Schlafzimmer-Blick: Nachtkästchen-Lektüre der Promi-Autoren
"FRAU KAISER, BABYS MACHEN BÜCHER"
Eigentlich versuche ich, nicht im Bett zu lesen, außer wenn ich alleine bin. Ich habe nämlich festgestellt, dass Lesen im Bett Beziehungen nicht sehr zuträglich ist, weil sich jeder in seiner eigenen Welt befindet. Auf meinem Nachtkästchen liegen derzeit: Jonathan Safran Foers „Hier bin ich“, von dem ich noch nicht weiß, ob ich es genial oder nicht so toll finden soll. Dann liegt dort „Die deutsche Stilkunde“, ein altes Fischertaschenbuch aus den 80ern, über gutes Deutsch, das ich immer wieder lese, um mich daran zu erinnern, wie man gut formuliert. „The Year of Magical Thinking“ ist das schönste Buch übers Trauern, das ich kenne. Ich hatte zuletzt drei Todesfälle im Bekanntenkreis, und wenn ich traurig bin, blättere ich in dem Buch. Und dann gibt’s da noch eine Ausgabe von Homers „Ilias“ aus dem 18. Jahrhundert. Das ist „meine“ Bibel, weil irgendein Werk, das größer als die Menschheit ist, sollte am Nachtkastl liegen. Mein Nachtkastl habe ich von einem Flohmarkt in St. Pölten. Immer, wenn meine Putzfrau es abwischt und die vielen Bücher sieht, sagt sie: „Frau Kaiser, Bücher machen Babys.“
Kolumnistin und Autorin Vea Kaiser, 28, hat mehr als 2.500 Bücher zuhause. Auf ihrem Nachtkasterl dürfen Bücher ebenso nicht fehlen, wie eine Box mit Taschentüchern und ein Foto von ihrem Freund. Ihre beiden Bücher „Blasmusikpop“ und „Makarionissi“ waren Bestseller. Derzeit arbeitet Kaiser an einem neuen Buch.
PETER HENISCH: "SCHÖN, MEINE BÜCHER AN MEINER SEITE ZU WISSEN"
Mein Nachtkästchen ist ein Pseudo-Thonetstück, das eher ein Tischerl ist, auf dem ich etwas ablege. Von den Büchern, die dort liegen, gehören immer ein paar zu meinen Lieblingsbüchern. Ich finde es schön, vor dem Einschlafen in ihnen blättern zu können und sie an meiner Seite zu wissen, auch wenn ich nicht mehr blättere und dann hoffentlich gut träume. Aktuell liegt obenauf „Die Schatzinsel“ von Robert Louis
Stevenson, als eine wunderbar spannende und bewundernswert gut geschriebene Abenteuergeschichte, die ich immer wieder
gelesen habe, seit ich acht bin. Gleich drunter liegen „Die Lebens-Ansichten des Katers Murr“ von E.T. A. Hoffmann, die ich nicht nur wegen meiner Katzenfreundlichkeit liebe, sondern auch, weil es ein unglaublich raffiniert komponierter Künstlerroman ist. Dann „Der harte Kern der Schönheit“, die Gedichte von William Carlos Williams, woraus ich mein Lieblingsgedicht „This is just to say“ zitieren will: „I have eaten / the plums/ that were in / the icebox // and which / you were probably / saving / for breakfast // Forgive me / they were delicious / so sweet / and so cold.“
Peter Henischs, 73, jüngstes Werk „Suchbild mit Katze“ ist im Herbst 2016 erschienen. Seine Bücher „Die schwangere Madonna“ und „Eine sehr kleine Frau“ standen beide auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.
EVA ROSSMANN: "DAS GROSSE NACHTKASTL IST OHNEHIN DIE BÜCHERWAND"
Als mein Mann und ich ausgebaut und ein Schlafzimmer gemacht haben, in dem man auch leben und lesen kann, wollten wir mehr Platz, als ein Nachtkastl bieten kann. Deshalb ist es eine Bank vor dem Bett geworden. Das große Nachtkastl ist ohnehin die Bücherwand mit 2.000 Büchern, auf die ich jeden Morgen schaue, wenn ich aufwache. Das macht ein gutes Raumgefühl, die Bücher dämmen und haben so auch einen praktischen Wert. Auf der Bank liegt derzeit „Fortuna“ von Franz Schuh. Er schreibt darin so g’scheit über Glück und Glückssituationen in allen Lebenslagen, dass ich es zum zweiten Mal lese. Aktuell lese ich auch „Der lange Marsch“ von Clementine Skorpil, eine Autorin, die historische Kriminalromane schreibt. Sie ist studierte Sinologin und beschreibt in ihrem Roman die Mao-Zeit mit hoch spannenden, witzigen Figuren, und hat mir so China ein ganzes Stück näher gebracht. Ein seltsames Phänomen, dass jemand, der so gut schreiben kann, trotzdem nicht so bekannt geworden ist. Das 1.500 Seiten starke Werk „Horcynus Orca“ von Stefano D'Arrigo, hat mir der Musiker Uli Fussenegger geschenkt. Als Künstler hat er ein tolles Sprachgefühl und ein Händchen für Bücher mit Sprachmelodien. Ich will es unbedingt lesen, weil ich dicke Bücher liebe. Wenn ich reingezogen werde, wäre ich traurig, wenn nach 200 Seiten Schluss wäre. Wenn ich nicht reingezogen werde, fällt es mir bei einem dicken Buch leichter, mit dem Lesen aufzuhören. Bei einem dünnen würde ich mich wahrscheinlich durchbeißen. Meine eigenen Bücher sind im Arbeitswintergarten. Ich habe es nicht so mit Reliquien und hänge auch keine Bilder von mir auf. Ich sehe mich ohnehin im Spiegel.
Autorin Eva Rossmann, 55, wurde mit der Krimi-Reihe rund um Hobbydetektivin Mira Valensky bekannt und hat 18 Bücher geschrieben. Im August erscheint außerhalb der Valensky-Reihe ihr neuer Roman „Patrioten“. Zeitaktuelles Thema: Angst und Verhetzung in Europa.
CLEMENS BERGER: "IM BETT SCHAUE ICH MIR NUR COMICS AN"
Ich lese nie im Bett, weil Lesen bei mir Arbeit ist und ich oft zu müde bin. Dann schau ich noch auf meine Bücherwand, von wo manchmal ein kleiner Vorwurf kommt und ein Buch schreit: „Ich wollte aber auch schon lange gelesen werden.“ Als Nachtkästchen dient mir ein kleines Tischchen, das ich aufgeräumt habe, bevor ihr gekommen seid. Im Moment liegt nur der „New Yorker“ drauf, den ich abonniert habe. Ich liebe das Magazin, weil es Reportagen enthält, die es in der Länge in Österreich und auch Deutschland kaum gibt. Im Bett schaue ich mir nur die Comics an, die wahnsinnig witzig sind. Mein Leseplatz ist in einer Ecke im Wohnzimmer. Dort blättere ich gerne in „Die Erzählung und das Feuer“ von Giorgio Agamben, meinem Lieblingsphilosophen, der kurze, schöne und immer funkelnde Essays geschrieben hat. Nach dem Zuschlagen fühle ich mich immer ein Stückchen klüger. Hans Mayers „Briefe: 1948-1963“ sind auch sehr spannend. Er war Literaturwissenschaftler, Jude, schwul und Marxist. Ein interessantes Leben, das zu dieser Zeit kein Jackpot war.
In seinem Schlafzimmer liest Clemens Berger, 38, nicht. Dafür hat der Autor in seinem jüngsten Buch „Im Jahr des Panda“ eine Bettszene geschrieben. Der After-Sex-Talk eines Pärchens, dessen Job es ist, nachts Geldautomaten zu befüllen: „Wann hast du zum ersten Mal daran gedacht?“ „Beim ersten Mal.“
ANDREAS GRUBER: "ICH LESE IMMER VOR DEM SCHLAFENGEHEN"
Auf meinem Nachtkästchen liegen Science-Fiction-Romane, Thriller und Krimis. Ich lese immer vor dem Schlafengehen und freue mich im Moment jeden Abend auf mein Buch von Charlotte Link. Ich habe früher geglaubt, dass sie, ähnlich wie Rosamunde Pilcher, Liebesgeschichten schreibt – bis ich „Das Haus der Schwestern“ gelesen habe und von der Spannung der Geschichte begeistert war. In „Die letzte Spur“ macht sich eine Journalistin auf der Suche nach einer verschwundenen Frau und rekonstruiert deren letzte Tage. Die Druckfahnen meines neuen Buches, das im August erscheint, gehören derzeit auch zur Dauerlektüre. Jetzt geht es nur noch darum, Tippfehler zu finden und Schönheitskorrekturen zu machen. Insgesamt lese ich ein Buch bis zur Fertigstellung zehn Mal. Da bin ich froh, dass ich es, wenn ich das erste Exemplar in Händen halte, nur noch ins Bücherregal stellen muss. Das dritte Buch, das ich lese, ist „101 Habits of Highly Successful Novelists“. Schriftsteller erzählen, wie sie ihren Alltag gestalten. Früher habe ich fast nur Sachbücher übers Schreiben gelesen. Jetzt interessiert mich mehr, wie sich andere Schriftsteller motivieren. Ich glaube dass wir alle dasselbe Problem haben und irgendwann vor einem leeren Blatt Papier sitzen.“ Charlie, eine unserer fünf Katzen, darf eigentlich nicht ins Schlafzimmer. Das würde mich beim Lesen auch stören, weil Charlie eifersüchtig ist und sich ständig zwischen Gesicht und Buch drängt.
Der Niederösterreicher Andreas Gruber, 48, ist als Autor von Thrillern und Krimis bekannt. Im August erscheint sein neuer Krimi „Todesreigen“, rund um den Profiler Maarten S. Sneijder. Auf seinem Nachtkästchen liegen die Druckfahnen zur Korrektur.
ALFRED KOMAREK: "FÜR MEINE ABENDRUHE HABE ICH EINEN PLATZ MIT HOHEM SESSEL"
Natürlich hätten Sie Ihre Fotos auch in meinem Schlafzimmer machen können, aber Sie haben ja selbst gesehen, es gibt nichts her. Ich habe auch kein Nachtkästchen, weil ich die zwei, drei Dinge, die ich brauche, auf den Bettrand stelle. Für meine Abendruhe habe ich einen eigenen Platz mit hohem Sessel, wo mein richtiges Nachtkästchen mit Lektüre steht. Jeden Abend um 22 Uhr geht automatisch das Licht meiner Stehlampe an, und ich weiß: Ich darf nach getaner Arbeit, jetzt ein bisschen lesen. Meine Favoriten liegen derzeit auf dem Boden.
Sehr gerne lese ich in Robert Byrons „Europa: 1925“. Der Nachfahre des berühmten Lord Byron hat 1925 mit seinen versnobten Freunden und einem sehr teuren Sportwagen eine sehr versnobte Luxusreise durch Europa gemacht. Die vier Reisenden waren aber nicht nur Snobs, sondern auch hochintelligent und haben mit scharfem Blick dieses Europa zwischen langsam sterbender, alter Kultur und neuen, bedenklichen Entwicklungen beobachtet und pointiert beschrieben. Das Ganze ist auf eine sehr kultivierte und spannende Art langweilig. Es passiert nämlich nichts. Aber man lernt, durch viele andere Augen zu schauen.
Das zweite Buch heißt „Ohne Plan durch Kirgisistan“ von Markus Huth. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes mittleren Alters, dem die Frau davongelaufen ist, dessen Arbeitgeber in Konkurs gegangen ist und dessen Freund zu ihm sagt: „Ich fahre nach Kirgisistan. Fährst du mit?“ Auf die Frage, was der Freund dort machen wolle, antwortet der: „Ich weiß es nicht.“ Mit diesem Gepäck treten die zwei ihre Reise an.
Das Buch, das ich noch empfehlen möchte, ist „Stadtschrift“ von Bodo Hell. Er ist einer der ganz spannenden Schriftsteller in Österreich, weil er gleichzeitig ein exzellenter Musiker ist und in seiner Sprache viel Sprachrhythmus und Melodien stecken. In seinem Buch geht es um aussterbende Schriften in der Stadt und was Schrift, Stadt und der Wandel der Zeiten miteinander zu tun haben könnten. Ich habe auch sehr alte Bücher hier liegen. Ein Schulbuch aus dem 19. Jahrhundert, in dem die gesamte Schulbildung Platz hatte. Die Verteilung der Information war kurios. Man weiß nach der Lektüre, wie sich die Fidschi-Insulaner frisieren, aber man hat zum Beispiel keine Ahnung von der Wissenschaft. Ich finde, die Abbildung der Wirklichkeit zu unterschiedlichen Zeiten spannend.
Alfred Komarek ist Autor von rund 70 Büchern und der „Vater“ des Krimihelden Simon Polt, dessen Abenteuer vom ORF verfilmt wurden.