Leben/Gesellschaft

Tough Guy Race: Wo die wilden Kerle rennen

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Das Wasser steht dem athletischen Mann bis zum Hals. Es ist eiskalt, nur knapp über dem Gefrierpunkt. Mühsam kämpft er gegen den Widerstand der trüben Brühe an, Schritt für Schritt. Schwimmen? Keine Chance, die Arme sind beinahe taub. Alle paar Meter muss er unter schweren Baumstämmen durchtauchen. Vier Mal, fünf Mal – es ist der letzte und sechste Baumstamm, an dem Michael der Mut verlässt. Die Hoffnung. Der Wille, durchzuhalten. Mehr als zwei Stunden hat er sich da bereits den Strapazen des "Tough Guy Race" ausgesetzt, des härtesten Sport-Events der Welt. Ist über Abgründen balanciert, durch Schlamm gewatet, unter Stacheldrahtverschlägen durchgerobbt und über Feuer gegangen, hat Autoreifen einen matschigen Hügel hochgezogen und sogar Stromschläge ertragen.

Die Angst besiegen

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"Man lernt seine eigenen Grenzen nicht nur kennen – man lernt, sie zu überwinden. Auch die psychischen", erzählt Michael P. später im Interview. Als er im Wasser ans Aufgeben dachte, hatte der sportlich elegante Marketing Manager seine größten Angstmomente eigentlich schon überwunden gehabt: "Wir mussten durch einen engen, stockfinsteren Tunnel kriechen. Etwa 35 Meter weit, den Ausgang konnte man aufgrund eines Knicks nicht sehen – vor diesem Hindernis fürchtete ich mich schon im Vorfeld", erklärt er. Man hört Geräusche aus anderen, parallelen Gängen, weiß nicht, was seine Hände als nächstes berühren werden und bekommt das Gefühl, dass die Dunkelheit nie mehr enden wird ...

"Dieses Rennen konfrontiert dich mit deinen persönliche Ängsten", erinnert sich der 36-Jährige, der im Feld der Teilnehmer eine absolute Ausnahme darstellte: Er hatte vor seinem ersten "Tough Guy Race" keinen einzigen Bewerb dieser Art bestritten. Auch keinen Triathlon oder zumindest Marathon. Wie kam er auf die Idee?

Ein Rennen wie kein anderes

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"Vor zehn Jahren hab ich einen Bericht darüber im Fernsehen gesehen. Die Idee eines derart schwierigen Rennens, einer solchen Herausforderung hat mich seitdem nie losgelassen. Vor zwei Jahren hab ich mir dann gesagt: Worauf wartest du eigentlich?" Freunde haben ihm geraten, davor ein paar kleinere, harmlosere Bewerbe zu bestreiten. "Aber das hätte mir das Erlebnis, die Einzigartigkeit verdorben. Wenn ich mir das antue, dann sollte es auch das Original sein, die Königsdisziplin." Also trainierte er beinahe ein Jahr für sich alleine, um sich im Jänner 2016 im englischen Wolverhampton schließlich auf sein größtes Abenteuer einzulassen.
Er hatte falsch trainiert – "zu viel Langstrecke, zu wenig Muskelaufbau in den Oberschenkeln" – wie er bald feststellen musste, bekam Krämpfe und in manchen Situationen beinahe Panik. Aber am Ende war er einer der glorreichen 30 Prozent der Teilnehmer, die den Parcours bewältigten. Nicht nur das, er wurde bei seinem Debüt großartiger 219. von 6.200. "Im Wasser dachte ich, es geht nicht mehr weiter. Die Kälte lähmt alles, sogar die Gedanken. Ich hatte tatsächlich Angst zu ertrinken – und hab dann doch nicht aufgegeben. An die ersten Meter an Land kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern. Aber dann wusste ich: Mich kann nichts mehr aufhalten. Ein Bewusstsein, das mich seitdem auch privat und beruflich beflügelt", sagt Michael.

Am 29. Jänner ist es wieder so weit. Im 30. "Tough Guy Race" wird in England der härteste Sportler der Welt gekürt. Ist Michael wieder dabei? "Natürlich", sagt er – und scheint sich tatsächlich darauf zu freuen.

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Es sind Manager mit guten Manieren, Hafenarbeiter, Extremsportler, Elitesoldaten – Menschen mit jedem erdenklichen Background, die sich die Strapazen dieses Wettbewerbs antun. Die Strecke ist nur 15 km lang, trotzdem gilt das Rennen als schwierigster Hindernislauf der Welt. Weil die Hindernisse alles übertreffen, was Läufer sonst zu bewältigen haben.

1:45 Stunden war die Siegerzeit des Vorjahres, 2:20 Stunden war Michael P. (o.) unterwegs.

Erfunden wurde das Rennen 1986 von Billy Wilson, einem ehemaligen Mitglied der Royal Army, Friseur und Nachtclub- Besitzer. Die Einnahmen gehen an die von ihm gegründete Tierhilfsorganisation „Mouse Foundation“ und die Britische Krebshilfe. Es gibt für die Durchgekommenen weder Urkunden noch Preisgeld. Denn laut Mr. Wilson hat keiner der Teilnehmer je ein Rennen korrekt absolviert – denn jeder hat sich irgendeine der Übungen zu leicht gemacht. Für den Sieger gibt’s einen Händedruck des mittlerweile 70-jährigen Veranstalters, dann wird er von ihm persönlich disqualifiziert.
Nach 2017 soll Schluss sein mit dem „Tough Guy Race“, 30 Jahre sind genug, meint Billy Wilson. Aber angeblich hat er schon neue Pläne. Man darf gespannt sein ...