Was ältere Menschen am meisten bereuen
Karl Pillemer, Professor an der New Yorker Cornell University, hat im Zuge seines "Legacy Projects" hunderte ältere US-Amerikaner gefragt, welchen Aspekt ihres bisherigen Lebens sie am meisten bereuen. Der Gerontologe und Buchautor (unter anderem: "30 Lessons for Living: Tried and True Advice from the Wisest Americans") hat auf einem Q&A-Blog eine zentrale Erkenntnis aus seiner Befragung veröffentlicht. Das berichtet unter anderem der Independent. Pillemer schreibt auf der Plattform Quora, dass die Antwort, die er am häufigsten erhielt, der Satz: "Ich wünschte, ich hätte nicht so viel Zeit damit verbracht, mir Sorgen zu machen" gewesen sei.
Zu der Befragung inspiriert hatte Pillemer ein Treffen mit einer 90 Jahre alten Dame in einem Pflegeheim. Vor einigen Jahren sprach er dort mit June Driscoll. Sie erzählte ihm, dass "es ihre Aufgabe sei, so glücklich wie möglich zu sein, genau hier, genau heute." Dieser Satz habe ihn dazu motiviert, herauszufinden, wie eine Generation, die Leid, Krankheit und tragische geschichtliche Ereignisse erlebt hat, derart glücklich sein kann.
2004 rief er daher das "Legacy Project" (zu Deutsch: "Vermächtnis Projekt") ins Leben und befragte über 1.500 Amerikaner über 65 Jahren über die wichtigsten Lehren, die sie im Laufe ihres Lebens aus Erfahrungen gezogen hätten. Veröffentlicht hat er seine Erkenntnisse in seinen Büchern "30 Lessons for Living: Tried and True Advice from the Wisest Americans" (2012) und "30 Lessons for Loving: Advice from the Wisest Americans on Love, Relationships, and Marriage" (2015).
Retrospektiv ist Zeit für den überwiegenden Großteil der Menschen die wertvollste Ressource. Sich Sorgen über bestimmte Dinge, Situationen oder mögliche Ereignisse zu machen, sei daher eine Zeitverschwendung, die nicht verantwortbar sei. "Forschern zufolge ist die Haupteigenschaft des Sorgens jene, dass es dann auftritt, wenn eigentlich keine Stressfaktoren da sind. Das heißt, wir sorgen uns, wenn es eigentlich nichts gibt, worüber wir uns Sorgen machen müssen", so Pillemer auf Quora. Diese Art des Sorgens unterscheide sich wesentlich von lösungsorientiertem Denken und Handeln, denn es führt in der Regel ins Leere. Um sich unnützer Sorgen zu entledigen, empfiehlt er sich mehr Zeit zum Problemlösen und weniger Zeit zum Sorgen zu nehmen.
Konkrete Strategien dafür illustriert er in seinem Buch "30 Lessons for Living: Tried and True Advice from the Wisest Americans" anhand von Zitaten seiner Befragten. Zum Thema Sorgen hatten drei Personen Ratschläge parat:
1. Konzentriere dich auf Kurzzeitiges, nicht auf etwas in der fernen Zukunft
"Ich glaube, wenn man sich viel sorgt, muss man einfach aufhören und zu sich sagen 'Das wird auch vorüber gehen.' Man kann nicht einfach weitermachen, weil es einen selbst und sein Leben zerstört. Wenn es trotzdem mal passiert, dann muss man sich zwingen aufzuhören und sich denken 'Es tut mir nicht gut.' Man muss es so gut wie möglich aus dem Kopf bekommen. Man muss von Tag zu Tag denken. Es ist zwar eine gute Idee voraus zu planen, aber das kann man nicht immer tun, weil Dinge nicht immer so laufen, wie man es sich erhofft. Also ist das Wichtigste, dass man von Tag zu Tag denkt." - Eleanor Madison, 102 Jahre alt.
2. Statt sich Sorgen zu machen, sollte man sich vorbereiten
"Wenn man Angst vor etwas hat, muss man herausfinden, was genau das ist. Man muss zumindest verstehen, warum. Man muss es identifizieren. 'Ich fürchte mich vor XY.' Manchmal hat man vielleicht einen guten Grund. Das ist dann eine legitime Angst. Man kann dem dann vorbeugen, anstatt sich deswegen zu sorgen." - Joshua Bateman, 74 Jahre alt.
3. Arbeite an deiner Akzeptanz
"Es geistern einem immer so viele Dinge im Kopf herum. Zum Beispiel, dass einem jemand wehtun könnte. Schiebt diesen Gedanken beiseite. Ich habe damit angefangen und es ist für mich das Wundervollste, weil jeder diese lieblosen Gedanken hat. Man kann aber etwas dagegen tun. Manche Menschen sind belastend und das wird auch immer so sein. Wenn jemand damit anfängt, dann muss man die schlechten Gedanken einfach gehen lassen, noch bevor man etwas sagt." - Schwester Clare, 99 Jahre alt.