Leben/Gesellschaft

So schlecht ist das Essen in der Schule

Kinder mögen Freistunden und Schnitzel mit Pommes. Experten fordern guten Unterricht und gesundes Mittagessen. Doch die Verpflegung lässt sehr zu wünschen übrig, zeigte jetzt eine Studie des deutschen Bundesministeriums für Ernährung.

Zu viel Fleisch, dafür zu wenig Obst und Gemüse. Laut der Studie, über die zuerst die Zeitung „Die Welt“ berichtete, dauert die Mittagspause nur in 39 Prozent der Schulen länger als 45 Minuten, wie es Ernährungsexperten empfehlen. Angesichts vielfach langer Transport- und Warmhaltezeiten seien zu viele ungeeignete Gemüsesorten im Angebot enthalten. Für die Analyse wurden 1500 Schulleitungen, 212 Schulträger und mehr als 12 000 Schüler befragt und Speisepläne ausgewertet.
Kritiker warnen beim Schulessen etwa vor zu billigen Produkten, Fertigsoßen und zu viel Fleisch, obwohl Kindern gerade in den Schulen eine gesunde Ernährungsweise vermittelt werden sollte. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, viel Gemüse und Salat anzubieten. Ziel ist auch, Übergewicht bei Kindern zu vermeiden.
Der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Matthias Wolfschmidt, kritisierte, es sei ein Unding, dass Lehrer und Eltern nicht auf Ergebnisse amtlicher Lebensmittelkontrollen zugreifen könnten, um den vertrauenswürdigsten Lieferanten für das Schulessen zu ermitteln. Die Behörden wüssten, wie es um die Hygiene in Schulküchen und bei Zulieferern bestellt sei. Sie sollten zur Veröffentlichung der Ergebnisse verpflichtet werden.

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Handlungsbedarf auch in Österreich

Auch iIn Österreich haben täglich mehr als 350.000 Schüler Zugang zu einer warmen Mittagsverpflegung.Mit dem steigenden Angebot an Ganztagsbetreuung essen auch immer mehr Kinder in der Schule oder im Hort. Dass die Situation in Österreich nicht optimal ist, kritisiert auch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Hoppichler, Vorstand des vorsorgemedizinischen Vereins SIPCAN – Initiative für ein gesundes Leben: „Die tägliche Praxis zeigt häufig sehr ungesunde Speiseplangestaltungen.“

Kaiserschmarrn mit Donuts als Nachspeise oder Leberknödelsuppe mit Selchfleisch als Hauptgericht sind nur einige Beispiele, die den Experten von SIPCAN bei ihrer täglichen Arbeit an den Schulen begegnen. „Auch in Österreich besteht an vielen Schulen dringender Handlungsbedarf“, so Mediziner Hoppichler und weiter: „Die Ernährungsfehler bei Kindern und Jugendlichen werden sich in der Zukunft durch einen viel schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand rächen!“

Der Verein SIPCAN unterstützt österreichweit Schulen und Betriebe bei der Verbesserung der Verpflegungssituation. Neben der Speiseplangestaltung für den Mittagstisch erzielt der Verein große Erfolge bei der gesundheitsfördernden Gestaltung des Warenkorbes an Schulbuffets und in Getränkeautomaten. „Die Arbeit von SIPCAN zeigt deutlich, dass es möglich ist für Kinder und Jugendliche eine gesunde, gut schmeckende und allgemein akzeptierte Schulverpflegung zu etablieren“, so Primar Hoppichler.

Jugendliche entsetzt über gesundes Essen

Mit einem Twitter-Sturm wehren sich US-Schüler gegen die Kampagne von Präsidenten-Gattin Michelle Obama für gesundes Essen in den Schulen. Sie fotografierten grausliche Speisen und veröffentlichen die Fotos mit dem hashtag #thankyoumichelle.

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Wie wird das Schulessen eigentlich organisiert?

Die meisten Schulen lassen sich das Essen liefern. Meist (60 Prozent) bekommen sie Warmverpflegung - also zubereitete Speisen aus einer Zentralküche, die in Thermobehältern transportiert werden. Fast immer müssen Eltern und Schüler das Essen im Voraus bestellen, teilweise vier bis sechs Wochen vorher. Im Schnitt kostet ein Mittagessen 2,83 Euro in Grundschulen und 3,05 Euro in weiterführenden Schulen, manche öffentliche Schulträger geben Zuschüsse dazu. Die Eltern überweisen das Geld meist, manche Schüler zahlen bar.

Wie ausgewogen ist das Schulessen?

Für eine gesunde Ernährung, die auch Übergewicht bei Jungen und Mädchen vorbeugt, gibt es als Empfehlung einen Qualitätsstandard der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Demnach sollte es immer Gemüse und Salat zu essen geben und genauso kalorienarme Getränke wie Wasser. Jedes Mal dabei sein sollten auch Getreide und Kartoffeln in abwechselnden Varianten, also zum Beispiel eine Reispfanne, Knödel oder Couscous. Der Empfehlung, nur maximal zweimal pro Woche Fleisch zu essen, entsprachen aber 78 Prozent der untersuchten Speisepläne nicht, wie die Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften herausfand. Die Forscher prüften insgesamt 760 Pläne von Schulen.

Wo sehen die Experten noch Defizite?

Als Schwachstelle gilt die Anlieferung warmgehaltenen Essens. Wenn Spinat oder Blumenkohl über mehrere Stunden transportiert und in der Schule bereitgehalten werden, veränderten sich schon einmal Farbe, Geruch und Konsistenz, sagt Studienleiterin Ulrike Arens-Azevedo. „Einfach nur eklig“, schrieb ein Schüler in einen Fragebogen. Auch die Essensatmosphäre ist oft nicht optimal. Dabei hängt viel davon ab, überhaupt in Ruhe essen zu können. Die Mittagspausen dauern aber gerade einmal bei 39 Prozent der Schulen wie empfohlen länger als 46 Minuten. In 29 Prozent der Fälle haben die Kinder sogar nur 20 bis 30 Minuten, ehe es mit Unterricht oder Freizeitangeboten weitergeht.

Was sagen die Schülerinnen und Schüler?

So viele Gedanken wie die Ernährungswissenschaftler machen sich die Kinder nicht. Dabei sind sie die Kunden des „Restaurants Schule“. Für die Studie wurden deswegen auch mehr als 12 000 Schüler befragt - und verteilten recht freundliche Noten. Insgesamt bekamen die Mittagessen eine Art Zwei minus (2,6), wobei die Note Sechs fehlte. Die Gründe fürs Schul-Mittagessen sind naheliegend - etwa, dass nachmittags noch AGs folgen oder die Eltern arbeiten. Hauptgrund, nicht in die Mensa zu gehen, sind Geschmack und Aussehen der Speisen.

Wie kann das Angebot verbessert werden?

„Wir brauchen keine Bio-Spitzenköche bei den Caterern“, sagt Sabine Schulz-Greve, Sprecherin der Vernetzungsstellen für Schulverpflegung in den Bundesländern. Vor allem bei vegetarischen Gerichten sei die Fantasie aber steigerungsfähig. Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) wirbt dafür, bei Ausschreibungen DGE-Qualitätsvorgaben verbindlich zu machen. Die Länder sollten auch stärker kontrollieren, dass bei Transporten Hygienevorschriften etwa für Temperaturen heiß gehaltener Speisen befolgt werden. „Es wäre toll, wenn wir überall ein Salatbuffet hätten“, sagt Wissenschaftlerin Arens-Azevedo. Für gesundes Schulessen könnten sich aber auch Eltern stärker einsetzen.