Leben/Gesellschaft

Warum eine junge Frau erstmals lachen kann

Sie traut sich jetzt zum ersten Mal, ihren Mund aufzumachen. Tina M. (Name der Redaktion bekannt) traut sich auch deshalb, über ihr Leben öffentlich zu erzählen, weil sie seit zwei Monaten wieder Zähne in ihrem Mund hat.

Die Geschichte der 23-jährigen Wienerin macht – mitten in einer der reichsten Städte der Welt – betroffen. Ihr Vater hat wieder und wieder seine Aggression an ihr ausgelassen, ihre Mutter hat sie mit 16 und einem Kind in ihrem Bauch vor die Tür gesetzt. Sie hat dann darauf verzichtet, die beiden Väter an ihre Pflichten zu erinnern. "Weil mir das nur Probleme eingetragen hätte."

Nach der Geburt ihres Sohnes war ihr der erste von fünf Zähnen des Oberkiefers ausgefallen, vor der Geburt ihrer Tochter, beim Einsetzen der ersten Wehe, der letzte. "Danach habe ich mich so geniert, dass ich mich kaum aus dem Haus getraut habe." Im Gespräch mit anderen Menschen, beim Arzt oder auch im Supermarkt, habe sie sich ständig die Hand vor den Mund gehalten.

Um möglichst niemandem im Kindergarten zu begegnen, hat sie ihre Kinder früher hingebracht und früher abgeholt. Ihre Scham habe sich auch auf die Kinder negativ ausgewirkt.

Sie zeigt ihre Zähne

Doch damit ist jetzt endgültig Schluss. Frau M. freut sich zum ersten Mal seit vielen Jahren, und sie zeigt dabei ihre neuen Zähne: "Sind sie nicht wunderschön!"

Niemals hätte sie sich die 800 Euro für die Zahnbrücke vom Mund absparen können. Sie ist eine von fast 1,4 Millionen Menschen in Österreich, die in Armut leben. Seit ihrer ersten Schwangerschaft ist ihr Leben ein täglicher Kampf ums finanzielle Auskommen. Ihre Waschmaschine stottert sie weiterhin in monatlichen Raten ab, einen Kleiderkasten besitzt sie bis zum heutigen Tag nicht.

Ihr Sohn leidet an chronischer Bronchitis. Der Kinderarzt meint, dass das vom Schimmel in ihrer Wohnung kommt. Noch eine Baustelle, die sie in Ordnung bringen muss. Und wie sie die Extraausgaben für die Kinder, die schon bald in die Schule kommen, abdecken soll, weiß sie bis heute nicht.

Die Mitarbeiter der Initiative "Nein zu Krank und Arm" (siehe unten) waren sich schnell einig, der Alleinerzieherin finanziell unter die Arme zu greifen. Bezahlt wurde der Zahnersatz und auch die Kosten für eine dringend notwendige Psychotherapie.

Eine Investition, die sich auf lange Sicht rechnen sollte. Tina M. hat es jetzt zum ersten Mal gewagt, zu einem Bewerbungsgespräch zu gehen. Und sie sagt, dass sie sich beim Gespräch mit einer Mitarbeiterin von Wiener Wohnen gut gefühlt hat. Sie möchte unbedingt wieder eine Arbeit annehmen, sie hat sich auch beim Arbeitsmarktservice erkundigt, ob sie ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau fortsetzen kann.

"Mein Traum wäre es, einmal in einem Büro zu arbeiten", sagt Tina M. heute. "Ich habe die ersten eineinhalb Jahre meiner Lehrzeit sehr genossen." Bis sie schwanger wurde und ihre Mutter das Geld für die Familienbeihilfe einbehielt. Danach kamen andere Aufgaben auf sie zu. Existenzielle Aufgaben, die sie alle bewältigt hat.

Auch die Kinder profitieren von ihrem neuen Selbstbewusstsein. "Wir waren gestern im Park. Mein Sohn, der so mager ist, weil er Probleme mit dem Essen hat, war am Abend so richtig hungrig." Wieder sind die Zähne der jungen Frau zu sehen.

Einladung.Die Initiative "Nein zu Krank und Arm" hilft kranken Erwachsenen und Kindern in sozialer Not. Schnell, unbürokratisch. "Viel zu oft fallen Menschen aufgrund von Krankheit aus dem Arbeitsleben und geraten in die Armutsfalle", so der Initiator, der Internist Univ.-Prof. Siegfried Meryn. "Alleinerziehende Mütter mit kranken Kindern oder psychisch belastete Menschen sind besonders betroffen." Seine Initiative finanziert zum Beispiel Selbstbehalte für Therapien oder auch Heilbehelfe.

Am Muttertag (10. Mai) bittet Meryn von 11 bis 13 Uhr in die Volksoper zu einer Benefizmatinee, unter anderem mit Neil Shicoff, Kurt Rydl und Robert Meyer. Wer verhindert ist, kann mit einer Patenschaftsspende anderen Menschen eine Teilnahme an der Matinee ermöglichen.

Kartenbestellungen:

01/514 44/3670 sowie 01/513 15 13.

Buchung online: www.volksoper.at

eMail: tickets@volksoper.at

Vereinbarung für eine Patenschaftsspende unter: office@neinzukrankundarm.org, oder 0664/50 50 944.

Spendenkonto:

Erste Bank, IBAN AT95 2011 1289 3091 9500 www.neinzukrankundarm.org