Leben/Gesellschaft

Sonnenflieger mit Kurs auf den Ganges

Der Schweizer Sonnenflieger „Solar Impulse 2“ ist am Mittwoch vom indischen Ahmedabad aus in die Luft gegangen und hat Kurs auf Varanasi am Ganges genommen. Wegen Zollproblemen konnte der Flieger erst mit fast zweistündiger Verspätung abheben, teilten die Organisatoren via Twitter mit. Der mehr als 1000 Kilometer lange Flug quer durch Indien soll rund 15 Stunden dauern. Es ist die dritte von zwölf Etappen auf der Weltumrundung des Solar-Flugzeugs.

"Ausufernde Bürokratie"

Der Einsitzer wird dabei nur mit Sonnenenergie angetrieben. Die Schweizer Abenteurer und Umweltaktivisten Bertrand Piccard (57) und André Borschberg (62) wollen mit ihrem Flug für die Förderung erneuerbarer Energien werben. „Es gibt auf der Welt keine Abenteuer mehr“, klagte Borschberg über die Verzögerung. „Und das alles nur wegen ausufernder Bürokratie.“

Varanasi ist eine für Hindus besonders heilige Stadt. Jedes Jahr pilgern Millionen Inder in die Tempelstadt, um an den Stufen des Ganges ins Wasser einzutauchen. Viele alte Menschen machen sich auf ihre letzte Reise dorthin. Sie glauben, den Kreislauf der Wiedergeburten durchbrechen zu können, wenn sie in Varanasi sterben. Unzählige Familien bringen die Asche der Verstorbenen nach Varanasi, um die letzten Überreste ins Wasser zu streuen.

Varanasi ist auch der Wahlkreis von Indiens Premierminister Narendra Modi. Dieser hatte versprochen, bis zum Jahr 2020 insgesamt 100 Gigawatt Solarstrom zu installieren. Analysten halten dieses Ziel allerdings nicht für so schnell erreichbar. Der „Solar Impulse 2“-Startpunkt Ahmedabad ist die Landeshauptstadt von Gujarat. Diesen Bundesstaat hatte Modi als Regierungschef zum indischen Vorreiter in Sachen Solarenergie gemacht.

Kein Tropfen Benzin

Die „Solar Impulse 2“ fliegt ohne einen Tropfen Benzin. Mit Hilfe von Sonnenenergie und leistungsfähigen Batterien kann sie bis zu fünf Tage und Nächte in der Luft bleiben. Dies wird später auf der Reise auch nötig, wenn sie über den Pazifik und den Atlantik fliegt. Zunächst soll es aber nach Mandalay in Myanmar gehen. Der Start in Indien hatte sich um einige Tage verzögert, da das Wetter zu schlecht war.

André Borschberg (62) nennt einen Raum kaum größer als eine Telefonzelle sein Zuhause. Es ist das Cockpit des Sonnenfliegers „Solar Impulse 2“. Im Wechsel mit seinem Partner Bertrand Piccard (57) fliegt der Schweizer damit einmal um die Welt - nur mit der Kraft der Sonne. Neben einem wolkenlosen Himmel ist auch mentale Stärke wichtig für den Flug, erzählt Borschberg.

Alle Inhalte anzeigen
Sie schweben gerade über Indien.Wie sieht es von oben aus?

Es ist wirklich wunderschön, ich habe fast grenzenlose Sicht. Ich sehe kleine Städte, kleine Dörfer, ein paar Seen, viel Landwirtschaft. Da müssen wohl jetzt viele Menschen unter mir schuften.

Haben Sie Zeit, den ganzen Tag die Aussicht zu genießen?
Es gibt nur wenige Momente, die so entspannt sind.Wir testen hier oben sehr viel. Denn die 12 bis 14 Stunden Flug über Indien sind kurz im Vergleich zu dem, was uns noch bevorsteht. Ich nutze diese Zeit, um mir hier ein Zuhause zu schaffen, um alles zu organisieren und mich daran zu gewöhnen. Über den Ozeanen wird dieses Cockpit für mehrere Tage mein Zuhause sein.

Sie haben im Flugzeug auch schon Yoga gemacht und meditiert. Warum ist das wichtig?
Es ist ein winzig kleiner Raum. Ich kann sitzen, aber kaum liegen. Der Körper wird also während des Fluges träge, auch die Organe werden träge, die müssen stimuliert werden. Außerdem ist die Umgebung schwierig, es kann sehr kalt oder sehr warm sein, mal fliege ich sehr hoch und mal niedriger. Deswegen ist es wichtig, genug Energie zu haben und mental stark zu sein. Da sind Yoga und Pranayama-Atemübungen extrem hilfreich.

Macht es einen Unterschied, Yoga in seinem Ursprungsland zu praktizieren?
Ich habe vor dem Start mit den Einheimischen in Ahmedabad Yoga gemacht. Dort war es ganz anders - ganz fröhlich! Wir haben lauter Lach-Übungen praktiziert. Es ist so schön, dass wir auf unserer Reise überall etwas Neues entdecken können.