Leben/Gesellschaft

Selfie-Stange: Alte Idee, neuer Hype

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"Wenn Bradleys Arm nur länger wäre", schrieb US-Moderatorin Ellen DeGeneres, als sie das legendäre Oscar-Selfie vor einem Jahr auf Twitter postete. Schauspielstar Bradley Cooper, der auf den Auslöser drückte, hatte Mühe, alle hinter ihm stehenden Hollywoodstars aufs Bild zu bekommen – sein Arm war einfach zu kurz.

Für dieses "First World Problem" gibt es nun eine Lösung: den Selfie-Stick. So nennt sich die ausziehbare Stange, an deren Ende das Smartphone oder die Digitalkamera eingeklemmt und so der Selfie-Winkel vergrößert wird. Das ist nicht nur bei Oscar-Verleihungen praktisch, sondern auch vor hohen Sehenswürdigkeiten wie dem Eiffelturm oder Gruppenfotos mit der ganzen Clique. Vorbei sind die Zeiten, in denen man fremden Passanten seine Kamera anvertrauen musste, um alle(s) ins Bild zu bekommen.

Wer hat's erfunden?

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Erfunden hat’s ein Kanadier, und zwar – überraschenderweise – schon lange vor der "Generation Selfie". Im Jahr 2002 urlaubte der Unternehmer Wayne Fromm (60) mitsamt Familie in Florenz und hatte dasselbe Problem wie Millionen andere Touristen: Er schaffte es nicht, ein Gruppenfoto plus Sehenswürdigkeiten zu schießen, und es war ihm unangenehm, ständig einen Fremden um Hilfe zu bitten.

Auch nach dem Urlaub vergaß der studierte Psychologe das Problem nicht und begann, an einem Fotografie-Tool zu tüfteln. Zwei Jahre später ließ Fromm, der sich zuvor hauptsächlich an Spielzeug-Erfindungen versucht hatte, den zwischen 25 und 60 Euro teuren Quik Pod – wie er seinen Selfie-Stick nannte – patentieren.

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Trotzdem blieb die Stange jahrelang ein Nischenprodukt, das vor allem Extremsportler für aufregende Kletter- oder Surf-Fotos verwendeten. In den Fußgängerzonen und Tourismus-Hotspots hielt der Selfie-Stick erst Jahre später Einzug. Schuld daran mag US-Talkmasterin Oprah Winfrey sein, die den modernen Zauberstab auf ihrer Website anpries. Oder Justin Bieber, der sich damit in einem seiner Musikvideos filmte. Das renommierte Time Magazine zählte den Quik Pod zu den "besten Erfindungen des Jahres 2014" (siehe unten).

Der Siegeszug der Foto-Stange ist der vorläufige Höhepunkt der Selfie-Mania: 57 Prozent der 14- bis 29-Jährigen machen mit der Handykamera regelmäßig Fotos von sich und posten sie auf Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Facebook, ergab eine Studie vom Institut für Jugendkulturforschung. 2013 wurde "Selfie" zum englischen Wort des Jahres, 2014 zum Jugendwort des Jahres gewählt.

Mehrere hunderttausend Stück hat Wayne Fromm nach eigenen Angaben verkauft. Den Vorwurf, die Stange würde lächerlich aussehen, lässt er nicht gelten: "Das war dem Erfinder der Sonnenbrillen ja auch egal."

Jeden November veröffentlicht das US-Magazin Time eine besondere Liste: Sie beinhaltet die laut Redaktion 25 besten Erfindungen des vergangenen Jahres aus den Bereichen Technologie und Lifestyle, die unser Leben "besser, smarter und ein bisschen lustiger" machen sollen.

Der Selfie-Stick schaffte es ins aktuelle Ranking – und befindet sich in prominenter Gesellschaft: Auch die heuer gelaunchte Apple Watch und 3-D-Drucker dürfen sich zu den "25 Besten" zählen; außerdem ein Chip, der bei schlechter Körperhaltung Alarm schlägt, ein Ring, der leuchtet, wenn man eine SMS erhält, essbare Verpackungen sowie weibliche Actionfiguren, die das Selbstwertgefühl von Mädchen stärken sollen. 2013 schafften es u. a. der Cronut (Mischung aus Croissant und Donut) und eine künstliche Bauchspeicheldrüse auf die Liste.

Die aktuelle Liste finden Sie hier.

Belfie. Kim Kardashian hat’s vorgemacht: Bilder von der eigenen Rückseite, für die es mittlerweile einen speziellen "Belfie-Stick" gibt. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort für Po ("butt") und "Selfie" zusammen.

Bifie. Hat nichts mit dem Bildungsforschungsinstitut zu tun, sondern mit Bademode: "Bifies" sind Selfies im Bikini.

Felfie. Auch Landwirte greifen mitunter zum Smartphone – die Selbstbildnisse mit Tieren heißen "Felfies" (Farmer’s Selfie) und haben einen durchaus ernsten Hintergrund: Sie sollen oft einsame Bauern zusammenbringen.

Healthie. Fotos, die beim Sport entstehen. Signalisiert: Ich schau' auf meinen Körper, ich lebe gesund.

Relfie. Selbstbildnisse von glücklichen Paaren, sogenannte "Relationship Selfies".

Suglie. Wer ein "ugly selfie" schießt, beweist mit Grimassen Mut zur Hässlichkeit.

Ussie. Selfie von einer Gruppe ("us") – funktioniert am besten mit dem Selfie-Stick.

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