Sadomaso für die Masse
Von Axel Halbhuber
Alle sagen dazu Sadomaso-Geschichte, nur die Domina-Ikone widerspricht. Für Contessa Juliette ist "Fifty Shades of Grey" nur "ein tolles Märchen. Schöner Milliardär verwöhnt Studentin, wie sich das jede Prinzessin wünscht". Echtes S/M sei jedoch eine Welt aus Schmerzensschreien und Peitschenhieben, wie Contessa in ihren Memoiren schreibt ("Der Engel mit der Peitsche", www.contessa.at).
Und doch ist "Fifty Shades of Grey" ein Massenphänomen mit klarer Botschaft: Wir dürfen ohne Scham über schmutzigen Sex reden. Drei Bücher, in 52 Sprachen 90 Millionen Mal verkauft, ab Donnerstag läuft die Bestsellerverfilmung in heimischen Kinos, alle Premieren restlos ausverkauft – die Geschichte um den versauten Manager und die unterjochte Studentin ist ein Erfolg, dem der Zusatz "Mega" passt. Protestbewegungen, die derzeit zum Filmboykott aufrufen – immerhin geht es ja um Gewalt gegen Frauen – bemerkt die erregte Masse kaum.
"Shades of Grey"-Fanartikel: Von sexy bis skurril
Zwei Eindrücke sind jedoch bemerkenswert: Wer die Bücher gelesen hat, nennt sie "schlecht". Und von Studien über die Domina bis zur Sextherapeutin schätzen alle den Anteil der S/M-Fans gering ein. Im Buch diene Perversion nur als Würze, sagt die Contessa. "Christian Grey ist ein verrückter Sadist. Bei S/M stehen Sicherheit und Verantwortung an höchster Stelle." Oft gibt es keine Berührung, höchstens Stiefellecken, die Domina ist angezogen, nur manche zeigen Busen oder Popo.
Für die Sexualtherapeutin Sandra Gathmann instrumentalisiert das Buch Bondage Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism, kurz BDSM (siehe Glossar unten): "Die Bezeichnung ‚Hausfrauen-Porno‘ greift zu kurz: Es ist ein Sehnsuchtsbild von postmodernen Beziehungen nach klaren Rollen. Doch auch Anastasias scheinbare Unterwürfigkeit ist mündiger Konsens." Ein umgekehrter Tabubruch: Frau gibt der Sehnsucht nach einem starken Mann nach, ohne das Gesicht zu verlieren.
Beziehungen sind heute komplizierter, weil sie meist frei äußerer Zwänge als "pure relations" nur der Liebe unterworfen sind und auf Augenhöhe sein müssen. "Dazu muss aber unglaublich viel verhandelt werden, das ist sehr anstrengend." Da tut so ein dominanter Knebelheld wie Grey gut. Für Gathmann hat nicht das Buch BDSM salonfähig gemacht, es fiel auf einen schon bereiten Boden. "Offenheit für außergewöhnliche Spielarten ist zum sozialen Status geworden."
Die Domina fände es tragisch, wenn S/M nach Vorbild des Buches beurteilt wird: "Ich war geschockt. S/M ist ein Spiel mit strengen Regeln, klarem Anfang und Ende." Man muss zwischen der Lust auf die Plüschhandschellen und echter Perversion unterscheiden. Die 83 Prozent, die laut Studie solche Fantasien haben, wollen nicht zwei Stunden geknebelt und in Latexmaske am Absatz der Domina nuckeln.
Die Sexualtherapeutin erklärt: "Bei einer tatsächlichen Paraphilie (sexuellen Abweichung, Anm.) oder Perversion kann man nur mehr dadurch Sexualität erleben. Das betrifft nur wenige. Das zunehmende Interesse daran gilt nicht BDSM an sich, sondern lustvolles Machtungleichgewicht hineinzubringen." Man muss sich vorher nicht auf Augenhöhe den Sex ausverhandeln, sondern kommt überein, dass einer dominiert.
Dank Grey können wir jetzt offen darüber reden.
Es ist ein bisschen wie Weihnachten. Die ganze Welt, so scheint es, fiebert dem 12. Februar entgegen, jenem Donnerstag, an dem "Fifty Shades of Grey" in die Kinos kommt. Endlich. Zwei Jahre lang haben sich die Meldungen zum S/M-Streifen überschlagen, vor allem, was die beiden Hauptdarsteller betrifft. Alexis Bledel, brave Vorzeigetochter aus "Gilmore Girls", wurde als potenzielle Anastasia Steele gehandelt, "Sons of Anarchy"-Star Charlie Hunnam als Idealbesetzung für Christian Grey. Vor gut einem Jahr war über den Dächern Hollywoods weißer Rauch aufgestiegen: Dakota Johnson, 25-jähriger Schauspiel-Spross von Melanie Griffith und Don Johnson, spielt Anastasia, Schönling Jamie Dornan (32) den geheimnisvollen Mr. Grey.
Im Film wird der Ire viel, aber nicht alles preisgeben: Eine vertraglich festgelegte "Penis-Klausel" sorgt dafür, dass Dornans Körpermitte verhüllt bleibt. Mit den "fesselnden" Passagen wartete Regisseurin Sam Taylor-Wood (47) übrigens bis zum Ende der Dreharbeiten – die Crew und die Hauptdarsteller sollten einander kennen und vertrauen. Weil die Sex-Szenen 20 Prozent des Films ausmachen, wurde er in Großbritannien erst ab 18 freigegeben. Eine Einstufung für Österreich gibt es noch nicht, dafür aber 30.000 vorverkaufte Tickets. In Malaysia zeigte man sich weniger angetan: Der Film sei "pornografisch" und wurde im ganzen Land verboten.
- BDSM steht für Bondage Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism – Überbegriff für eine Gruppe sexueller Vorlieben, die mit Dominanz und Unterwerfung sowie Lust am Schmerz in Zusammenhang stehen.
- Dominant Der „Dom“ oder auch „Top“ ist der aktive Teil in einer S/M-Session. Er übt Schmerz und Erniedrigung auf seinen passiven Partner aus, z. B., indem er ihm den Hintern versohlt oder ihn mit heißem Wachs übergießt.
- Submissiv Der als „Bottom“ oder „Sub“ bezeichnete Partner setzt sich für die Dauer der Session freiwillig den Handlungen des Dom aus und ist somit der passive Partner. Die Unterwerfung des Sub wird manchmal durch Symbole wie ein besitzanzeigendes Halsband demonstriert.
- Safeword Vor der Session wird ein beliebiges Wort vereinbart. Wenn der Sub dieses Wort ausspricht, weil er etwas physisch oder psychisch nicht aushält, muss der Dom sofort mit seiner Handlung aufhören. Kann der Sub nicht sprechen (weil eine Maske, Knebel oder ähnliches verwendet wird), ist ein Bewegungszeichen zu vereinbaren (Kopf neigen oder schütteln).