Sex und Liebe per App

Sie tun es im Bus und in der Kaffeepause. Manche machen es sogar in der Warteschlange im Supermarkt: Die Partnersuche wird mithilfe von Smartphones immer mehr zum lässigen Zeitvertreib zwischendurch.

Von den österreichweit rund 700.000 Singles, die im Internet Kontakt zu anderen suchen, loggt sich jeder Zweite inzwischen über das Handy ein. "Online-Dating und Mobile-Dating sind mittlerweile zum Überall-Dating verschmolzen", sagt Daniel Baltzer von der Plattform singleboersen-vergleich.at.

Um den Radius möglichst groß zu halten, sind viele Singles obendrein bei mehreren Dating-Börsen gleichzeitig angemeldet. Die Geschwindigkeit beim Kennenlernen hat sich in den vergangenen Jahren durch den einfachen Internetzugang am Handy rasant erhöht. "Die Reaktionszeiten verkürzen sich, denn Mobile User müssen sich nicht erst umständlich am PC einloggen, sondern können auch einmal unterwegs ihren Posteingang bei der Partnervermittlung checken." Der gesamte Datingprozess werde verkürzt und mache die Kennenlernphase spontaner.

Konkurrenzkampf

Die Wahl der App hängt davon ab, ob jemand auf der Suche nach Bekanntschaften, Flirts oder der großen Liebe ist. So wird Parship etwa vorzugsweise von Singles ab 30 genutzt, die auf der Suche nach einer langfristigen Beziehung sind. "Eine App wie Tinder zum lockeren Flirten und Daten spricht eher die jüngere Zielgruppe an und Zoosk legt den Fokus allgemein auf das Kennenlernen neuer Leute", erklärt Baltzer.

Aus dem Kampf um liebeshungrige Singles hat sich inzwischen eine knallharte Industrie entwickelt, die sogar schon eigene Auszeichnungen verleiht. Jedes Jahr im Jänner werden die internationalen iDate-Awards für die beste Dating-Seite und die beste Mobile Dating App vergeben. Heuer ging der Preis an die App ChristianFilipina.com, die asiatische Heiratskandidatinnen vermittelt.

Aussehen ist alles, oder?

Nicht zuletzt floriert auch der Markt rund um Ratgeber für die richtige Präsentation im Netz. Denn meistens wird – wie so oft auch im Leben außerhalb des Cyberspace – die Entscheidung über Interesse oder Desinteresse auf den ersten Blick gefällt. Laut den Dating-Experten von singlebörsen-vergleich.at werden Kontaktanzeigen mit Foto acht Mal häufiger gelesen als jene ohne – Ganzkörperfotos sind erfolgreicher als Porträts. Bilder gemeinsam mit Haustieren und besten Freunden schrecken jeden Zweiten ab.

Wer in der Masse herausstechen will, formuliert seine Kontaktanzeige positiv, ehrlich und hält sich kurz. Lange Texte, in denen sich ein Single über seine Einsamkeit auslässt, obwohl er sich eigentlich für die perfekte Mischung aus Brad Pitt und Johnny Depp hält, sind nicht nur unglaubwürdig, sondern bringen auch weniger Kontaktanfragen.

Wie eine Studie des Social Dating Portals Zoosk über das Klickverhalten seiner Nutzer zeigte, bekommen Frauen, die Augen-Make-up tragen, um 139 Prozent häufiger Anfragen von Männern als ihre Konkurrentinnen, die auf Natürlichkeit setzen. Ähnliche Werte erzielten Frauen mit Lippenstift und Rouge auf den Wangen.

Aber Achtung, kein Grund, sich gleich im Farbkasten zu wälzen. Denn gleichzeitig bevorzugten 81 Prozent der Männer bei der direkten Befragung Frauen mit einer natürlichen Frisur. Mehr als die Hälfte stimmte gegen roten Lippenstift und dunkles Augen-Make-up.

Wer also zwischen Bushaltestelle und Supermarkt-Kassa gefunden werden will, setzt am besten auf gepflegte Natürlichkeit mit persönlichen Akzenten. Das erhöht auch im Alltag die Chancen auf Liebesglück.

Das sind die beliebtesten Apps

Sie ist Single, "Tinder-erfahren" – aber sie will lieber anonym bleiben. So schildert die junge Frau ihre Erlebnisse mit der Dating-App: "Am Anfang war Skepsis – vor allem Online-Singlebörsen begegnete ich kritisch. Aber wie das Schicksal so spielt: Eines Tages war ich wieder einmal Single – einen Monat nach der Trennung kam das Bedürfnis, eine Lücke zu füllen. Und dazu die Neugierde.

Zuvor hatte ich schon sehr viel über Tinder gelesen, auch eine Freundin erzählte mir davon. Sie war es dann, die mich in die App einweihte. Warum nicht? Alles null Risiko und Kosten, im besten Fall: viel Spaß.

Über Tinder gibt es so manches Gerücht. Etwa, dass hier alle nur One-Night-Stands suchen. Ja. Und nein. Viele gehen damit offen um, schreiben es bereits in ihr Profil hinein, andere tun ihre Ambitionen gleich direkt im Chat kund. Auch an so manchem Nacktbild könnte man erahnen, was gewünscht wird. Trotzdem sind da auch viele, die einfach nur schauen wollen, was passiert.

Beziehung fürs Leben

Ob man hier die große Liebe findet? Hm, da bin ich mir nicht so sicher. Ich habe hier tolle Sex-Buddies gefunden, interessante Menschen getroffen, die ich sonst vermutlich nie kennengelernt hätte. Und ich habe auch schon gehört, dass jemand auf diesem Weg seine alte Kindergartenliebe wiedergefunden hatte. Die große Heiratsbörse ist Tinder sicher nicht. Aber das ist auch gar nicht die Idee.

Interessant ist die Sache mit den Fotos. Ich habe den Eindruck, da schauen sich manche ihr eigenes Profil nicht an. Viele haben unscharfe Bilder oder Fotos, wo der Kopf abgeschnitten ist. Ich will auch keinen Typen kennenlernen, der am Foto von einer anderen Frau abgeschmust oder von seinem Tier im Gesicht abgeschleckt wird.

Bleibt noch die Frage zu beantworten, warum ich und so viele andere immer noch auf Tinder sind. Ganz einfach: Es macht süchtig."