Warum sich diese 25-Jährige Eizellen einfrieren lassen hat
Klara Frey (Name von der Redaktion geändert) ist eine Frau, die nichts dem Zufall überlässt. Zum Beispiel ihre perfekt gepflegten Nägel, für deren Maniküre sie immer weit im Voraus einen Termin in den Kalender auf ihrem Handy einträgt. Ein Blick darauf zeigt, dass das Leben der 25-jährigen Wienerin auch sonst komplett durchorganisiert ist. Termin für Termin reiht sich nach einem Farbsystem strukturiert penibel aneinander. Aber nicht alles im Leben liegt alleine in ihren Händen; Kinder, Karriere und Partnerschaften sind weniger leicht zu planen. Und immerhin gehört Frey – wie sie selbst sagt – jener Generation an, die gemeinhin als beziehungsunfähig bezeichnet wird. "Ich kann mich damit zwar selbst nicht identifizieren, bei den Männern, die ich date, habe ich aber schon hin und wieder das Gefühl, dass das zutrifft", sagt Frey, die gerade ihr Masterstudium abschließt.
In puncto Kinderwunsch will sie das Möglichste tun, dass dieser in Erfüllung geht. Darum hat sie sich kurz vor ihrem 25. Geburtstag in einer tschechischen Klinik Eizellen entnehmen und einfrieren lassen. Im ersten Schritt stellte die junge Frau Anfang des Jahres in einer Facebook-Gruppe für Frauen die Frage, ob bereits jemand Erfahrung mit einer Kryokonservierung, wie der medizinische Fachbegriff für die Entnahme und Einfrierung von Eizellen heißt, hat. Tatsächlich antwortete ihr eine Frau, die ihr dafür eine Klinik in Tschechien empfahl. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste Frey nicht, dass der Eingriff in Österreich nicht erlaubt ist. Zwar ist das Empfangen einer Eizellenspende seit der Novellierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes im Jahr 2015 für Frauen bis 45 möglich, die Spenderin bekommt jedoch nur eine Aufwandsentschädigung. Außerdem muss sie zum Zeitpunkt der Spende unter 30 sein.
Strikte Gesetzgebung
Darum ist es laut Georg Freude, Gründer und Ärztlicher Leiter des Kinderwunschzentrums Gynandron in Wien und Präsident der Österreichischen IVF (In-vitro-Fertilisation)-Gesellschaft, schwierig, Spenderinnen zu finden. Sich selbst ein Depot an Eizellen anzulegen und diese später quasi an sich selbst zu spenden, ist in Österreich weiterhin verboten. Freude findet das "widersinnig": "Ich weiß nicht, warum sich der Staat hier in die Vorsorge einmischt und die Leute bevormundet". Für ihn hinken Politik und Gesetzgebung bei diesem Thema der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Denn es zeichnet sich seit Jahren ab, dass Frauen immer später Kinder bekommen. "Es wäre also nur logisch, Eizellen in jungen Jahren einfrieren lassen zu können", sagt Freude.
Eine Ausnahme gilt in Österreich für Frauen, die eine Strahlen- oder Chemotherapie durchführen lassen oder bei denen ein anderes Risiko besteht, unfruchtbar zu werden. Sie können ihre Eizellen einfrieren lassen. Weil das bei Frey nicht der Fall ist, musste sie eine Klinik im Ausland suchen und für die gesamten Kosten aufkommen. Für den vollständigen Behandlungszyklus betrugen diese 3472,92 Euro, für die Studentin eine hohe Summe. "Ich habe meine gesamten Ersparnisse dafür verwendet", sagt Frey.
In den vergangenen Jahren war in den Medien von der Prozedur immer wieder unter dem Stichwort "Social Egg Freezing" zu lesen. Unternehmen wie Apple oder Facebook kündigten an, ihren Mitarbeiterinnen den Eingriff zu finanzieren, damit sie sich zuerst auf ihre Karriere fokussieren und ihren Kinderwunsch auf später verschieben können. Tatsächlich bekommen auch Frauen in Österreich immer später Kinder. Laut Statistik Austria lag das durchschnittliche Gebäralter 1984 noch bei 26,1 Jahren, heute liegt es bei 30,7. Ab einem Alter von 35 nimmt die Qualität der Eizellen und damit die Fruchtbarkeit von Frauen rapide ab. Ein gesellschaftliches Phänomen, mit dem man sich viel stärker auseinandersetzen sollte, findet Univ.-Prof. Markus Hengstschläger, stellvertretender Vorsitzender der Bioethikkommission. "Frauen sollten diesbezüglich viel ehrlicher beraten werden, viele sind verblüfft, wenn sie im fortgeschrittenen Alter erfahren, wie es um ihre Fruchtbarkeit steht." Beim "Social Egg Freezing" sieht er einerseits die Gefahr, dass Frauen unter Druck gesetzt werden, den Kinderwunsch an den beruflichen Werdegang anzupassen, andererseits würden die biologischen Gründe aber für das Prozedere sprechen. "Ich finde, dass hier die biologischen Argumente gegenüber den ethischen überwiegen", meint Hengstschläger, der gleichzeitig den "Patiententourismus" für derartige Eingriffe kritisiert. Er sieht darin eine Forcierung der Zweiklassenmedizin.
Weitreichende Folgen
Hengstschläger gibt aber auch zu bedenken, dass derartige Techniken zu einer Reproduktionsmedizin ohne medizinische Indikation führen könnten – ein Weg, der in Österreich bislang noch nicht beschritten wurde. Denn bislang können nur jene Paare eine künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen, die auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können. Wenn die Gesetze hier liberaler würden, käme es laut Hengstschläger dazu, dass derartige Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit durchgeführt werden.
Frey möchte jedenfalls mit dem ersten Kind nicht länger als bis zu ihrem dreißigsten Lebensjahr warten. Wenn der Partner dann fehlt, könnte sie sich außerhalb von Österreich künstlich befruchten lassen. Junge Tiefkühleizellen haben aber den Vorteil, dass die Chancen auf ein gesundes Kind durch ihre hohe Qualität besonders gut stehen. Für Frey, die sich nicht darauf verlassen möchte, dass sie in naher Zukunft einen Mann kennenlernt, mit dem sie sich Kinder vorstellen kann, ein wesentlicher Faktor. Bei dem Eingriff herausgekommen sind 15 gesunde, gefrierbare Eizellen, die nun bis zu zwanzig Jahre in Tschechien gelagert und auf Wunsch befruchtet werden können. Die Bedingung dafür ist, dass sich Frey in einer heterosexuellen Partnerschaft befindet, denn so sieht es die Rechtslage in Tschechien vor. Das heißt, sie muss mit einem Mann in die Klinik gehen, der mit seiner Unterschrift garantiert, ihr Partner zu sein. Wenn sich dieser als unfruchtbar ausgibt oder tatsächlich unfruchtbar ist, kann die Befruchtung mit gespendeten Spermatozoiden durchgeführt werden. Von der Klinik wird das nicht überprüft.
Obwohl die Entscheidung für viele Menschen in Freys Umfeld ungewöhnlich ist, gab es keine negativen Reaktionen. Nur ihre Mutter, die selbst in einer Kinderwunschklinik in Wien arbeitet, sei zunächst nicht wirklich von den Plänen ihrer Tochter begeistert gewesen. Sie wollte sie davon überzeugen, dass der Schritt nicht nötig sei und Frey in Zukunft auf natürlichem Weg ein Kind bekommen könne. "Ich habe sie dann einfach einen Tag vor dem Eingriff vor vollendete Tatsachen gestellt und ihr eine SMS geschrieben, dass es jetzt so weit ist", lacht Frey.
Eizellen als Plan B
Die Eizellen, die ihr unter Vollnarkose entnommen wurden, sieht sie als Plan B: "Die Hoffnung, dass es natürlich passiert, stirbt zuletzt." Ihr größter Wunsch ist es, eine Familie zu haben, zu der auf jeden Fall auch ein Vater gehören soll. Das ist ihr während der zweiwöchigen Hormonspritzentherapie, mit der vor der Entnahme die Reifung der Eizellen angeregt wurde, noch bewusster geworden. "Ich habe lauter Pickel bekommen und ausgesehen wie eine Pizza. Meine Laune war wirklich im Keller", sagt Frey. "Das alleine durchzumachen, war eine Herausforderung für mich. Und das ist noch nicht einmal annähernd so hart, wie Alleinerzieherin zu sein."
Vor Entnahme und Einfrieren von Eizellen muss sich die Frau einer sieben bis zwölf Tage dauernden Hormonspritzentherapie unterziehen, um die Reifung der Eizellen anzuregen. Falls weniger als zehn gesunde Eizellen gewonnen werden können, wird empfohlen, die Prozedur zu wiederholen. Die Eizellen werden in einem ambulanten Eingriff entnommen, in flüssigem Stickstoff schockgefrostet und in der Klinik gelagert.
ErfolgschancenFür eine geplante Schwangerschaft werden sie aufgetaut, künstlich befruchtet und in die Gebärmutter eingesetzt. Bei 15 entnommenen Eizellen überstehen rund acht bis zehn unbeschadet das Auftauen. Bei jüngeren Frauen wird meist nur eine befruchtete Eizelle eingesetzt, um eine Mehrlingsschwangerschaft auszuschließen. Die Geburtenrate pro aufgetauter Eizelle liegt bei rund zehn bis 15 Prozent.