Leben/Gesellschaft

Ein Gott, der den Menschen dient

Der historische Gründonnerstag war das, was man einen dichten Tag nennt: Jesus eröffnet seinen Jüngern beim Abendessen endgültig, dass sein Tod unumgänglich sei. Die finden das noch immer nicht so toll, schließlich erwarten sie von ihm eine spektakuläre Befreiung und den Beginn der neuen Zeit. Als dann alle im Nachtlager Garten Getsemaneh schlafen, betet Jesus zu seinem Vater, er spricht ihn sogar direkt an. Er zweifelt selbst noch einmal – "Lass den Kelch an mir vorübergehen" – und ergibt sich schlussendlich doch dem nötigen Tod – "aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe."

Gott und Mensch

Für Dominik Orieschnig, Sprecher der Diözese Eisenstadt, ist dieser Zweifel auch Beleg des menschlichen Jesus: "Er war wahrer Gott und wahrer Mensch. Die Jünger waren enttäuscht, aber er wollte ihnen keine Lösungen servieren." Jesus wusste, dass es eine Erneuerung von den Aposteln heraus geben muss, keine verordnete. Dieser Gedanke wurde in der Geschichte von Denkschulen aufgegriffen, der französische Literatur-Nobelpreisträger André Gide brachte es auf den Punkt: "Glaube denen, die die Wahrheit suchen, und zweifle an denen, die sie gefunden haben." Heute sind schnelle Lösungen mehr denn je in Mode, kaum ein Politiker oder Manager traut sich zu sagen: Das weiß ich nicht. "Das trauen sich nur mehr Religionsführer, der Papst etwa", sagt Orieschnig. Aber die erregten Massen verlangen schnelle Antworten, und irgendwer liefert sie: Populisten, das Internet oder der Stammtisch.

Jesus wusste, dass die einfache Antwort nicht existiert. Sondern die – sagen wir – komplizierte: sein Tod. Er lässt die letzte Möglichkeit zur Flucht verstreichen und bleibt. "Nur so konnte es eine Auferstehung geben, auf der unsere Religion aufbaut."

Demut und Verrat

Eine Parallele zu damals ist die Fußwaschung. Jesus wusch seinen Jüngern die Füße, in der Gründonnerstagsmesse tun es ihm Priester und Bischöfe nach. Papst Franziskus vollzog sie im Vorjahr an syrischen Flüchtlingen, im Sinne Jesu: "Wenn nun ich, euer Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen." (Joh. 13, 14) Die Botschaft könnte aktueller kaum sein.

Mit dem Gründonnerstag beginnen die drei heiligen Tage (triduum paschale), sie sind Höhepunkt des christlichen Kirchenjahres. In der Messe zum letzten Abendmahl wird kein Schlusssegen gesprochen, bis zur Auferstehung gibt es weder Gottesdienst noch Glockenläuten. Damit wird des Leides Jesu gedacht. Denn nachdem er mit seinen Jüngern Brot und Wein als Symbol für seinen Leib und sein Blut teilte, nachdem er ihnen die Füße wusch und nachdem er zu seinem Vater sprach, wurde er verhaftet – verraten durch Judas, der ihn dafür auf die Wange küsst. Apropos Verrat: Jesus prophezeite an dem Abend, dass seine Jünger ihn verleugnen werden, allen voran Petrus. Sie bestreiten das vehement. Aber Menschen stehen nicht immer öffentlich zu ihrer Überzeugung. Schon damals nicht.