Leben/Gesellschaft

Dem Golfstrom geht die Kraft aus

New York versinkt in einer riesigen Flutwelle, Los Angeles wird von Tornados zerstört, in Europa sorgen Hurrikanes in kürzester Zeit für dreistellige Minustemperaturen – und schuld ist der Golfstrom. Im Film "The Day After Tomorrow" (2004) kommt es zu einer weltweiten Klimakatastrophe, weil die "Wärmepumpe Europas" aufgrund des Klimawandels zum Erliegen kommt.

Nicht nur Drehbuchautoren, sondern auch Wissenschafter beschäftigten sich seit Jahrzehnten mit den Auswirkungen eines schwächeren Golfstroms. Jetzt lässt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit einer Studie aufhorchen: Der warme Golfstrom habe sich im 20. Jahrhundert so stark verlangsamt wie seit tausend Jahren nicht. "Verblüffenderweise hat sich trotz fortschreitender globaler Erwärmung ein Teil des nördlichen Atlantiks in den vergangenen hundert Jahren abgekühlt", vermeldet Rahmstorf im renommierten Fachjournal Nature Climate Change. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die Wasserströmung im Atlantik schwächer geworden sei.

Der europäische Arm des Golfstroms ist Teil der großen Umwälzströmung im Atlantik, die sich auf der ganzen Welt auswirkt. Veränderungen würden das Klima massiv beeinflussen (siehe unten).

"Der Golfstrom sorgt für das milde Klima in West- und Mitteleuropa, da er Wärme von der Karibik transportiert", erklärt Rahmstorf die Wirkung auf Europa.

Warm-kalt ausgleichen

Der Grund für die Verlangsamung: Wegen der Erderwärmung schmelzen die Gletscher in Grönland, das Süßwasser fließt ins Meer – durch den geringeren Salzgehalt wird das Wasser leichter und bleibt an der Oberfläche, die zusätzlich durch die Sonne erwärmt wird. So fehlt die Zirkulation zwischen warmem und kaltem Wasser.

Forscher der britischen Universität Reading beobachteten bereits mögliche Auswirkungen: Mitte der 1990er-Jahre erwärmte sich der Nordatlantik um ein Grad Celsius und damit verbunden stieg auch die Lufttemperatur an. Seither hat sich das Wetter verändert: In Nord- und Mitteleuropa sind die Sommer öfter feucht, während sie in Südeuropa noch heißer und trockener geworden sind.

Was, wenn der Golfstrom eines Tages komplett versiegt? Klimaforscher Martin Visbeck vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel beruhigt: "Der Hauptteil des Golfstroms ist windgetrieben. Und den kriegt man nur weg, wenn man den Wind abschaltet." Was de facto nicht möglich ist. Die Studienergebnisse von Rahmstorf sieht Visbeck kritisch – es gebe andere Schätzungen, die auf einen ganz anderen Verlauf hindeuten.

Leichte Temperatur-Rückgänge wären in Europa frühestens 2050 zu spüren, vermutet er. "Allerdings haben wir dann schon so viel Klima-Erwärmung, dass uns die leichte Abkühlung durch den Golfstrom hilft, dass es nicht ganz so warm wird." Auch Rahmstorf sieht in naher Zukunft keine Katastrophenszenarien wie in "The Day After Tomorrow": "Eine Eiszeit wird es frühestens in 30.000 Jahren geben."

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Seit 15 Millionen Jahren bringt der Golfstrom Wärme aus der Karibik bis nach Island, fanden österreichische Forscher heraus. Bereits um 1300 bewirkte das Abschwächen des Golfstroms eine kleine Eiszeit in Europa. Im

20. Jahrhundert habe sich der Golfstrom wieder stark verlangsamt, warnen jetzt Forscher der Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung. Für den Vergleich mit der Vergangenheit wurden etwa Ablagerungen aus dem Meeresboden und Eisbohrkerne ausgewertet.

Kälteeinbruch

Europa würde die Wärme des Golfstromes fehlen.
Vielleicht gar nicht so schlecht in
Zeiten der globalen Erderwärmung.

Dürre

Im Westen und in der Mitte der USA käme es zu Dürren, warnte bereits 2003 das Pentagon. Indien und Afrika wären auch betroffen.

Überschwemmung

Stürme und Hochwasser würden das Trinkwasser gefährden. Außerdem könnten die Nahrungsmittel knapp werden.

Meeresspiegel

An den Küsten des Nordatlantiks könnte das Wasser ansteigen. Eine Bedrohung für die Bewohner der küstennahen Regionen.