Schmutzige Geschäfte mit Althandys
Von Claudia Zettel
Der Handymarkt weist beeindruckende Zahlen vor: Allein im dritten Quartal 2012 wurden weltweit 428 Millionen Mobiltelefone verkauft. Davon sind bereits 39,6 Prozent Smartphones. Mittlerweile gibt es fast genauso viele aktivierte Handys wie Menschen auf der Welt. Laut einem UN-Bericht, der im Frühling veröffentlicht wurde, zählt Indien heute mehr Handys als Toiletten. In Österreich wurden allein im vergangenen Jahr drei Millionen Handys verkauft, weltweit waren es fast 1,8 Milliarden. Der Trend zeigt weiter nach oben. Besonders vor Weihnachten legt das Geschäft mit den elektronischen Geräten traditionell nochmals um ein Vielfaches zu, bei vielen steht ein neues Smartphone ganz oben auf der Wunschliste.
Doch kaum jemand macht sich Gedanken darüber, was mit den alten, ausrangierten Geräten passiert. Nach wie vor werden riesige Mengen an alten Geräten nicht fachgemäß entsorgt oder ordentlichen Recyclingprozessen zugeführt. Die Probleme sind vielfältig. Häufig werden die Althandys immer noch einfach in den Hausmüll geworfen und landen in Müllöfen, die in den Geräten verarbeiteten Schwermetalle und Schadstoffe sorgen dann für erhebliche Umweltbelastungen.
Illegal entsorgt auf Müllhalden
Seit Jahren landen Tonnen an Elektronikschrott illegal auf Müllhalden in Entwicklungsländern, das zeigt etwa das Beispiel Ghana. Auch mit Althandys werden nicht selten zwielichtige Geschäfte gemacht. In China ist das zweifelhafte Geschäft mit alten Mobiltelefonen in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, wie ein Cnet-Bericht beschreibt. Am Ende landen die giftigen Komponenten in der Regel immer auf riesigen Müllhalden in Städten wie Guiyu, die heute fast schon ein Synonym für Elektroschrott sind. Zehntausende sogenannte E-Waste-Arbeiter versuchen dort unter primitivsten, höchst gesundheitsschädlichen Bedingungen das sprichwörtlich Letzte aus den Geräten herauszuholen. Vielfach wird der Elektroschrott einfach verbrannt.
Gleichzeitig gelangen Schwermetalle und Schadstoffe oftmals in Grundwasser und Boden und verseuchen damit ganze Landstriche. Lithium beispielsweise, das einen Hauptbestandteil von Handy-Akkus bildet, kann das Nervensystem des Menschen und die Organe erheblich schädigen. Aber auch Nickel, Silber und Kadmium können zu gefährlichen Schäden der menschlichen Organe führen.
Laut der österreichischen Organisation Südwind gibt es mittlerweile Millionen Gebraucht-Plattformen im Internet, wo alte Handys oftmals unter falschen Vorgaben weiterverkauft werden, um dann auf solchen Müllhalden zu landen. "Beim Handy-Recycling steht ein riesiger Markt dahinter", sagt Christina Schröder, Sprecherin von Südwind, zur futurezone. Es gebe einen riesigen Handel mit Gebrauchthandys, weil sie wichtige Rohstoffe enthalten, die sich weiterverwenden lassen.
Südwind rät daher eindringlich dazu, Elektroschrott zu offiziellen Sammelstellen (siehe zb Information der Stadt Wien) zu bringen und nicht auf private "Initiativen" hereinzufallen, weil dort die Handys eben oftmals nicht vorschriftsmäßig recycelt werden."Und keinesfalls natürlich, sollte man die Geräte einfach in den Müll werfen", betont Schröder. Gleichzeitig weisen Organisationen wie Greenpeace und Südwind regelmäßig darauf hin, sich vor Augen zu halten, dass die nachhaltigsten Geräte jene seien, die man gar nicht erst kauft. Nicht jedes Jahr müsse ein neues Smartphone unter dem Weihnachtsbaum liegen.
In der Schublade
Ein weiteres Problem: "Der Großteil der alten Handys in Österreich vergammelt derzeit weiterhin in den Schubladen", sagt Schröder. "Viele trennen sich einfach nicht davon, weil sie glauben, dass sie das alte Handy schon irgendwann einmal wieder brauchen werden." Das sei jedoch in den seltensten Fällen so, weshalb Südwind auch in diesem Punkt dazu aufruft, Alt-Geräte über offizielle Stellen zu entsorgen.
Der Trend zur Schublade ist darüber hinaus kein österreichischer, sondern bestätigt sich weltweit. Das zeigt auch eine aktuelle Erhebung des Sicherheitsunternehmens Lookout. Eine Umfrage unter Briten und US-Amerikanern kam zu dem Ergebnis, dass tatsächlich Millionen ungenutzter Handys in den Haushalten liegen. Allein in Großbritannien sind mehr als 28 Millionen Handys nicht mehr in Gebrauch. So besitzen 55 Prozent der Befragten mindestens ein ungenutztes Mobiltelefon, 19 Prozent haben bereits drei alte Mobiltelefone zu Hause liegen. In den USA zeigt sich ein ähnliches Bild, dort sind es 62 Prozent, die mindestens ein nicht genutztes Mobiltelefon besitzen, elf Prozent der Befragten bewahren sogar vier alte Handys auf.
In Deutschland ist der Drang zum Horten sogar noch größer. Laut einer Bitkom-Umfrage liegen in dem Land inzwischen fast 86 Millionen alte Handys ungenutzt in Kellern und Schubladen. Gegenüber dem Vorjahr ist das wiederum eine Steigerung von drei Prozent. 70 Prozent aller Befragten sagten, sie hätten derzeit mindestens ein altes Mobiltelefon zu Hause, 23 Prozent haben mindestens zwei. Wie die Organisation Südwind betont auch der Verband Bitkom, dass ein ordnungsgemäßes Recycling unerlässlich wäre. „Handys enthalten viele wertvolle Rohstoffe, die in die Wertstoffkreisläufe zurückgeführt werden müssen", so Bitkom-Präsident Dieter Kempf.
Ordnungsgemäße Entsorgung
Neben den bereits genannten offiziellen Sammelstellen und Recyclinghöfen gibt es auch die Möglichkeit, alte Handys direkt bei den Mobilfunkbetreibern abzugeben. Manche Unternehmen belohnen dies sogar mit Gutscheinen oder spenden pro zurückgegebenem Gerät einen kleinen Betrag an an Umwelt-, Sozial- oder andere Hilfsprojekte. Daneben haben sich auch Initiativen wie die Ö3-Wundertüte etabliert, die alte Handys einsammeln und reparieren oder einem Recyclingprozess zuführen. Allerdings ist trotz unbestritten guter Intention auch hier nicht immer zu 100 Prozent gewährleistet, dass die Geräte nicht in weiterer Folge in chinesischen Fabriken landen, wo sie unter schlechten Arbeitsbedingungen "weiterverarbeitet" werden.
Ein wichtiger Punkt beim fachgerechten Recycling ist auch, dass der Akku vom Gerät getrennt und separat entsorgt wird. Generell werden defekte Geräte entweder repariert und dann wieder verkauft oder aber in ihre Einzelteile zerlegt. Gewonnene Altstoffe dienen dann entweder als Ersatzteile oder aber werden einer stofflichen Verwertung zugeführt.
In diesem Sommer hat die EU auch strengere Vorgaben für Elektroschrott eingeführt. Mit der neuen EU-Richtlinie werden ab 2016 Rücknahmeziele für verkaufte Elektronikgeräte von 45 Prozent des Durchschnittsgewichts der Geräte eingeführt. Bis spätestens 14. Februar 2014 müssen die großen Händler ein kostenloses Rückgabe-Programm für kleine Geräte, wie zum Beispiel Mobiltelefone, anbieten. In Deutschland wird inzwischen auch über eine Art Handy-Pfand nachgedacht, das bis zu 100 Euro betragen und zu einer Steigerung des ordnungsgemäßen Recyclings führen soll.
Alternativen
Das Problem der Entsorgung beginnt naturgemäß bereits in der Produktion. Wie der jährliche Greenpeace-Report "Grüne Elektronik" zeigt, haben die meisten Elektronikhersteller nach wie vor großen Nachholbedarf, wenn es um umweltfreundliche und energiesparende Produktion geht. Am schlechtesten schnitt zuletzt zum bereits zweiten Mal in Folge der Blackberry-Hersteller RIM ab. Hinzu kommen die teils dramatischen Arbeitsbedingungen wie bei dem chinesischen Apple-Zulieferer Foxconn.
In den Niederlanden gibt es eine Initiative, die versucht, das weltweit erste Smartphone auf den Markt zu bringen, das frei ist von groben Umweltsünden, Ausbeutung oder der Verwicklung in Kriege. Die gemeinnützige Organisation nennt sich „Waag Society" und entwickelt derzeit das sogenannte "Fairphone", dessen Innovation weniger technischer Natur sein soll, als dass ein ethischer Herstellungsprozess im Mittelpunkt steht, wie das Team kürzlich gegenüber der TAZ betonte.
Ein zu 100 Prozent faires Gerät werde auch bei den größten Anstrenungen nicht gelingen, gestehen die Entwickler ein. Aber zumindest werde alles nur Mögliche unternommen und versucht, um das Gerät ethisch zu produzieren. Die Waag Society legt etwa besonderen Wert darauf, Transparenz zu schaffen, arbeitet mit NGOs zusammen und schließt sich anderen Initiativen an, die sich ebenfalls einer fairen Produktion verschrieben haben. Das fertige Handy soll, sofern alles nach Plan verläuft, im Herbst 2013 in einer ersten Auflage von 10.000 Stück auf den Markt kommen und sich preislich zwischen 250 und 300 Euro bewegen.
Kein Hersteller zu empfehlen
Letztlich gibt es laut Südwind keine bekannte Handymarke, die die Organisation mit gutem Gewissen empfehlen würde. "Wenn wir aber gemeinsam die Unternehmen dazu aufrufen, ihre Ausbeutung zu stoppen, und neben einem guten Preis und Qualität auch die Erfüllung sozialer Standards in der Produktion verlangen, können wir zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Handyindustrie beitragen", sagt Schröder. Konsumenten sollten klarstellen, dass ihnen Arbeits- und Menschenrechte in der Herstellung, aber auch beim Recycling ein Anliegen sind, indem sie sich explizit danach erkundigen, sagt die Expertin. Das kann entweder direkt im Handy-Shop oder bei den Zentralen der Handy-Hersteller erfolgen. Die Organisation lädt die Konsumenten auch dazu ein, ihre Petition an Handy-Hersteller auf der Südwind-Webseite zu unterzeichnen.