Leben/Gesellschaft

Warum Frauen heute später Mutter werden

Kinder waren im Leben von Petra Dusek-Zambo lange Zeit kein Thema. Das änderte sich schlagartig, als sie sich 2011 von ihrem langjährigen Lebensgefährten trennte – der keine Kinder wollte – und sie wenige Monate später ihren heutigen Mann Gerhard kennenlernte.

Heute leben Petra und Gerhard gemeinsam mit ihren beiden Töchtern Paula und Rosa in einer freundlichen Wohnung im 16. Wiener Gemeindebezirk. Während die vier Jahre alte Paula am Vormittag im Kindergarten ist, hält die bald 17 Monate alte Rosa ihre Mama Zuhause auf Trab.

"Manchmal denke ich mir schon, dass das Spielen als jüngere Mama vielleicht ein bisschen weniger anstrengend gewesen wäre", sagt die derzeit karenzierte AHS-Lehrerin und lacht. Die 43-Jährige, die in einem Monat ihren 44. Geburtstag feiert, hat ihre Kinder im Alter von 40 und 42 Jahren bekommen. Damit gehört sie zu jenen Frauen, die gemeinhin als "späte Mütter" bezeichnet werden.

Datenlage

Mit ihrer Biografie ist Dusek-Zambo keine Ausnahme. Laut Statistik Austria verschiebt sich das Gebäralter von Frauen in Österreich immer weiter nach hinten. Während Frauen 1984 im Durchschnitt bei der Geburt ihres ersten Kindes 23,8 Jahre alt waren, stieg das Erstgebäralter bis zum Jahr 2016 auf 29,4 Jahre an.

Das Geburtenregister weist für jenes Jahr einen Anteil der Mütter mit einem Alter ab 40 mit 4,5 Prozent aus; 22,9 Prozent der Gebärenden waren 35 Jahre oder älter. Auch diese Werte sind in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen.

Eva-Maria Schmidt, Sozialwissenschaftlerin am Österreichischen Institut für Familienforschung an der Universität Wien, begründet diese Entwicklung mit einem gesellschaftlichen Wandel. Frauen würden heute verstärkt Unabhängigkeit und eine höhere Bildung anstreben. Längere Ausbildungszeiten, die vielfältigen Optionen im privaten und beruflichen Bereich und der Wunsch, sich vor einer Schwangerschaft im Beruf zu etablieren, würden dazu führen, dass das Kinderkriegen nach hinten verschoben wird.

Alle Inhalte anzeigen

Unbeständigkeit

Dazu kommt, dass Partnerschaften heute "nicht mehr so stabil und daher brüchiger" seien, erklärt Schmidt. Außerdem müsse der ideale Partner, mit dem man sich Kinder vorstellen kann, heute mehr Erwartungen erfüllen als früher.

Doch wer den Kinderwunsch immer weiter nach hinten verschiebt, verringert damit nicht nur die Chance auf mehrere Kinder, sondern riskiert, womöglich gar keine mehr bekommen zu können.

Denn mit zunehmendem Alter nimmt die Qualität der Eizellen und damit die Fruchtbarkeit stetig ab. Die Gefahr für Fehlbildungen und -geburten steigt, Geburtsverläufe und Geburt sind oftmals problematischer, erklärt Barbara Maier, Leiterin der Gynäkologie und Geburtshilfe im Wiener Wilhelminenspital, und wird noch deutlicher: "Für Frauen tickt unfairerweise die biologische Uhr."

Bedenken, die auch Dusek-Zambo durch den Kopf gingen. Denn sie erlitt zwei Fehlgeburten in der zehnten Schwangerschaftswoche. Sie begann zu zweifeln: "'Warum klappt es bei mir nicht?', habe ich mich damals oft gefragt", erzählt sie über die schwierige Zeit. Es war vor allem der schmerzhafte Verlust, der ihr und ihrem Mann zu schaffen machte und nicht unbedingt der unerfüllte Kinderwunsch. Denn das Paar hatte eigentlich von Anfang an geplant, ein Pflegekind aufzunehmen. Just als der Vorbereitungskurs dafür zu Ende war, erfuhr Dusek-Zambo, dass sie wieder schwanger ist. Vier Tage vor ihrem 40er kam schließlich Paula mit einem "Krachbumm" zur Welt. Zwei Jahre später folgte mit Rosa ein ungeplantes, aber höchst willkommenes Geschwisterchen.

Bewertung

Ganz gleich, in welchem Alter Frauen Kinder bekommen: Die Erwartungen an Mütter seien laut Schmidt im Allgemeinen umfassend und teilweise widersprüchlich. Sie müssten ihre Entscheidungen legitimieren und würden von ihrem Umfeld bewertet werden. Die gesellschaftliche Akzeptanz von späten Müttern sieht sie weitgehend als gegeben – "wobei als ideal etwas anderes gilt".

Dabei attestierte eine 2016 veröffentlichte Studie des Max-Planck-Instituts Nachzüglern durchaus Vorteile. Sie seien nicht nur weniger oft krank, sondern hätten auch bessere Bildungschancen. Die Forscher kamen zum Ergebnis, dass die biologischen Risiken einer späten Schwangerschaft von den Vorteilen eines späteren Geburtsjahres mehr als kompensiert werden.

Natürlich denkt auch Dusek-Zambo darüber nach, wie es sein wird, wenn sie 70 ist und ihre Töchter 30 und 28. An der Frage eines Kindes am Spielplatz und einer Frau in der U-Bahn, ob sie die Oma sei, hatte sie eine Zeit zu knabbern. Doch sie sieht die positiven Seiten ihrer späteren Mutterschaft. Neben der stärkeren materiellen Sicherheit, "habe ich nicht das Gefühl, etwas im Leben verpasst zu haben."

Frauen, lasst euch nicht nervös machen

Eine Lanze für späte Mütter brechen möchte Bettina Gordon-Wayne. Die gebürtige Österreicherin lebt seit 22 Jahren in Amerika und hat kürzlich das Buch The Joy of Later Motherhood (auf Deutsch: Die Freude späten Mutterglücks) veröffentlicht; bisher ausschließlich auf Englisch.

Alle Inhalte anzeigen

Druck auf Frauen

Sie selbst habe sich jahrelang nicht entscheiden können, ob sie ein Kind möchte, erzählt die heute 48-Jährige. Mit 43 wurde sie dann „beim ersten Versuch“ schwanger und brachte mit 44 Sohn Hunter auf die Welt. Für sie der optimale Zeitpunkt, denn sie sei heute eine "gestandene Frau", ihr Sohn für sie ein regelrechter "Jungbrunnen".

Problematisch findet Gordon-Wayne den Druck, der von unserer Gesellschaft auf kinderlose Frauen ab 35 ausgeübt wird. "Ihnen wird vermittelt, dass es allerhöchste Zeit ist, ein Kind zu bekommen, weil es sonst nicht mehr geht oder die Risiken zu groß sind." Der Fokus würde dabei immer auf der potenziellen Unfruchtbarkeit und dem, was schiefgehen könnte, liegen. Mit ihrem Buch, in dem Mütter zu Wort kommen, die über 40 ihr erstes Kind bekommen haben, will Gordon-Wayne Frauen dazu ermuntern, sich davon nicht nervös machen zu lassen.

Alle Inhalte anzeigen

Bettina Gordon-Wayne: The Joy of Later Motherhood – Your Natural Path to Healthy Babies Even in Your 40's
Morgan James Publishing. 248 Seiten. 15,69 Euro