Leben/Gesellschaft

Raumsonde "Rosetta" im Anflug auf Komet "Tschuri"

Weiterhin auf Kurs! Der Direktor des in Graz ansässigen Instituts für Weltraumforschung, Wolfgang Baumjohann, kann und will seine Freude nicht verbergen. Die Raumsonde "Rosetta", in der jede Menge österreichischer Forscher- und Technikergeist drinnensteckt, wird heute, Mittwoch, das nächste große Etappenziel erreichen.

Bereits vor mehr als zehn Jahren mit einer Ariane-Rakete ins Weltall geschossen, hat die Sonde bereits mehr als sechs Milliarden Kilometer zurückgelegt, dabei fünf Mal die Sonne umkreist und bei Vorbeiflügen an Erde und Mars ordentlich Geschwindigkeit aufgenommen.

Heute, Mittwoch, soll die "Rosetta" quasi in die Sphäre des Kometen "Tschurjumow-Gerassimenko" (die Forscher nennen ihn liebevoll "Tschuri") eintreten, seine Reisegeschwindigkeit sukzessive auf 55.000 km/h reduzieren und sich dem Kometen Kilometer für Kilometer annähern. Aus einer Entfernung von hundert Kilometern wird sie ab morgen erste detailgenaue Bilder liefern.

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Missratene Kartoffel

Der kleine "Tschuri" (misst weniger als vier Kilometer im Durchmesser) gilt als einer der ursprünglichsten Himmelskörper. Er besteht in erster Linie aus Eis und aus Staub. Seine Form beschreibt der Forscher als "missratene Kartoffel". Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hofft jedenfalls, bei dieser von langer Hand geplanten Mission mehr über die Entstehung des Sonnensystems und des Lebens zu erfahren.

Was den erfahrenen Weltraumforscher Wolfgang Baumjohann freut, was er aber nicht an die große Glocke hängt: Als die "Rosetta" am 2. März 2004 startete, war bereits klar, dass sie im August 2014 dem Kometen sehr nahe kommen wird. Seine Kollegen werden dennoch kein Flascherl zur Feier des Tages aufmachen. "Das haben wir schon im April getan, als wir die Computer der Sonde aus einem 957 Tage langen Schlafmodus geholt haben."

Bange halbe Stunde

Nach einer bangen halben Stunde in den auf Europa verteilten Forschungseinrichtungen gingen alle Instrumente wieder in Betrieb, was jeder sofort zu schätzen weiß, der schon einmal sein Auto nur einen Winter lang in der Garage stehen ließ.

Definitiv gefeiert werden soll wieder im November. Wenn sich die in Österreich mitentwickelten Hightech-Harpunen des Landegeräts "Philae" in den wahrscheinlich eisigen Untergrund des Kometen bohren sollen. "Das wird spannend", weiß der Experte. "Im Moment wissen wir noch nicht, wo wir landen werden und wie dort der Boden beschaffen ist." Die kommenden Wochen sollten immerhin etwas mehr Planungssicherheit ermöglichen.

Längst arbeiten seine Kollegen, Forscher wie Techniker, an neuen Abenteuer-Reisen. Im Jahr 2016 will man den Merkur ins Visier nehmen, und 2024 zum Jupiter. "Da werde ich als Gärtner die Pension genießen oder mir die Blumen von unten ansehen", sagt Baumjohann über die Endlichkeit eines Forscherlebens. Geplante Landung auf dem Jupiter: 2032.

Soll bitte niemand sagen, dass Astrophysiker keine Ängste haben. Univ.-Prof. Werner W. Weiss brachte Dienstagfrüh auf seinem Institut in der Wiener Türkenschanzstraße zu – und wusste, dass die Zukunft des ersten österreichischen Forschungssatelliten UniBRITE buchstäblich in den Sternen stand.

Die bange Frage: Wird UniBRITE über eine der beiden Bodenstationen in Toronto bzw. Graz fliegen und ein Signal absetzen? Oder gibt es kein Signal mehr? Dann hätte der Splitter eines chinesischen Wettersatelliten nicht nur viel Forschungsgeld verbrannt, sondern auch jahrelange Vorarbeiten von einem 70-köpfigen Forscher- und Technikerteam aus Kanada, Polen und Österreich jäh zerstört.

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Und dann war sie plötzlich da, die Meldung aus Toronto! Es war exakt 7.31 Uhr Ortszeit (11.31 Uhr MEZ), rund fünf Stunden nach der kritischen Begegnung im Weltraum: "Yes! Es wurden zwei Überflüge registriert und es gab auch für 9,5 Minuten Funkkontakt!"

Mit "dem Ausdruck der Erleichterung" konnte der Wiener Astrophysiker danach das Interview mit dem KURIER fortsetzen. Sukkus seiner Ausführungen: Guat is gangan, (noch) nix is gschehn! Doch noch ist im All nicht aller Tage Abend. Der nächste Kollisionskurs sei vorprogrammiert, weiß Weiss. Der Wissenschaftler empört sich, dass das chinesische Militär zu Testzwecken einen ihrer (IKEA-Kommode-großen) Wettersatelliten abgeschossen hat. Seither gefährden kleine Splitterteile, auch als Weltraumschrott bezeichnet, die zivilen Forschungsaktivitäten im All.