Leben/Gesellschaft

Stille Nächte: Weihnachten und Silvester im Kloster

Erst wenn Weihnachten im Herzen ist, liegt Weihnachten auch in der Luft. William Turner Ellis Und während in vielen Wohnzimmern des Landes noch atemlos Vorbereitungen getroffen, der Braten in den Ofen geschoben, Geschenkkarten bekritzelt, Christbaumkerzen angezündet sowie Tische gedeckt werden, kehrt bei den Marienschwestern von Karmel im oberösterreichischen Bad Mühllacken eine fast schon magische Ruhe ein.

Das "langsame Zugehen" auf den Heiligen Abend beginnt, die Menschen stellen sich innerlich auf die Geburt Jesu ein. Ein "heiliger" Duft von Harzen und Kräutern zieht durchs Haus, er kommt aus dem Räucherfass, das eine Schwester durch die Räume trägt.

Einfachheit

Manche Gäste beten dazu den Rosenkranz, "ein Brauch, wie er früher in den Großfamilien üblich war, um das Alte verschwinden zu lassen, und das Neue zu begrüßen", erzählt Elisabeth Rabeder, Chefin des Kurhauses im oberösterreichischen Bad Mühllacken. Nachmittags bringt die Feuerwehrjugend das Friedenslicht in der Laterne. Kinder spielen dazu Blockflöte, die eine oder andere weihnachtliche Weise erklingt. Wer mag, summt mit. Mit etwas Glück schneit es.

"Wir rufen zu Einfachheit, Schlichtheit und ganz bewusst zu weniger auf", beschreibt Elisabeth Rabeder die spezielle Qualität dieser Tage und die Philosophie der klösterlich gelebten Weihnacht. Das sei nicht weniger festlich, aber im Sinne der Ursprungsidee. Und es sei traditionell.

Statt einander mit Lichterketten, "Last Christmas" und grell blinkenden Weihnachtsmännern zu übertrumpfen, werden hier in aller Ruhe Kekse gebacken, wird das Haus mit heimischen Zapfen, Zweigen, Äpfel und Moos aus dem nahen Wald geschmückt. Die Gäste, die in der klösterlichen Umgebung stille Tage und Nächte suchen und auf diese Weise die Tiefe des Weihnachtsfestes erfahren wollen, sind dafür dankbar. Kein Wunder, dass das Haus am Heiligen Abend und Silvester seit Jahren stets ausgebucht ist.

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Karin Stiegler, knapp 60 Jahre alt, ist – so wie im Vorjahr – heuer wieder da. Gemeinsam mit ihrer 80-jährigen Mutter verbringt sie den Heiligen Abend bei den Marienschwestern. Beide schätzen "diese Atmosphäre von Ruhe, die Ferne von Hektik" der Klosterweihnacht. Und die, aus ihrer Sicht, authentische Besinnlichkeit: "Das ist wie Heimkommen". Vieles ist rituell, eingebettet in kirchliche und lokale Bräuche. Neben dem Räuchern findet eine geführte Meditation statt und die feierliche Weihnachtsfeier mit den Schwestern wird von Liedern, vorgetragenen Texten, Gitarrenklängen sowie dem Weihnachtsevangelium begleitet. "Gemeinsam mit den Gästen gibt es dann ein Krippenspiel", schildert Rabeder. Jeder bekommt ein kleines Geschenk – ein Stein, der von den Schwestern bemalt, verziert und mit einem Segenswunsch versehen wurde. Da gehöre es eben auch dazu, dass es am Heiligen Abend, Bratwürstel mit Kraut zu essen gibt, weil das "Buffet zwar feierlich ist, aber sich nicht biegt."

Weihnachten, anders

Am darauffolgenden Christtag schließlich ein gemeinsamer Spaziergang ins Pesenbachtal, dem ältesten Naturschutzgebiet des Mühlviertels. Wo das Friedenslicht zu einem Kreuz gebracht wird. "Hier geht es darum, in Bewegung zu kommen, die Natur zu genießen, die Besinnung. Natürlich wird da auch gerne geplaudert – man tauscht sich aus", sagt Elisabeth Rabeder.

Weihnachten, Silvester – einmal anders. Nicht daheim, aber doch aufgehoben. Immer mehr Menschen suchen Alternativen zum üblichen Trubel. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Oft sind es Suchende, die gerade einen persönlichen Umbruch erleben mussten – eine Trennung, eine Scheidung, etwa. Oder den Tod Angehöriger. Viele Singles, die noch nie in einer Partnerschaft lebten, Alleinstehende, feiern, eingebettet in der Gemeinschaft. Weil in Umbruchzeiten weniger oft mehr ist und Klarheit schafft.

Stille Feierlichkeit

Was Wilfried Waldenhofer – er ist 75 Jahre alt – hautnah erfahren durfte. Er hatte sich aus persönlichen Gründen dazu entschieden, Weihnachten in Bad Mühllacken zu verbringen – ein Ort, der aus seiner Sicht ein "wunderbarer Kraftplatz" sei, abseits des üblichen Konsumirrsinns. "Ich habe in den vergangenen Jahren einige Familienmitglieder verloren, wir müssen ja alle abschiedlich leben", sagt er. Diese immer wiederkehrenden Übergänge gilt es aus seiner Sicht "so gut wie möglich und positiv zu gestalten." Für den Oberösterreicher bedeutete das damals: "Einkehr, Ruhe, stille Feierlichkeit. Und das verstehen die Schwestern in ganz besonderer Weise zu feiern." Nicht nur: "Man riecht dort seine Vergangenheit – die Bratäpfel, die Lichterl, das Kletzenbrot."

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Florentina Rebernig, Direktorin des Klosters Pernegg, beobachtet ebenfalls, dass immer mehr Menschen dem Lärm und Druck dieser Tage entfliehen möchten. Zum Jahreswechsel finden sich die Gäste in Pernegg gerne zum Fasten ein oder aber, um "einen kreativen Blick auf’s Wesentliche" zu werfen. Die letzten Tage "zwischen den Jahren" werden sehr oft als Möglichkeit der Rückschau und Neujustierung empfunden. Um ganz bei sich, aber nicht alleine zu sein.

Leichter werden

"Eine Idee ist, dass Menschen die einsam sind, einen Ort haben, wo sie mit anderen sein können. Eine Idee ist aber auch, all jenen, die zu den Weihnachtsfeiertagen zu viel von Vielem hatten – zu viel Familie, zu viel Stress, zu viele Geschenke, zu viele Pflichtbesuche – und zu wenig vom Wesentlichen die Möglichkeit zu bieten, vom Zuviel loszukommen."

Das verbindet. Der Zauber daran: "Es reisen am Anreisetag einander völlig fremde Menschen an und am Ende des Aufenthalts verabschieden sich, oft schweren Herzens und unter Tränen, Freunde, die eine besondere Woche verbindet, voneinander", erzählt Rebernig.

Speziell zum Jahreswechsel gehe es vielen darum, darüber nachzudenken, was man ins neue Jahr mitnehmen möchte, was verletzt, traurig oder krank gemacht hat. "Vieles dreht sich um die Frage, wovon ich mich verabschieden will", sagt Rebernig. Also kann in Pernegg jeder seinen "Loslasszettel" im Lagerfeuer verbrennen. Um 22 Uhr, noch weit vor Mitternacht, liegen alle im Bett.

Nichts als Schweigen

Loslassen, darum ging es wohl auch der 55-jährigen Berlinerin Ulrike Stöhring, die sich vergangenes Jahr dazu entschloss, den Jahreswechsel "in der Stille der Berge einfach zu verschlafen". Wofür sie extra ins niederösterreichische Scheibbs reiste, in die "heiligen Hallen des buddhistischen Zentrums", um sich fünf Tage lang in Stillemeditation, Vipassana, zu üben. Das gilt als eine der ältesten Meditationsformen – ein geistiges Training, das die Meditierenden dazu anhält, sich "von Illusionen zu befreien und die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind – im jeweils aktuellen Moment".

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"Da musste ich mir wenigstens keine Gedanken machen, auf welcher Party die wenigsten glücklichen Pärchen und damit die wenigsten Schmerzen zu befürchten sein würden", erzählt sie. Außerdem sei Schweigen eine hochwirksame Medizin gegen Nervosität und seelische Überlastung. Stöhring, von Beruf Kunsttherapeutin, umschreibt die Party-Alternative ein wenig pragmatischer: "Wir tranken und vögelten nicht." Sie präzisiert: "Ein Schweige-Retreat ist die Lösung für alle Probleme, die Feiertage und vor allem Silvester für getrennte Menschen bereit halten." Zuvor hatte sie das zweite Weihnachtsfest seit der Trennung mit ihrer Mutter, Kindern, Freunden und einem "mutig erworbenen Baum" verbracht. Gegen Ende des Jahres fühlte sie sich dennoch wie "ein Computersystem kurz vor dem Totalabsturz". Den Schweigeurlaub im buddhistischen Zentrum "in den Tiefen der österreichischen Provinz" hatte sie sich selbst verordnet – und geschenkt.

Whats App unter der Decke

In Scheibbs dann nichts, außer täglichen Morgenmeditationen, Abendmeditationen, Gehmeditationen und das eine oder andere heimliche WhatsAppen unter der Bettdecke. Sie erinnert sich: "Erste gute Wünsche für das Jahr trafen ein. Auch Einladungen zu Silvesterpartys, die mir hier absurd erschienen". Im Einzelgespräch erfährt sie, dass rund zwei Drittel ihrer Mitmeditierenden Menschen mit Trennungshintergrund sind.

Und dann – die Silvesternacht. Wer aufbleiben mag, kann dem Jahreswechsel-Ritual beiwohnen: Eine neue Kerze wird an einer alten, fast abgebrannten Kerze entzündet. Sie soll das neue Jahr symbolisieren. Während im Tal der Lärm dessen Ankunft bezeugt, blickt Ulrike Stöhring in den Himmel und sieht zum ersten Mal in diesem Winter eine Sternschnuppe. "Auch wenn ich es nicht als nötig empfand, mir etwas zu wünschen, fühlte ich mich dennoch sehr zufrieden."

Auszeit, abseits von klassischen Wellness-Angeboten – etwa im Kloster oder in anderen spirituellen Einrichtungen: Das suchen Menschen, die in einfacher Umgebung Einkehr, Neuorientierung und Stille erleben wollen. In vielen Klöstern ist es das ganze Jahr möglich, mit der Gemeinschaft zu sein. „Mönche und Ordensfrauen auf Zeit“ leben dann integriert im täglichen Rhythmus von Gebet, Lesung und Arbeit. Hier eine Übersicht, speziell für die Weihnachtszeit und danach.

Die Marienschwestern von Karmel laden nach Bad Mühllacken, Oberösterreich, wo man neben den Weihnachten auch Silvester feiern kann. Rechtzeitig buchen! Preis pro Nacht/inkl. Vollpension im österlichen Zimmer: 75 €, www.tem-zentrum.at

Im Kloster Wernberg, bei Villach, könnten Gäste die Weihnachtszeit nutzen, um inne zu halten, und sich auf klösterliche Rhythmen einzulassen. 3 Nächtigungen für 2 P. mit HP aus der Natur- und Klosterküche kosten 350,- €, klosterwernberg.at

Im Stift Heiligenkreuz gibt es über Silvester Jugendtage – mit geistlichen Impulsen, Musik, Workshops, einer Winterwanderung und: „Silvester alternativ“ mit Musik, Gebet und Heiliger Messe. Aber auch Gulasch, Sekt und Walzer. stift-heiligenkreuz.at

„Klosterfasten zu Neujahr“, „Körperbewusst ins Neue Jahr“ sind nur einige von vielen Angeboten im niederösterreichischen Kloster Pernegg für Menschen, die zum Jahreswechsel den Reset-Knopf drücken wollen. Sieben Tage ab 639 €, klosterpernegg.at

Achtsamkeitsmeditation mit Schweige-Retreat zum Jahreswechsel bietet das Buddhistische Zentrum Scheibbs. Kosten: freiwilliges Geben (DANA), Hauskosten: 280, – €. Begrenzte Teilnehmerzahl, bzs.at

Alle Angebote finden Sie unter kloesterreich.at