Leben/Gesellschaft

Österreich ist Vorreiter beim kontaktlosen Bezahlen

Die Near Field Communication (NFC) erlebt seit heuer regelrechten einen Boom. Der 54-Jährige Reinhold Bierbaumer leitet seit 2012 den Arbeitskreis NFC im Verein AustriaPro der WKO.

KURIER: Wie hat es Österreich geschafft, bei der Funktechnologie NFC vorne mitzuspielen?
Reinhold Bierbaumer: NFC ist eine Kooperationstechnologie und erfordert Kompromissfähigkeit sowie ein Denken miteinander und nicht gegeneinander. Österreich ist ein Land, in dem das Sprichwort „durchs Reden kommen die Leute zusammen“ gilt. Es gibt eine Wirtschaftskammerorganisation, die alle NFC-Interessensgruppen vertritt. Außerdem ist es kein Nachteil, dass die Technologie seinerzeit in Österreich erfunden wurde. Dadurch hat Österreich alle Voraussetzungen, um auf die NFC-Überholspur überzuwechseln.

Wo liegen die größten Problembereiche bei der Etablierung von NFC?
Unternehmen, die untereinander im Wettbewerb stehen, müssen zu Kooperationsformen finden. Das ist zwar langsam im Entstehen, geht aber nicht schnell genug. Ein Bereich sticht dabei besonders hervor: die Mobilfunkbetreiber. Dort hat sich die Erkenntnis, dass man sich an einen Tisch setzen muss, noch nicht herumgesprochen. Der Handel wird allerdings nicht akzeptieren, dass er darauf Rücksicht nehmen soll, welches Smartphone oder welchen Mobilfunkbetreiber ein Kunde hat. Um es mit Konfuzius zu sagen: Selbst der Stärkste kann sich nicht selbst in die Höhe heben.

Bis wann rechnen Sie, dass sich das kontaktlose Bezahlen in der Praxis tatsächlich durchsetzen wird?
Zahlungskarten mit NFC werden sich relativ schnell durchsetzen, vor allem die Bankomatkarte. Mir ist kein Land bekannt, wo die Debit-Karte Maestro eine solche Marktposition hat wie in Österreich. Der bereits begonnene Austausch der Karten bedeutet, dass konsumentenseitig die Technologie NFC in den Brieftaschen Standard sein wird. Bis sich das Bezahlen mit NFC auf Smartphones durchsetzen wird, wird es allerdings etwas länger dauern.

Wie ernst werden die Sicherheits- und Datenschutzbedenken der Kritiker genommen?
Generell werden diese von Handel, Banken, Technologie- und Mobilfunkanbietern als lösbar betrachtet. Da ist aber zu unterscheiden: „Sicher sein“ bedeutet nicht „sich sicher fühlen“. Es ist daher noch viel Aufklärungsarbeit bei den Konsumenten notig.

Was ist die Position des Handels bei NFC?
Der Handel sieht das Thema NFC entspannt, es wird aber sehr genau beobachtet. Die Händler legen bei den Terminals großen Wert darauf, dass ihre Wünsche wie etwa die Vertraulichkeit der Kunden-Transaktionsdaten berücksichtigt werden.

Der Handel will seine Kundendaten nicht aus der Hand geben?
Exakt. Die Kundendaten, auf die vor allem die Mobilfunkbetreiber ein Auge geworfen haben, sollen nicht weitergegeben werden dürfen. Außerdem wünscht sich der Handel, dass die Interoperabilität der Systeme gewährleistet wird und es zu keinem Hardware-Wildwuchs kommt, wie etwa in Italien, wo es an den Autobahnraststationen sechs verschiedene Terminals für Kartenzahlungen gibt.

In welchem Bereich könnte sich NFC in Österreich noch durchsetzen?
Im Mobilitätsbereich gibt es ein interessantes Pilotprojekt der Wiener Linien und der ÖBB zum NFC-Ticketing. Im Airline-Bereich gibt es Initiativen. Auch im Bereich Zutrittskontrollen gibt es Pilotprojekte. Das Potenzial ist beträchtlich.

Eine Langfassung des Interviews lesen Sie auf futurezone.at

Seit 2. April werden die NFC-Bankomatkarten produziert, die ersten Karten mit dem integrierten NFC-Chip befinden sich bereits im Umlauf. Als nächste Bank startet die Raiffeisen Zentralbank die NFC-Funktion. „Ab Mai werden unsere Kunden über die NFC-Funktion der künftigen Karten informiert. Der Roll-out der Karten wird anschließend starten“, heißt es auf KURIER-Anfrage.

Weitere Banken folgen im Sommer. Bis Jahresende sollen bereits vier Millionen Bankomatkarten mit NFC ausgestattet und im Umlauf sein. Der Vorteil für Kunden: Sie müssen die Karte nur noch vor wenige Sekunden zum Kassen-Terminal halten und sie nicht wie bisher einstecken und einen PIN-Code eingeben. Das funktioniert allerdings nur dort, wo es bereits ein entsprechendes NFC-Terminal an den Kassen gibt.

Die Terminals für kontaktlose Bezahlen gibt es derzeit in ausgewählten Zielpunkt-, und Thalia-Filialen sowie bei allen Wiener Billa-Filialen. Die Lebensmittel-Einzelhandelskette Spar hat ebenfalls angekündigt, alle Filialen flächendeckend mit NFC-Terminals ausstatten zu wollen. Dadurch sollen die teils langen Schlangen an den Supermarkt-Kassen reduziert werden und das Bezahlen bequemer werden.

Im Fall eines Karten-Missbrauchs haften die Banken. Es gibt jedoch auch noch einen Sicherheitsmechanismus in der Karte: Nach fünf Transaktionen muss man den PIN-Code eingeben.