Egal, wie es auf dem Spielfeld läuft – wer Fußballbilder sammelt, hat das Gefühl dabeizusein. Dem Phänomen Panini-Pickerl auf der Spur.
"Julian Baumgartlinger“, sagt Eleni wie aus der Pistole geschossen, wenn’s um den besten österreichischen Kicker bei der EM in Frankreich geht. Eleni ist zwölf, hat selbst bei der Vienna im Mittelfeld gespielt, konzentriert sich derzeit aber mehr auf ihre schulische Laufbahn. Und aufs Sammeln von Panini-Fußballbildern. Das Pickerl mit Liebling Julian hat Eleni schon lange, ihr Album ist beinahe voll. „110 Sticker hab ich noch gebraucht, als wir hergekommen sind – und jetzt fehlen nur noch 30!“, sagt sie strahlend. Wir sind im Café „Pulse“ im 7. Bezirk, auf einer der vielen privat organisierten Tauschbörsen Wiens. „Aber so viele Treffer hatten wir selten“, erklärt Elenis Vater. Der Schanigarten ist voll, an jedem Tisch wird gestöbert, die Zahlen auf den Rückseiten der Pickerln werden mit mitgebrachten Listen verglichen, manche handgeschrieben, manche professionell als Excel-Tabellen ausgedruckt.
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Was auffällt: Kinder wie Eleni sind in der Minderheit. Hauptsächlich gehen Erwachsene auf Panini-Jagd. „Wobei hier im Pulse eh verhältnismäßig viele Kinder mittauschen. Ich war schon bei Börsen, die ausschließlich von Erwachsenen besucht wurden“, sagt Hans vom Nebentisch. Er ist ein Veteran, der sich 2008 den Kindheitstraum eines lückenlos gefüllten Albums erfüllt hat. Früher schoben doch die Eltern oft einen Riegel vor, damit für „so einen Blödsinn“ nicht über Gebühr Geld ausgegeben wird. Jetzt sind die Buben von einst selbst Väter – und sammeln mit Leidenschaft. „Billig isses nicht“, gibt auch Leonhart zu, „aber ich hab heuer ziemlich genau Buch geführt. Mit 90 Euro könnte ich es diesmal schaffen.“ Alles eine Frage des Einsatzes, also der aktiven Beteiligung an den Tauschbörsen. Wer versucht, sein Album nur mit gekauften Karten vollzukriegen, legt schnell über 500 Euro ab.
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Die fleißigsten
Sammler waren übrigens jahrelang die Schweizer, 35
Sticker fielen im Schnitt auf jeden Einwohner. Aktuell wurden die Eidgenossen angeblich von den Österreichern überholt … Müssen sich Panini-Sammler eigentlich auch tatsächlich beim Fußball auskennen? „Müssen tun s’ nicht“, sagt Hans und grinst, „aber die meisten interessieren sich schon ein bissl dafür.“ Und so wird der Abend im Pulse bei Gesprächen über Rapid und
Salzburg, Kollers Aufstellung und die österreichische Chance aufs Erreichen der K.-o.-Runde ein relativ langer. Eleni hat inzwischen wohl ihre 80 neuen Pickerln eingeklebt und liegt selig im Bett …
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Dass ihre neue Geschäftsidee zu einem derartigen Massenphänomen werden könnte, haben sich die Brüder Cosimo, Giuseppe, Umberto und
Benito Panini wohl nicht träumen lassen, als sie vor genau 55 Jahren das allererste Panini-Sammelheft herausbrachten. Mama Veronica gehörte ein Zeitungsstand in der Altstadt
Modenas, die Buben hatten schon in den 1950ern mit dem Verkauf von Blumenbilder-Sammelkarten herumexperimentiert. Ohne großen Erfolg. Quasi nebenbei kauften sie einen Posten mit Abziehbildern sämtlicher Fußballspieler der Serie A billig von einem Mailänder Unternehmen, das darauf sitzengeblieben war. Sie verkauften auf Anhieb drei Millionen Päckchen mit je zwei
Stickern Inhalt. Der Rest ist Geschichte.
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Heute erwirtschaften 900 Panini-Angestellte weltweit einen Umsatz von 600 Millionen Euro im Jahr. Seit der Gründung wurden sagenhafte 20 Milliarden Pickerln verkauft – und trotz digitalem Multimedia-Zeitalter, in dem nur angesagt ist, was online ausgetauscht und verbreitet werden kann, ist für den Boom die charmant altmodischen Tütchen noch lange kein Ende abzusehen. Immerhin gibt es inzwischen eine Panini-App, die die Verwaltung der eigenen Sammlung vereinfacht. Tauschen muss man allerdings noch immer persönlich. Vor Ort.
Anachronistisch? Vielleicht ja. Andererseits ist es eben einfach so: Menschen sammeln gern. Ein Urinstinkt, wie das Jagen. Atavistische Vergnügungen also, denen wir in vielen Spielarten frönen. Fußballerkarten sammeln gehört zu den harmloseren. Ein Vergnügen, dass uns außerdem dazu bringt, schon beim Aufreißen der Briefchen Kindheitsträume wieder und wieder zu erleben – und sicher in einem bunten Album zu verwahren, auf dass sie nicht davonfliegen. Damit erklärt sich dann auch die manchmal ans Verbissene grenzende Dringlichkeit, mit der Sammler hinter den kleinen Bildern her sind. Meist sind es Erwachsene.
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Als ich meinem sechsjährigen Sohn die zu einem ordentlichen Stapel angewachsenen Paninipickerl, die er doppelt hat, zum Tauschen in die Schule mitgegeben habe, kam er am Abend ohne einen einzigen Sticker nach Hause. Auf die Frage, wo sie denn seien, meinte er: „Alle getauscht!“ Und die, die er dafür bekommen hat? „Ich hab keine bekommen. Ich hab sie natürlich mit den Freunden getauscht, die keine hatten.“ Schön, wenn man so eine ernste Angelegenheit noch so locker sehen kann. Über das Prinzip des Tauschens werde ich allerdings demnächst mal mit ihm reden müssen.
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„Tschutten“ heißt „kicken“. Auf Schweizerisch. „Tschutti- bildli“ sind in gewisser Weise die hippe Schweizer Antwort auf den Mainstream des Panini-Sammelns. Seit 2006 bringt ein Verein mit Sitz in Luzern von Künstlern und Karikaturisten gestaltete Fußballerbilder auf den Markt. Ursprünglich nur für Freunde gedacht, wurden die Sticker schnell so beliebt, dass sie in großem Stil gefertigt wurden. Ein Teil des Erlöses geht an einen guten Zweck.
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Gedruckt werden die „Bildli“ übrigens in
Modena, in der Druckerei von
Antonio Panini. Der Sohn des Gründers Giuseppe Panini mag die
Sticker der Konkurrenz angeblich so gerne, dass er sie selber sammelt ... Für die aktuelle EM in
Frankreich beträgt die Startauflage immerhin schon 4 Millionen Bilder. Und zum ersten Mal werden sie auch in
Österreich vertrieben. Ob sich Marko „Paris Oida!“ Arnautović darüber freut?
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Wann: Mittwoch 22. Juni, ab 15 Uhr
Wo: Summerstage, Roßauer Lände, direkt am Donaukanal, 1090
WienUnd hinterher: ab 18 Uhr Public Viewing des letzten Gruppenspiels der Österreicher gegen
Island!
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Die Fußball-WM 1974 in Deutschland brachte Panini-Bilder erstmals auch zu uns. Österreich war zwar nicht qualifiziert, aber als eine der bekannteren „Leider nicht“-Mannschaften trotzdem im Heft vertreten. Peinlich nur, dass Willy Kreuz bei Panini August Starek hieß, während der echte „schwarze Gustl“ als Kurt Jara auflief ...
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