Lesestoff/lesestoff 3ff

Studentenleben als Armutszeugnis? Die teure Suche nach einem Dach über dem Kopf

In einer Welt, in der hektische Metropolen und pulsierende Universitätsstädte oft im Rampenlicht stehen, gerät eine Art des Studierens in den Hintergrund. Jasmin Metschitzer, 20, ist Studentin für Produktmarketing und Projektmanagement an der FH Wiener Neustadt, Campus Wieselburg und schildert ihre Erfahrung. Von Wien kam sie ohne große Erwartungen in die 4.500-Seelen-Gemeinde. “Die drei Jahre wollte ich einfach durchziehen, mich auf das Studium konzentrieren. Aber dann habe ich die Menschen hier kennengelernt.”

In Wieselburg, dem Inbegriff einer österreichischen Kleinstadt, sieht das typische Studentenleben ganz anders aus. Fast ein wenig fehl am Platz wirkt der moderne Neubau des Campus, getarnt mit von Efeu überwachsenen Holzfassaden, aus welchen raumhohe Glasfenster blitzen. Verlässt man das Gelände der Hochschule, findet man sich zwischen Altbauhäusern im ländlich-urigen Stil einer Kleingemeinde wieder. Der Hotspot ist am Hautplatz zu finden, mit traditionellen Gaststädten in dritter, vierter Generation.

Jasmin selbst stört die Abhängigkeit von Autos und der Mangel an Freizeitmöglichkeiten. Fernab des Großstadttrubels entsteht dafür eine besondere Zusammengehörigkeit, sagt sie: “Mindestens zweimal die Woche gibt es eine Party im Studentenwohnheim. Sonst hat man ja nicht viel in Wieselburg. Da muss man hier kreativ werden.” Die Vorteile eines solchen kommunenartigen Lebensstils werden schnell deutlich.

Alle Inhalte anzeigen

Dass sich die Mietpreise in Zeiten der Teuerung kaum geändert haben, haben die Studentinnen und Studenten in Wieselburg dem familiären Verhältnis und der kleinstädtischen Lage zu verdanken. Die Mietpreisschraube wurde nicht stark angezogen. Die großräumigen Wohngemeinschaften im Studentenwohnheim bleiben leistbar und keiner der Studierenden musste bisher aufgrund der Teuerung Abstriche machen. “Das Studentenleben in der Großstadt kann viele Vorteile bringen, die Mietpreissituation in Wieselburg möchte ich trotzdem nicht missen”, meint Jasmin, die für ihre 70 m2 WG-Studentenwohnung knapp 300 Euro begleicht.

Teuer, teurer, Studierendenunterkunft

Laut einer Onlineumfrage der Studierenden-App “Studo” leben andere Studierende nicht so kostengünstig wie Jasmin. Studierende in Österreich zahlen nämlich im Schnitt 457 Euro pro Monat an Wohnkosten für ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft. Eine kleine Single-Wohnung mit bis zu 40 Quadratmeter kostet sie in etwa 680 Euro. Was einmal eine günstigere Alternative war, liegt preislich derzeit im Mittelfeld: Ein Platz im Studierendenwohnheim kostet in der Hauptstadt durchschnittlich 580 Euro. Von den 1.450 Befragten überlegt ein Viertel der Studierenden, in eine kleinere Wohnung, günstigere WG oder zurück zu den Eltern zu ziehen.

Alle Inhalte anzeigen

Im Jahr 2020 errechnete Statistik Austria 615 Euro als durchschnittliches Budget eines Vollzeitstudierenden. Während es 2022 knapp 680 Euro sind, deckt das gerade einmal die durchschnittlichen Mietkosten einer Einzimmerwohnung. Für Lebensmittel, Öffis, Studienbeitrag und weitere Ausgaben wird es knapp.

Woher kommt das Geld für die Miete? Jasmin lacht: “Mit unseren Nebenjobs sind wir in ganz Wieselburg präsent. Die Supermärkte und Marketingfirmen sind voll mit Studierenden. Der Rest versucht mit Förderungen durchzukommen. Sie als einzige Einkommensquelle zu nutzen, ist für viele aber durch die Teuerungen immer schwieriger geworden.”

Alle Inhalte anzeigen

Finanz-Hacks: Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für Studierende

Das Finden und vor allem das Finanzieren einer passenden Wohnsituation ist eine zunehmende Herausforderung. Eine Möglichkeit, sich das Studium leisten zu können, ist es neben dem Gelegenheitsjob auch auf staatliche Unterstützungsleistungen zu setzen. Also mehrere finanzielle Einkommen zu nutzen. “Ich habe Spaß daran, in einem Start-up mitwirken zu können und so ein bisschen zu verdienen. Jedoch nur davon finanziell abhängig zu sein wäre mir zu riskant. Daher bin ich froh nebenbei auch Studienbeihilfe zu erhalten”, erzählt Jasmin. Am häufigsten werden Familien- und Studienbeihilfe beantragt. Und das nicht nur in Wieselburg. 

Weniger als Hälfte der Bezugsberechtigten stellt auch Antrag

Laut Arbeiterkammer beantragen 41 Prozent der bezugsberechtigten Studierenden in Österreich die Familienbeihilfe. Auch die Österreichische Hochschüler- und Hochschülerinnenschaft (ÖH) betont, dass der Antrag für Studienbeihilfe auch im Zweifel eingereicht werden soll: “Selbst, wenn Studierende nicht berechtigt sind, ist ein Antrag empfehlenswert. Es könnte sich ein Studienzuschuss ausgehen, also die Rückerstattung des Studienbeitrages, sofern diese gezahlt werden muss.”

Die Kriterien für den Anspruch einer Wohnbeihilfe sind pro Bundesland unterschiedlich, da die Wohnbeihilfe in Österreich Ländersache ist. Zur Berechnung der Zuschüsse werden unter anderem Daten zum Haushaltseinkommen, der Haushalts- und Wohnungsgröße herangezogen. Auch Wohngemeinschaften sind nicht unbedingt ausgeschlossen.

Stipendium zum Schreiben oder Selbsterhalt 

Um ein Stipendium zu erhalten, müssen Studierende nicht hochbegabt sein. Neben solchen Leistungsstipendien, die von einem überdurchschnittlich guten Studienerfolg abhängen, gibt es auch Stipendien für wissenschaftliche Arbeiten, den hektischen Studienabschluss oder zum Selbsterhalt. Auch wer zum Studieren das Land verlässt, hat Anspruch auf Finanzspritzen. Jede Hochschule hat für sowohl Leistungs- als auch Förderstipendien ein Budget zur Verfügung und ist somit erster Ansprechpartner.  Details sind im Kasten zu finden.

Alle Inhalte anzeigen

Jasmin kann ihr Glück des günstigen Wohnens nicht mit allen Studierenden Österreichs teilen. Was passiert, wenn die Miete tatsächlich unleistbar wird? Oft liegt es an fehlender Information oder aber der Vermieter oder die Vermietern lässt mit sich reden. Auch Beihilfen können das Schlimmste verhindern. Was sollten Betroffene also sofort tun? Mehr dazu in unserem Radiobeitrag: 

Alle Inhalte anzeigen

Studentische Interessensvertretung stellt Forderungen an Bundespolitik

Immer noch unzufrieden ist die Österreichische Hochschüler- und Hochschülerinnenschaft (ÖH) mit den im Jänner valorisierten Teuerungsanpassungen der Beihilfen. Sarah Rossman, Spitzenkandidatin der Grünen & alternative Student*innen (GRAS): “Das System hatte ursprünglich im Sinn, dass Studierende nicht arbeiten müssen. Das geht sich heute nicht mehr aus. Es muss eine soziale Infrastruktur geschaffen werden, in der beispielsweise First Generation Students (aus Nicht-Akademikerfamilien, Anm.) nicht benachteiligt werden, weil sie keine hohe Unterstützung ihrer Eltern bekommen.”

Die neun Fraktionen fordern daher weitere Maßnahmen.  Der Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs (VSStÖ) wird mit einer Erhöhung der Studienbeihilfe an die Mindestsicherung mit bis zu 1.400 Euro laut. Die Zuverdienstgrenzen der Beihilfezahlungen sollen verlängert und die Altersgrenze auf 27 Jahren angehoben werden. Die AktionsGemeinschaft (AG) sieht eine Zuverdienstgrenze mit 20.000 Euro als dringend nötig.

Ausbau günstiger Studi-Wohnungen gefordert 

Erwähnt werden auch Wohn- und Kautionsfonds als Lösungswege mit Potential. Dabei sollen Studierende einen Teil der Mietkosten oder die Kaution erstattet bekommen. Ein langfristiges Ziel sehen die Jungen liberalen Studierenden (JUNOS) im Schaffen von mehr studentischen Wohnräumen. Auf eine günstige Bauweise ohne Luxusausstattung wie Sauna, Fitnessraum oder Partykeller soll geachtet werden. 

Eine bundesweite Abschaffung des Studienbeitrags sehen alle Fraktionen als notwendige finanzielle Erleichterung.

Alle Inhalte anzeigen

Der Traum vom Eigenheim: Machbar oder Fantasie?

Womöglich sollten Studierende auch gleich an die Zukunft und an die Finanzierung eines Eigenheims denken. Finanzexperte Roland Aufderklamm hat in jungen Jahren an seiner eigenen Strategie gefeilt und erzählt von Anlegerwohnungen aus früheren Zeiten. Wie er die brennende Frage „Mieten oder Kaufen?“ zur aktuellen Situation strategisch angehen würde, erklärt er ausführlich im Podcast “Wie wir wohnen” in der Folge „Der Traum vom Eigenheim – Realität oder doch nur Illusion?“. Ein einfaches Ja oder Nein gibt es in dieser komplexen Frage nicht. Zu beachten sind aber einige Dinge, die in der Theorie womöglich komplizierter erscheinen, als sie eigentlich sind: 

Alle Inhalte anzeigen

Finanztipps hin, Finanztipps her, für Jasmin stellt sich die Frage nach einer eigenen Wohnung derzeit nicht. Jetzt liegt der Fokus erst einmal auf "Fertigstudieren". Zwei Semester hat sie noch vor sich, die sie jedenfalls in Wieselburg verbringen will. Wohin es sie dann verschlägt? Am Ende vielleicht doch noch in die teure Großstadt.

Was passieren kann, wenn das Geld knapp wird: die lustigsten #brokestudentstories aus unserem Studi-Kreis


Manuela, 21, Wirtschaftsstudentin: 
Ich bin für mein Studium von Linz nach Wien gezogen. Das Studentenwohnheim war vorerst meine einzige Option. Mir wurde gesagt, dass ich mir Küche, Bad und Toilette mit einer anderen Mitbewohnerin teilen werden. Mit voller Vorfreude kam ich am ersten Tag mit meinem ganzen Gepäck dort an, bis ich plötzlich Männerschuhe in Größe 46 in unserem Eingang stehen sah. Fazit der Geschichte - ich hatte nicht nur eine Mitbewohnerin: Ihr Bruder wohnte heimlich auch hier, um Kosten zu sparen. Und er sah nicht gerade schlecht aus!

Laura, 20, Marketingstudentin:
Ich war auf der Suche nach einer Einkommensquelle, die ziemlich schnell und unverbindlich Geld bringt. Eine Freundin machte mir den Vorschlag, mich auf einer Website für Fußfetischist*innen anzumelden. Ich habe mich ein wenig durch die Angebote und Anzeigen geswiped, steige jetzt aber trotzdem lieber auf den „Basic Studentenjob“ als Kellnerin um. 

Fiona, 23, Pädagogikstudentin: 
Ich hatte mal ein Date mit einem Typen, den ich an der Uni kennengelernt habe. Er führte mich auf ein Date im 1. Bezirk aus, wir hatten ein „fancy dinner“ und er machte auf mich den Eindruck, sehr wohlhabend zu sein. Leider war das auch der einzige Aspekt, mit dem er überzeugen konnte. Als ich äußerte, dass ich langsam nach Hause gehen werde, meinte er: „Ja klar, mein Auto steht eh in U-Bahn-Nähe.“ Dort angekommen, zog er plötzlich einen Autoschlüssel aus der Tasche und lehnte sich gegen einen brandneuen Porsche. Ich fragte ihn leicht beeindruckt: „Wow, das ist dein Auto?“ Cool, lässig und mit einem verschmitzten Lächeln meinte er zu mir: „Ja klar“. In diesem Moment kam der wahre Besitzer des Autos mit einem verwirrten Blick auf dem Gesicht. „Wieso lehnen Sie an fremden Autos? Ich würde gerne wegfahren.“

Emre, 24, Psychologiestudent: 
Ein paar Studienkolleginnen und ich wollten eine Gruppenarbeit im Student*innenraum erledigen. Mit mir im Gepäck: Ein kleiner SBudget Schoko-Muffin. Dass dieser Schoko-Muffin mir an diesem Tag noch alle meine Nerven kosten würde, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Ich kam auf die grandiose Idee, den Schoko-Muffin in die Mikrowelle zu legen, um ihn ein wenig zu wärmen. 5 Minuten später: Eine rauchende Mikrowelle, schreiende Student*innen und ein Feueralarm, der die ganze Einrichtung dazu zwang, evakuiert zu werden. Als ich mir dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen kann, raste auch schon die Feuerwehr mit einer Sirene und Blaulicht um die Ecke und 15 Mann sprangen mit Schutzanzügen aus dem Wagen. Dieses Ereignis brachte eine schlaflose Nacht mit sich, in der ich mir nur mehr Gedanken darum machte, wie ich diesen Einsatz mit meinen hundert Euro auf dem Konto finanzieren soll…