Leben/Gesellschaft

Wie Forscher einen Asteroideneinschlag verhindern wollen

Der 2013 nahe dem russischen Tscheljabinsk explodierte Meteorit hat gezeigt, welche Gefahren im All lauern. Am Sitz der Vereinten Nationen (UN) in Wien befassen sich noch bis Mitte der Woche Experten mit erdnahen Asteroiden und deren Abwehr. So kosmisch die Bedrohung ist, so irdisch seien oft die zu klärenden Fragen, so Rudolf Albrecht, Mitglied der UN-Aktionsgruppe "Erdnahe Objekte", zur APA.

"Durch das All rasen mindestens 3.000 Objekte, die der Erde so nahe kommen, dass sie einschlagen könnten, und wir wissen von mindestens 1.000 Objekten, dass wir sie im Auge behalten müssen", erklärte Albrecht den aktuellen Wissensstand. Neue Programme zur Erfassung erdnaher Objekte (Englisch: Near Earth Objects - NEO) wie etwa das auch von der EU mitfinanzierte Projekt "NEOShield" "werden voraussichtlich in den nächsten fünf Jahren Hunderttausende Objekte entdecken. Denn wir wollen bei der Erfassung möglichst bis zu einer Körpergröße von einem halben Meter hinunter gehen". Bei dieser Größe gehe dann nur noch wenig Gefahr für die Erdoberfläche aus. Der Tscheljabinsk-Meteorit, der "aus der Sonne kam und daher auch nicht beobachtet werden konnte", habe jedoch gezeigt, dass es keine völlige Sicherheit gebe.

Wien spielt zentrale Rolle

Die Einschläge des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf dem Jupiter im Sommer 1994 waren einer der Auslöser dafür, dass das Thema seither stärker in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, so der Astrophysiker und langjährige hochrangige Mitarbeiter der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA). Das UN-Büro für Weltraum-Angelegenheiten mit Sitz in Wien spiele hier eine wichtige Rolle - auch wenn das laut Albrecht in Österreich kaum jemand zur Kenntnis nehme. Angesiedelt sind die Initiativen im Komitee zur friedlichen Nutzung des Weltraums (UN COPUOS), dessen wissenschaftlich-technischer Unterausschuss noch bis Mittwoch in der UNO-City tagt.

"Tscheljabinsk hat uns sehr geholfen", so Albrecht. Von offizieller Seite sei daraufhin reagiert worden, das Thema habe Fahrt aufgenommen. Eine Aktionsgruppe arbeitet nun an einem Plan, in dem Vorschläge der großen Raumfahrtorganisationen auf einen Nenner gebracht werden sollen.

Problematisch sind vor allem die vielen denkbaren Szenarien: "Ein kleiner Körper - sehr schnell, sehr nahe - schlägt übermorgen, in einer Woche oder in zwei Monaten in New York ein. Was machen wir?", umreißt Albrecht eine Variantengruppe. Auf der anderen Seite könne es sich um ein großes Objekt handeln, das aber noch weit entfernt ist und dementsprechend früher entdeckt wird. Ein großer Körper sei natürlich immer potenziell sehr gefährlich, aber hier könne man "noch ein technisches Programm auf die Beine stellen", so der wissenschaftliche Berater des Österreichischen Weltraumforums (ÖWF).

Keine Atombombe

Im Hollywood-Film "Armageddon" schießt Bruce Willis "so ein Ding natürlich mit einer Atombombe ab. Das wäre aber eher nicht anzuraten, denn dann haben wir nicht einen Körper, sondern viele kleine Schrotkugeln", gibt Albrecht zu bedenken. Man denke aktuell eher daran, auf einem Asteroiden ein Raketentriebwerk oder einen Ionenantrieb zu installieren, um die Flugbahn entscheidend zu verändern. Schon "ein kleiner Schubs in Marsentfernung" könne viel bewirken. Hier gebe es laut Albrecht viele Ideen, die alle analysiert werden müssen. Gerade auf der Analyse-Ebene könnten auch kleine Länder wie Österreich signifikante Beiträge leisten. Dass für die Weltraumagenden hierzulande aber drei Ministerien zuständig sind, sei oft nicht unbedingt hilfreich.

Studien geplant

Nun gehe es vor allem um den Arbeitsplan, so Albrecht. Darin enthalten sind neben einheitlichen Klassifizierungsrichtlinien von Bedrohungen auch die Analyse von Szenarien und möglicher Gegenmaßnahmen sowie die Missions-Planung. Ein wichtiger Punkt ist auch eine Studie darüber, ob und unter welchen Umständen Nuklearwaffen eingesetzt werden sollten. Auch die politisch-völkerrechtlichen Verantwortungen, wenn bei Gegenmaßnahmen etwas schiefgeht, werden thematisiert. Ein weiterer Punkt sind Kommunikationsstrategien: Hier müsse man etwa genau darauf achten, wer wann welche Information bekommt, um Panik und Überlastung von Kommunikationskanälen zu vermeiden.

Technologien, die für etwaige Abwehrmaßnahmen eingesetzt werden könnten, seien schon relativ weit fortgeschritten. Bei einer akuten Bedrohung gehe es aber vor allem um Geschwindigkeit. "Die Gefahr liegt eher darin, dass der Entscheidungsfindungsprozess so lange dauert, dass es dann eh schon egal ist", so Albrecht. Dazu komme, dass die verfügbaren Technologien verschiedener Weltraumagenturen nicht einfach "zusammengeschraubt" werden können.