Sympathieerklärung an die USA: Stay cool
Von Bernhard Praschl
Die trauen sich was. Und das nicht erst, seit Neil Armstrong als erster Mensch den Mond betrat. Mehr als tausend Meter von einem Ufer zum anderen, dazu das offene Meer und die ständige Erdbebengefahr – wer würde sich trauen, hier eine Brücke in die Landschaft zu bauen? Ein US-Amerikaner natürlich. Ing. Joseph B. Strauss wagte das Unmögliche. 1937 wurde die Golden Gate Bridge von San Francisco eröffnet. 27 Jahre lang spielte sie als längste Hängebrücke der Welt eine Sonderrolle. Ein Wahrzeichen für die Ewigkeit.
2. Euphorie"Greaaat!“, „Absoooluuutely wonderful!“ oder „Amaaaazing!“ Während wir uns mit Lob eher zurückhalten – ohne Nörgeln geht ja wirklich nix weiter –, ist der Durchschnitts-US-Amerikaner die personifizierte Begeisterungsfähigkeit. Egal, was passiert, wird schamlos gejubelt und übertrieben. Oft auch eine ganze Oktave höher. Hauptsache, es motiviert. Eine Haltung, die einen tatsächlich weiterbringt. Besonders, weil im Land der routinemäßigen Übertreibung ausnahmslos alle darauf trainiert sind.
Oft totgesagt, sind sie partout nicht kleinzukriegen: der Blues und der Jazz. Von Baumwollplantagen im Süden aus begannen sie, sich in jeder Himmelsrichtung Gehör zu verschaffen – Ton um Ton. Dabei veränderten sie die Welt mindestens so in ihrem Stil wie Jeans und Coca-Cola. Ganz nebenbei stärkten sie dabei ein „All you need is love“-Gefühl, das sich auch die Beatles von Beethoven abgeschaut haben. Hätte Mozart das noch erlebt, hätte er sicher mitgeswingt. Immerhin war mit Lorenzo Da Ponte auch sein Lieblings-Librettist, sobald es möglich war, nach New York aufgebrochen.
4. EntertainmentFun, Fun, Fun, und das am besten ohne Beschränkungen und ohne Ende. Nach Glück zu streben, ist in den USA nicht nur legitim, das Recht darauf befindet sich sogar im Verfassungsrang. Während wir um strikte Trennung von U(nterhaltung) und E(rnst) bemüht sind, haben Amerikaner vorwiegend das große Ziel im Visier – sich die Zeit auf angenehme Weise zu vertreiben. Sich eine Scheibe davon abzuschneiden, würde uns ab und zu ganz gut zu Gesicht stehen. Besonders dann, wenn wir wieder einmal beklagen, dass eh alles keinen Sinn hat ...
5. HotspotDas eigene Licht unter den Scheffel zu stellen, war noch nie die Sache der US-Amerikaner. Besonders nicht am Times Square in New York oder in Las Vegas. Die Attraktion dieser Hotspots sind die weithin in allen Farben schillernden Neonröhren. Wenn diese auch längst durch LEDs ersetzt wurden, bleibt die Strahlkraft blinkender Botschaften. Schau. Mich. An. Und das ist immer noch besser als eine Reaktion, die von vorgestern ist – wegzuschauen.
Schon die alten Ägypter wussten: Alles dreht sich um Bilder. Denn mit ihrer Hilfe lässt sich alles erzählen – Spannendes, Lustiges, Fantastisches. Von Micky Maus über Superman bis zu Charlie Brown und SpongeBob spielen so Bildergeschichten und ihre Helden auch ihre Rollen in einem Teil unserer Leben. Amerika hat zwar keinen Schiller oder Goethe her-vorgebracht. Dafür Walt Disney und Andy Warhol.
7. Horizont... und davon ein weiter. Denn darauf baut die Idee der Vereinigten Staaten auf: immer weiter, immer voran, über die Grenzen hinweg, hinter den Horizont blicken. Ein Prinzip, das zwischendurch sicher einmal eine Pause, ein Innehalten notwendig macht. Aber das ändert nichts an der sympathischen Haltung, grundsätzlich neugierig auf das Neue zu sein. Ein Markenzeichen der Neuen Welt. Sowie ein Vorbild für die Alte Welt.
8. SportStimmt schon, eine Nation, die es schafft, aus dem guten, alten Fußball den martialischen American Football zu machen, darf durchaus kritisch beäugt werden. Aber Tatsache ist, dass Sport hier eine echte Show ist – laut, lustig und ein Fest für die ganze Familie. Was aber noch wichtiger ist: Wenn Sport schon sein soll, dann nimmt man daran teil, um zu gewinnen (bitte auch dem ÖFB weitersagen).
9. Mars macht mobilDie Fantasie beflügeln, das Unmögliche wollen. So schafften es die USA, die Ersten auf dem Mond zu sein. Auch wenn das bald ein halbes Jahrhundert her ist und die Weltraumfahrt auf der Stelle zu treten scheint, bleibt eine Erkenntnis jeden Strebens: Alles, was getan werden kann, wird getan. Wenn nicht von uns, wird es uns angetan.
10. Gegensätze"Heartland“ gegen Ostküste, Bible Belt gegen Westküste. City Slickers in Wolkenkratzern gegen Landeier in Cowboyboots. In den USA gibt es genügend Möglichkeiten, sich über die jeweils anderen auszulassen. Ist ja nicht anders als bei uns. Alle Bundesländer gegen den Wasserkopf Wien, wir kennen das! Genau hier liegt die Herausforderung für die Zukunft. Merke: Gegensätze sind nichts Trennendes, sondern ziehen sich an. Mehr noch. Ohne Gegensätze fehlt das Salz in der Suppe. Dass aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten eines der unbegrenzten Gegensätze wurde, ist eine Ironie der Geschichte. Das muss nicht so bleiben. Man kann auch anders, nämlich einfach aufeinander zugehen. Geht das? Yes, we can!