Leben/Gesellschaft

Steinreich: Millionäre im Wandel der Zeiten

Luxus ist relativ. Für eine Steinzeitfamilie vor 5.000 Jahren war ein Pfahlbauhaus am Bodensee, in dem Probanden einer modernen Fernsehshow die härtesten drei Wochen ihres Lebens verbringen, eine durchaus luxuriöse Angelegenheit. Während man sich kaum 1.000 Jahre später in Kreta bereits über Toiletten mit Wasserspülung freute. Für die Römer war Eiswasser im Sommer ein Inbegriff des Luxuriösen – für uns gehört es seit der Erfindung des Kühlschranks zu den Selbstverständlichkeiten des Lebens.

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Der Reichtum früher Pharaos und Despoten war meist mit ihrem Amt verbunden, das sie zu Repräsentanten der Staats-Idee machte. Das Land war reich und mächtig – entsprechend wurde sein Vertreter verehrt und ausstaffiert. Und doch sticht ein Name aus dem diffusen Licht der Geschichte hervor: Krösus. Er war der letzte König Lydiens in der heutigen Türkei. Und wurde schon im klassischen Griechenland zum Synonym für unermesslichen Reichtum. Tatsächlich muss er Gold wie Heu gehabt haben, was auf ergiebige Vorkommen in seinem Reich zurückzuführen ist. Und auf erfolgreiche Feldzüge gegen griechische Städte. 560 v. Chr. ließ er die ersten Goldmünzen der Welt herstellen, was zusätzlich zu seinem Ruf beigetragen haben dürfte. Nur leider war er, wie’s oft so ist, wenn man alles hat, nie so recht zufrieden - und wollte noch ein bisschen mehr. Deshalb legte er sich mit den Persern an. Die schließlich sein Königreich zerstörten ...

Hirn-Haschee & Flamingozungen

Aber es war vor allem ein Mann, der 500 Jahre später die Standards für alles, was wir heute unter Luxus verstehen, setzen sollte: Lucius Licinius Lucullus. Eigentlich war er einer der fähigsten und erfolgreichsten Feldherrn des alten Rom. Und wir sprechen hier von der frühen Zeit, als die Chefs noch selbst an der Spitze ihrer Truppen auf den Feind losstürmten. Ein harter Hund also.

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Erst nachdem er durch politische Intrigen ins Frührentnertum manövriert wurde, begann er, quasi ebenso generalstabsplanmäßig wie in seinen früheren Schlachten, dem schönen Leben zu frönen. Seine Partys waren legendär, Küche, Show und fleischliche Gelüste bildeten in seiner Villa und den dazugehörigen Gärten im Norden Roms ein einzigartiges Gesamtkunstwerk. Obwohl er aus einer prinzipiell nicht armen Familie stammte, konnte er sich das nur leisten, weil die Beute seiner Feldzüge in Kleinasien alles überstieg, was bis dahin im Triumphzug nach Rom gebracht worden war. Immer mit Stil, das attestieren ihm auch seine ärgsten Widersacher unter den Sittenwächtern der ewigen Stadt. Aber schon nach allen Regeln der Klischees – Pfauenbraten, mit Edelfeigen gemästete Schweine, gebackene Taubenbrüstchen, Haschee aus Papageienköpfen und Fasanenhirn inklusive.
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Und ja, wenn schon nicht die berüchtigten Otternasen und Lerchenzungen, so waren doch zumindest Flamingozungen ziemlich chic. Die mit jahrzehntealtem Wein aus rubinbesetzten Glaskelchen hinuntergespült wurden, während man spanischen Tänzerinnen zusah – und über griechische Philosophen diskutierte, weil ganz ohne intellektuelle Aktivität wird auch das opulenteste achtstündige Abendessen einfach ein bissl fad.

Mit Schmuck um 280 Mio Euro zur Party

Und so, wie wir heute Paris Hilton & Co bei Party-Eskapaden und beim Geldverschleudern zusehen und uns als Zaungast ein Stück Luxus in die Mittelmaßwelt holen, nahmen auch die Römer ihren Millionären die Prunksucht keinesfalls übel, sondern beobachteten, lebten mit und unterhielten sich mit Klatsch und Tratsch über die Oberen Zehntausend. Wobei der Unterschied zwischen superreich und arm noch wesentlich größer war als heute. Altgeschichtler Karl-Wilhelm Weeber schätzt, dass von den 50 bis 80 Millionen Menschen die im Römischen Reich zu dessen Blütezeit lebten, nur etwa 200 Männer zu einem elitären Kreis zählten, der sich über ein Jahreseinkommen von umgerechnet 140 Millionen Euro freuen konnte. Die leisteten sich dann eben ein halbes Kilo doppelt gefärbte Purpurseide um 150.000 Denare, was der Summe entspricht, die ein Mosaikleger und damit Spitzenverdiener unter den römischen Handwerkern in acht Jahren verdiente. 2.000 Denare für ein 300-Gramm-Flakon arabischen Safran-Parfüms – der Gegenwert von acht Tonnen Weizen? Kein Problem. Lollia Paulina, On-and-off-Beziehung des Kaisers Caligula trug bei einer kleineren Verlobungsfeier Schmuck im Wert von 40 Millionen Sesterzen (etwa 280 Millionen Euro).

Luxus für alle

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Das funktioniert – heute noch –, solange auch die Zuschauer halbwegs zufrieden sind. Und dafür sorgten die römischen Superreichen mit der bekannten Formel "Brot & Spiele", also Gratisessen und Gladiatorenkämpfe. Und mit ein wenig Luxus für alle. Die fantastischen Thermen des Caracalla und des Diokletian waren prunkvolle Badepaläste, Wohlfühloasen, Erlebnisbäder – und gratis für alle.Verschwenderische Pracht, üppige Fruchtbarkeit – Luxus war ein Wort, das die alten Römer ursprünglich auf Pflanzen bezogen. Erst als die ehemals spartanisch strenge Oberschicht begann, ihren Reichtum in vollen Zügen zu genießen, wurde es auch in unserem heutigen Sinn verwendet – in negativem Kontext. Kritisiert wurde dabei meist aus einem selbst privilegierten Umfeld heraus, ganz wie heute, wenn etwa Star-Architekt Matteo Thun meint, "es ist Luxus, weniger zu besitzen." Plinius der Jüngere war da mit ihm einer Meinung. Seine Kritiken verfasste er am liebsten in seinem Strandhaus mit 32 Zimmern, riesiger Parkanlage, eigenem Sportplatz und Austernzuchtbecken. Andererseits nimmt sich Plinius' Domizil gegen das Wochenendhäuschen des Kaisers Tiberius tatsächlich geradezu bescheiden aus. 7.000 Quadratmeter Grundfläche, acht Stockwerke hoch, mit atemberaubendem Blick auf den Golf von Neapel. Und es war nur eine von zwölf Villen, die Tiberius auf seiner Lieblingsinsel hatte. Neben Häusern in Kampanien und der Toskana.

Schaffe, schaffe ...

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Diese Lebenslust hätte einen der reichsten Männer in der Geschichte der Menschheit wohl eher irritiert. Oder ihm gar schlaflose Nächte bereitet. Der Schwabe Jakob Fugger, zurecht auch einfach "Der reiche Fugger" genannt, baute im 15. Jahrhundert ein Handelsimperium auf, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte. Schon mit 14 Jahren vertrat er die Handelsfirma seiner Familie als offizieller Repräsentant in Venedig. Spaß? Dafür ist er nicht bekannt. Geld? Ja, in Hülle und Fülle. Und ganz nach dem bekannten schwäbischen Motto "Schaffe, schaffe, Häusle baue, und net ..." gab er es nie für persönlichen Schnickschnack aus, lieber investierte er in die Firma und – eher unüblich für die Zeit – in menschenwürdige Unterkünfte für seine Tausenden Arbeiter. Das Protzen überließ er dem gleichaltrigen Maximilian von Habsburg, den er mit 50.000 Gulden zum Kaiser machte. Um dessen Nachfolger Karl I. – und die inzwischen angehäuften Kredite – zu sichern, musste er gar 546.000 Gulden auf den Tisch legen.

Politiker, Pirat, Lebemann

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Den Spagat zwischen Lebemann und seriösem Unterstützer eines Imperiums schaffte Sir Francis Drake hingegen elegant. Als Sohn einer armen Pastorenfamilie brachte er es zum Vizeadmiral der englischen Flotte und Liebling von Königin Elisabeth, der er maßgeblich dabei half, England zur Weltmacht zu machen. Sich selbst macht Drake zu einem der reichsten Piraten der Geschichte. Umgerechnet 115 Millionen Euro hat er auf seinen Kaperfahrten erbeutet. Und während er in England als Bürgermeister von Plymouth mit Spitzenkragen protestantische Tugenden verkörperte, ließ er es sich in der Karibik und in Südamerika durchaus gut gehen. "Sie sind ein Schurke und ich muss mich von Ihnen lossagen", soll Königin Elisabeth ihm ins Ohr geflüstert haben, kurz bevor er zum Ritter geschlagen wurde …

Ein Schurke als Architekt Amerikas?

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Als "schurkisch" galt auch ein Mann, der inzwischen zum Synonym des erfolgreichen Unternehmers wurde: Cornelius Vanderbilt, der "Commodore". Aber ein wenig Rücksichtslosigkeit gehört wohl dazu, wenn man es im frühen 19. Jahrhundert vom Schulabbrecher und Sohn eines bettelarmen Bauern in New York zu einem der reichsten Männer seiner Zeit bringen wollte. Verschwendung im Stil der römischen Reichen und Schönen war ihm fremd, das ließ sein strenger protestantischer Background gar nicht zu – dafür gilt der Reeder und "Eisenbahnkönig" heute als einer der Männer, die durch unermüdlichen Fleiß Amerika "aufgebaut" haben. Als einer der "Architekten Amerikas". Erst seine Nachfahren sorgten dann als Philanthropen und Förderer der Künste für einen Geldfluss im Sinn früherer Mäzene.

Wer war der allerreichste?

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Der reichste Mann der Geschichte? Schwer zu sagen, aber wahrscheinlich war es ein Afrikaner. Kankan Musa Keita I. war im frühen 14. Jahrhundert König von Mali. Finanzexperten rechneten sein Vermögen auf unsere aktuelle Währung um: Mehr als 400 Milliarden Euro. Er herrschte über ein riesiges Reich, das sich von den tropischen Wäldern südlich des Niger bis in die Sahara, von der Atlantikküste bis zum legendären Timbuktu erstreckte, wo er die heute als Weltkulturerbe geltende große Moschee bauen ließ. Vom andalusischen Star-Architekten Abu Eshaq Es-Saheli al-Touwaidjin, der dafür die märchenhafte Summe von 40.000 Mitqal einstreifen durfte. Reine Goldmünzen mit einem Gesamtgewicht von 180 Kilo. Als König Musa im Jahr 1324 mit einem gigantischen Tross von 80 Kamelen, 12.000 Sklaven und seinem gesamten Hofstaat zur Pilgerreise nach Mekka zog, gab er auf dem Weg dorthin so viel Gold aus, dass der Goldpreis im Nahen Osten und in Europa für Jahre in den Keller rasselte.
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