Petsharing: Ein tierischer Liebling für zwei
Von Hedwig Derka
Früher Morgen. Lea liegt im Auto und genießt die Fahrt. Seit zwei Monaten lebt die wohlerzogene Promenadenmischung in Oberösterreich. Ihre Besitzer sind berufsbedingt von Wien nach Steyr übersiedelt – ohne Eltern und Schwiegereltern, die immer gern als Hundesitter eingesprungen sind. Jetzt geht es Richtung Leih-Frauerl. Das erste Beschnüffeln hat bereits stattgefunden. Die Chemie zwischen der ehemaligen Straßenhündin aus dem Osten und der alleinstehenden Dame, der ein eigener Hund zeitlich zu viel wäre, stimmt.
Lea und ihre Teilzeit-Halterin haben über PETtogether zusammengefunden. Besitzer Max hat seinen "Traumhund – unkompliziert, brav, sensibel" kostenlos bei der neuen Vermittlungs-Plattform angemeldet. Innerhalb kürzester Zeit haben sich vier Sharing-Interessenten gemeldet.
Idee
"Wir sind mit PETtogether vor zwei Monaten online gegangen. Seither haben wir 120.000 Seitenaufrufe, 600 Registrierungen von Suchenden und 190 Tiere", führt Jungunternehmerin Tanja Linke an. Die Plattform vereint Haustierbesitzer, die Unterstützung brauchen, und Tierfreunde, die keine Verantwortung übernehmen können. Die Grafikerin im Hauptberuf praktiziert das Dog-Sharing selbst schon seit drei Jahren. Ihr Pflegling Paula gehört einer Rechtsanwältin. Linke kann ihr Verwöhnprogramm mit dem Cavalier King Charles Spaniel fast jederzeit durchziehen. Das Vertrauen ist da, der Wohnungsschlüssel übergeben, ein Anruf genügt. Geteilt werden in erster Linie Spiel- und Spazierzeiten, Kosten für Futter, Logis und Tierarzt trägt die Besitzerin. Die Zuneigung muss nicht geteilt werden. Alle sind vernarrt in Paula – und umgekehrt. Das Glück des Hundes steht im Vordergrund.
Zahlen
Der eine sucht einen Freund und Auskenner für die zwei Meter lange Boa Constrictor – langfristig. Der andere will einen Platz für den süßen Kaninchenrammler Alisha. Der Nächste braucht einen Katzensitter für die Urlaubswochen. Und ein anderer sehnt sich nach einem vierbeinigen Laufpartner. Geld fließt keines – weder für die Vermittlung, noch für die Betreuung. Wer ein Haustier auf Zeit übernimmt, will sich kein Zubrot verdienen, sondern eine tierische Freundschaft genießen.
Paten-Hund
Studentin Agnes ist ein Hundemensch. Budget für ein eigenes Haustier fehlt, die Wohngemeinschaft eignet sich ebenso wenig. Über PETtogether hat sie mittels Suchfilter für Bundesland, Stadt und Tierart rasch "Any Kind of Dog" als Paten-Hund auserkoren. "Ich bin mit dem Rad hingefahren, die Stimmung war locker, Any war brav, es hat gleich gepasst", erzählt die 21-Jährige. So kann der kleine Mischling auch mit auf die Grazer Uni. Haustier, Besitzerin und Leih-Halterin freuen sich über die Gesellschaft.
Wissen
"Petsharing ist anspruchsvoller, als ein Auto oder die Couch zu teilen. Die Tiersitter müssen Wissen und Erfahrung zur Betreuung mitbringen", betont Linke. Die Überprüfung der Qualifikation kann freilich nicht via Internet erfolgen. Das liegt an den handelnden Personen – und ihren besten Freunden.
Bei der Promenadenmischung Lea in Oberösterreich hat es beim dritten Kennenlernen gefunkt. Sie wird einen herrlichen Tag bei der freundlichen Dame verbringen, um am späten Nachmittag mit Wiedersehensfreude die Rückfahrt nach Hause anzutreten.
Jeder Mensch hat seine Gewohnheiten, jede Familie ihre Dynamik, jedes Zuhause eigene Gerüche und Geräusche. Lassen sich Hund, Katze und Papagei hin- und herschieben? KURIER-Tiercoach Katharina Reitl erklärt, unter welchen Voraussetzungen Haustiere zur Freude aller „geteilt“ werden können.
KURIER: Funktioniert Petsharing in der Praxis?
Katharina Reitl: Man kann Haustiere durchaus teilen, wenn die Sharing-Partner über lange Zeit gleich bleiben. Zu viele Bezugspersonen tun nicht gut. Die meisten Tiere brauchen Regelmäßigkeit. Außerdem muss im Vorfeld genau ausgemacht werden, wer welche Rechte und Pflichten hat. Da geht es um die Versicherung, Unfall, Tierarztkosten ...
Eignen sich alle Haustierarten für diese Form der Betreuung?
Gerade Hunde kommen in der Regel mit bis zu drei Betreuern super zurecht. Auch bei manchen Katzen kann Petsharing klappen – vor allem, wenn die Betreuung für längere Zeit wechselt. Katzen für einen Tag auszuborgen, das geht nicht. Kleintiere wie Kaninchen oder Vögel leiden beim Transport, sie haben massiven Stress.
Was kann eine Plattform wie Pettogether leisten?
Das Internet erleichtert die Suche nach einem Sharing-Partner bzw. nach einem Leih-Haustier. Man kann davon ausgehen, dass sich engagierte Menschen registrieren und melden. Die nehmen sich dann wirklich Zeit, das ist oft besser als ein Freundschaftsdienst von einem Bekannten oder Nachbarn.
Wo liegen die Grenzen der Vermittlung?
Die Plattform kann nur den Kontakt herstellen. Ohne Kennenlernen und Kontrolle darf man sein Haustier niemandem anvertrauen. Die Sharing-Partner sind ja nicht geprüft, vielleicht kennt sich der Interessent nicht so gut aus. Man muss sehr genau schauen, ob Mensch und Tier zusammenpassen. Es müssen sich die Richtigen finden.