bin auch schon an viele Orte geflüchtet – eine Zeitlang habe ich zum Beispiel jedes freie Wochenende dafür genützt, nach Rom zu fliegen –, in Situationen, in denen ich meine Umgebung verändern wollte, um nicht mit allem konfrontiert zu werden, mit dem ich mich sowieso laufend auseinandersetzen muss. Aber das ist nicht nur Flucht, sondern auch Horizonterweiterung. Nein, Reisen ist nicht nur Flucht.

Aber alt werden willst du schon in Wien? Oder doch lieber am Meer?

Ich glaube nicht, dass ich mir das aussuchen kann. Es gibt so viele Dinge, die unvorhergesehen passieren. Hättest du mir zum Beispiel vor drei Jahren gesagt, ich würde wochenlang am Weißensee in Kärnten Urlaub machen, hätte ich gesagt: „Nein, nie!“ Mittlerweile finde ich das großartig. Oder dass ich einmal am Land ein Platzerl suchen würde, um dorthin immer wieder zurückzukommen. Das wäre undenkbar gewesen. Mir war der Zweitwohnsitzgedanke immer sehr fremd.

Warum?

Weil ich Angst gehabt habe, dann nie mehr woanders hinzufahren.

Aber inzwischen, wo du in den bunten Blätterwald deines Lebensherbstes hineinspazierst, kannst du dir das schon vorstellen? Ein Refugium in Österreich, irgendwo am Land?

Vorstellbar ist es, aber ich muss sagen, ich bevorzuge Länder, in denen sich die Regentage in Grenzen halten.

Also doch lieber am Meer sitzen. Würdest du dich selbst als Genießer bezeichnen?

Was das Essen betrifft, in jedem Fall. Wobei ich immer aufpassen möchte, dass dieses Genießen nicht in Verwöhntheit übergeht. Aber die Gefahr besteht bei mir glaube ich sowieso nicht, da es für mich immer Tage geben wird, an denen über eine Waldviertler mit Senf und Kren nichts geht.

 

Und da du das weißt, erlaubst du dir Genuss?

Ja. Ich habe eher das Problem mit einer Speisenfolge oder Speisenkombination, die unter dem Deckmantel der Originalität daherkommt und mich überfordert. Vor allem beim Fisch bin ich diesbezüglich sehr heikel. Da ich selbst einmal gefischt habe, weiß ich, wie unvorstellbar gut Süßwasserfisch schmecken kann. Da geht nichts drüber. Jede Fischküche, die mit Saucen arbeitet, lehne ich daher ab. Fisch muss ganz einfach zubereitet werden.

Neuerdings habe ich übrigens grünen Spargel – kurz in Butter geschwenkt – als Beilage zum Fisch entdeckt. Hast du das schon einmal probiert? Hervorragend, sage ich dir.

Könntest du dir vorstellen, unerkannt als Gourmettester durch Österreich zu reisen?

Nein, weil Essen – wie ich finde – etwas sehr Individuelles ist. Ich möchte Speisen nicht beurteilen, und ich glaube auch, dass es für einen kulinarischen Normalverbraucher nicht durchschaubar ist, was da so alles aus einer Fusionsküche auf den Teller kommt. Vielleicht hat der Koch ja Spaß dabei, und es schaut auch sehr exotisch aus, aber der durchschnittliche Konsument kann damit nicht viel anfangen und auch diese Geschmacksvielfalt nicht wirklich durchschauen. Zumindest geht es mir so, aber ich bin kein Feinschmecker.

 

Buchtipp

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Angelika & Michael Horowitz
TISCHGESPRÄCHE
Über Essen, Trinken und die anderen schönen Dinge des Lebens
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ISBN 978-3-85002-758-8
224 Seiten
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