Leben/Gesellschaft

Wenn zwei Papas Nummer eins sein wollen

Eine Patchwork-Familie wie aus dem Bilderbuch: Brad und Sara leben mit den beiden Kindern Megan und Dylan in einem Haus mit Garten. Der liebevolle Radioproduzent kann selbst keine Kinder zeugen und ist glücklich, eine ganze Familie geheiratet zu haben. Mit vollem Einsatz buhlt er um die Sympathie der Kinder. Doch plötzlich wird das Familienleben auf den Kopf gestellt: Nach Jahren in der Versenkung will der biologische Vater Dusty seine Familie wieder zurück.

In der Hollywood-Komödie "Daddy’s home" verkörpern Will Ferrell (Brad) und Mark Wahlberg (Dusty) zwei unterschiedliche Vaterfiguren. Der eine sympathischer, verlässlicher Familienmensch. Der andere supercooler Muskelprotz, der sich vor der Routine fürchtet. Mit allen Mitteln führen sie einen Kampf um die Kinder – und die Frau (gespielt von Linda Cardellini).

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"Jeder Mann kann Vater werden, aber nicht jeder hat die Hingabe, ein echter Papa zu sein", bringt Brad im Film das Dilemma vieler Stiefväter auf den Punkt. Er will alles pädagogisch richtig machen und holt sich Tipps aus Stiefeltern-Ratgebern, wie er endlich akzeptiert wird. Ein solches Buch hat Familienberater Jesper Juul geschrieben und möchte schon mit dem Titel negative Assoziationsketten durchbrechen: "Aus Stiefeltern werden Bonuseltern". Nachrichtenstar Armin Wolf gefällt das Wort, in seinen Twitter-Nachrichten nennt er die Kinder seiner Frau Euke Frank "Bonus-Tochter" und "Bonus-Sohn".

Geduld statt Geschenke

Warum die Beziehung zum Kind der Partnerin oder des Partners so wichtig ist, macht Juul ganz deutlich: "Sie müssen sich darauf einstellen, dass die Kinder die Hauptrolle im Leben Ihrer Partnerin oder Ihres Partners spielen. Es ist sinnlos, mit ihnen um den ersten Platz zu konkurrieren."

Für ein ausgeglichenes Familienleben ist es wichtig, die Rollen zu definieren. "Das Vertrauen eines Kindes zu gewinnen, ist vielleicht das größte Geschenk, das das Leben zu bieten hat. Im besten Fall übernehmen Sie eine Art Elternrolle. Das dauert meist zwischen fünf und zehn Jahre", warnt er vor falschen Erwartungen.

Einschmeicheln bringt dabei gar nichts, "denn Kinder fassen nur Vertrauen, wenn sie Aufrichtigkeit spüren", so Juul. Deswegen bringt Dustys "Weihnachtsaktion" mitten im Sommer ihm zwar einen Lacherfolg bei den Zuschauern, aber wenig Sympathie bei den Kindern: Er verkleidet sich als Weihnachtsmann und legt Geschenke unter den Baum, um den anderen Vater auszubooten.

Das Herz eines Kindes kann man nicht kaufen, so Juul: Freundschaft mit einem Kind schließt man beim Spielen. Nichts bricht das Eis zwischen einem neuen Mann und einem zurückhaltenden Sohn besser als ein Fußball.

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Doch je enger die Beziehungen zu dem neuen Bonuselternteil werden, desto größer wird die Angst des Ex oder der Ex. Jesper Juul hält es daher für sehr wichtig, möglichst bald Kontakt mit den früheren Partnern aufzunehmen. "Beide können sich ein Bild des Menschen machen, der im Leben des früheren oder gegenwärtigen Partners eine so große Rolle spielt. Außerdem eröffnet ein Treffen die Kommunikation, die wegen der Kinder unerlässlich ist."

Be- und Erziehung

Manche Regeln müssen klar definiert werden, besonders wenn es in der Patchworkfamilie Kinder aus verschiedenen Beziehungen gibt. Da können sehr unterschiedliche Erziehungsmodelle aufeinanderprallen. Juul bringt dazu ein Beispiel aus der Praxis: Ein Bonusvater machte sich Sorgen über die Aufgaben, die er in der Familie haben darf. "Was soll ich machen, wenn meine Partnerin wegen ihrer Scheidung so starke Schuldgefühle hat, dass sie ihrer Tochter überhaupt keine Grenzen mehr setzt?" Hier warnt Juul vor einer Falle: "Manchmal will man seinem Partner die Last der Verantwortung abnehmen. Aber wenn Bonuseltern die Rolle des Erziehers übernehmen, geht das fast immer schief."

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Der wichtigste Beziehungsfaktor ist bei Bonuseltern gleich wie bei den blutsverwandten Familienmitgliedern: respektvoller und behutsamer Umgang mit den neuen Kindern. Das zeigt das Beispiel des heute 60-jährigen Niederösterreichers Jonny. In seiner Rede zum runden Geburtstag seiner Stieftochter brachte er kürzlich sein Erfolgsrezept berührend auf den Punkt: "Bevor ich eure Mutter geheiratet habe, habe ich dich und deine Schwester gefragt, ob ihr etwas gegen mich habt. Zum Glück habt ihr ‚Nein‘ gesagt, sonst wäre ich nicht geblieben. Heute bin ich dankbar, dass ich seit 30 Jahren zu einer so wunderbaren Familie gehöre."